Читать книгу Wächterin - Ana Marna - Страница 16
Juli 2013
ОглавлениеUSA
Als der fremde Kontinent unter dem Flugzeug auftauchte, konnte Valea nicht umhin, nach draußen zu starren. Weiße Wolkenfetzen behinderten immer wieder ihre Sicht, doch da lag er. Eindeutig. Der neue Kontinent, der für die nächste Zeit ihr Zuhause sein würde. Furcht verspürte sie nicht. Nur Neugierde. Bisher hatte sie zwar schon viele amerikanische Kollegen auf zahllosen Kongressen kennengelernt und war auch nicht zum ersten Mal in den USA. Doch dieses Mal würde es für länger sein. Vielleicht sogar für sehr viel länger.
Das forensische Institut in Huntsville hatte sie lange umworben. Immer wieder war sie angesprochen worden, von verschiedensten Seiten. Doch sie hatte gezögert. Ihre Wurzeln lagen in Europa und nicht auf dem amerikanischen Kontinent.
Doch das letzte Jahr in Keele war beengend gewesen. Die Arbeit war zweifelsfrei spannend und abwechslungsreich, doch etwas hatte gefehlt. Sie hatte lange gebraucht, bis sie gewusst hatte, was das war. Erst ihr letzter Kongress in New York und eine anschließende Kurzreise quer durch den amerikanischen Kontinent hatte ihr offenbart, dass es die Weite war.
Freies Land, ohne Sicht auf Mauern und Menschen.
Europa hatte seine schönen Seiten und auch wilde Landschaften. Doch alles war klein und eng. Das hatte sie zum ersten Mal gespürt, als sie aus Afrika zurückgekehrt war, doch sie hatte diesem Gefühl damals keine Bedeutung zugemessen. Ihre neue Berufung stand zu der Zeit im Vordergrund und forderte sie ganz und gar.
Inzwischen waren jedoch acht Jahre vergangen. Acht Jahre, in denen sie sich zielstrebig und erfolgreich einen guten Ruf in der forensischen Fachwelt erarbeitet hatte. Sie hatte nicht vor, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, doch ihr Blick wurde weiter und berührte inzwischen auch andere Dinge außerhalb ihrer Arbeitswelt.
Mugai Ryū brachte ihr die Ruhe und Gelassenheit, doch ihr Körper verlangte nach mehr Bewegung. Nach Luft und freier Sicht. Ihre kurze Reise durch die weiten Landschaften Amerikas hatten eine Sehnsucht in ihr berührt, die sie nach Afrika tief vergraben hatte, und die sich jetzt langsam wieder in ihr Bewusstsein drängte.
Das Angebot aus Huntsville kam dieser Sehnsucht daher entgegen.
Letztendlich war es die Neugierde und die Lust auf eine neue Herausforderung gewesen, die sie hatte zustimmen lassen, den Lehrstuhl anzunehmen. Zu ihrer Überraschung war man ausnahmslos auf alle ihre Bedingungen eingegangen.
Sie durfte lehren, sie durfte Fälle übernehmen, sich weiterbilden (was natürlich sowieso erwartet wurde), aber vor allem durfte sie über ihre Zeit frei verfügen. Anscheinend hegte niemand daran Zweifel, dass sie dieses Privileg nicht zu ihrem Vorteil ausnützen würde. Und das hatte sie natürlich auch nicht vor. Die Bezahlung war mehr als gut, und ihr war klar, dass so manche ihrer Kollegen vor Neid erblassen würden, wenn sie wüssten wie gut.
Doch das war nebensächlich. Wichtig war ihre Arbeit.
Sie betrachtete die Landschaft unter sich und lächelte zufrieden.
In ihr lag ein gutes Gefühl. Sie war sich sicher, richtig entschieden zu haben.