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3.2 Problemgestalten von Erziehung 3.2.1 Bestimmungen von Erziehung

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Der Erziehung wird seit jeher eine große Bedeutung für Mensch, Kultur sowie Gesellschaft beigemessen und sie gilt – abgesehen von antiautoritären Kompensationsformen – als unverzichtbar. Einige exemplarische Argumentationsfiguren auf einer normativen Theorieebene seien zur Verdeutlichung des möglichen Spektrums von Erziehungskonzeptionen genannt:

Paradoxon der Erziehung

Immanuel Kant formuliert das Problem und Paradoxon der Erziehung: Wie sei es möglich, die Freiheit bei dem Zwange zu kultivieren (vgl. KANT 1803/1983, S. 711)? Erziehung soll einerseits einen selbständigen Menschen und Neues „hervorbringen“, andererseits Grenzen aufzeigen, das Befolgen von Regeln einüben, Unterordnung lehren und bestehende Strukturen vermitteln.

Für Siegfried Bernfeld (1892–1953) ist pädagogisches Handeln die Reproduktion von Gesellschafts- und Machtstrukturen. Erziehung bestimmt er als „die Summe der Reaktionen einer Gesellschaft auf die Entwicklungstatsache“ (BERNFELD 1925/82000, S. 51) des Menschen.

Anders Hannah Arendt (1906–1975): Sie beschreibt die Welt, und mit ihr Gesellschaft und Kultur, als ein ständiges Werden und Vergehen. Nur durch Erziehung – im Sinne einer permanenten Erneuerung der Welt – kann sie fortbestehen. Dabei droht die Gefahr, das überlebenswichtige Neue, das mit einem Kind in die Welt kommt, zu zerstören. Eine „konservative“ Erziehung schützt das Alte vor dem Neuen und umgekehrt (vgl. ARENDT 1958, S. 20).

Der besondere Anspruch an Erziehung wird in einem Beitrag Theodor W. Adornos (1903–1969) deutlich. „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ (ADORNO 1971, S. 88) Für Adorno hat Erziehung die Aufgabe, kritische Selbstreflexion und Autonomie zu fördern. Er möchte das Wort „Erziehen“ möglichst vermeiden und es durch: „zur Mündigkeit bewegen“ (vgl. ebd., S. 147) ersetzen.

Absichtsbegriff

Auf einer analytischen Theorieebene wird zwischen intentionaler und funktionaler Erziehung unterschieden. Während die intentionale Erziehung auf einem absichtsvollen Tun ruht, zielt der funktionale Erziehungsbegriff auf alle nicht intendierten Erziehungseinflüsse, beispielsweise durch Gesellschaft, Medien, Freundeskreis usw. Aber ist Erziehung das, was ein Erziehender beabsichtigt oder das, was er erzieherisch bewirkt? Nach einem Absichtsbegriff wäre nur dann von Erziehung die Rede, wenn dem erzieherischen Tun eine konkrete Absicht unterläge, die sich in einer Zweck-Mittel-Relation zeigt. Der intentionale Erziehungsprozess ist der Versuch planmäßiger Einwirkung, wobei die tatsächlichen Wirkungen untergeordnet sind. Daraus ergibt sich zum einen die Frage, was mit jenen Absichten ist, die in der Ausführung keinerlei Wirkung haben, zum anderen ist nach den nicht intendierten Folgen zu fragen. Ist auch hier sinnvoll von Erziehung zu sprechen?

Wirkungsbegriff

Der Wirkungsbegriff sucht das Kriterium von Erziehung in den Wirkungen, die als erzieherisch bedeutsam bestimmt werden. Ihm zufolge wird nur das, was in einer Ursache-Wirkungs-Relation als Wirkung zu beobachten ist, Erziehung genannt. Dieses Prinzip aber schließt Erziehung als planvolles Unternehmen aus. Zudem gibt es möglicherweise unerwünschte Wirkungen, die geplant zu verhindern sind. Auch stellt sich die Frage, wie Gewünschtes legitimiert werden soll. Eine Konsequenz könnte sein:

„Von Erziehung im Sinne eines rationalen, planbaren und verantwortbaren Handelns kann aber erst dann gesprochen werden, wenn aufgrund nomologischen Wissens die Wahrscheinlichkeit bestimmt werden kann, mit der von erzieherisch intendiertem Handeln eine der Absicht entsprechende ‚Wirkung‘ erwartet werden kann. Erst unter dieser Voraussetzung wird Erziehung zu einer planbaren und verantwortbaren Handlung.“ (HEID 2000, S. 57)

Sowohl in der Differenz von intentionaler und funktionaler Erziehung als auch im Absichts- und Wirkungsbegriff wird von einer Unterscheidung nach Subjekt und Objekt ausgegangen, die in dieser Weise nicht begründbar ist. Ferner bleibt unberücksichtigt, dass es sich nicht um zwei Erziehungsbegriffe handelt, sondern – wissenschaftstheoretisch – um zwei unterschiedliche Perspektiven auf den Erziehungsbegriff. Am Ende ist vielleicht gerade die intersubjektive Nichttrennbarkeit dieser Sphären das komplexe Feld der Erziehung als Austragungsort des mündigen Streits um Erziehung im Spannungsfeld von Freiheit und Zwang, Selbst- und Fremdbestimmung.

Grundbegriffe der Pädagogik

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