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3.2.2 Begriffsgeschichtliche Verortungen von Erziehung

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Der Begriff Erziehung gilt als ein Grundbegriff der Erziehungswissenschaft, gleichwohl sein Spezifikum gegenüber dem Begriff „Bildung“ oft schwer zu benennen ist. Während der Bildungsbegriff auf eine mündige Lebensführung und Selbstgestaltung zielt, ist der Begriff Erziehung als zeitlich abgeschlossener Prozess mit Zucht, Disziplin, Unter- bzw. Einordnung, Eingewöhnung, Kultivierung, Zivilisierung oder Anpassung verbunden. Bis in das 18. und 19. Jahrhundert hinein erfolgte keine klare Abgrenzung der Worte Bildung und Erziehung; auch heute wird oft von Bildung und Erziehung als Konglomerat gesprochen. Eine differenziertere Betrachtung sieht Erziehung als machtstrukturiertes Verhältnis unter der Maßgabe der Förderung.

Entstehung des Erziehungsbegriffes

Diese Verbindung von Erziehung, Macht, Zucht und Disziplin leitet sich aus der Entstehung des Erziehungsbegriffes ab. Der Begriff Erziehung wurzelt vor allem in der jüdisch-christlichen Tradition, in der unter Erziehung (hebräisch: musar) in erster Linie Zucht und Disziplinierung verstanden wird. Ziel der Erziehung ist der uneingeschränkte Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes und den Gesetzen. Als das Alte Testament (Septuaginta) aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzt wird, tritt an die Stelle des hebräischen Wortes musar, der griechische Ausdruck paideia. Diese Übersetzung erfolgt aufgrund der fehlenden Entsprechung des jüdischen Zuchtgedankens im griechischen Denken. Im Grunde sind die Begriffe musar und paideia nicht miteinander vereinbar. Während paideia auf die freie Selbstentfaltung abzielt, ist die jüdisch-christliche Erziehung durch Unterwerfung unter das göttliche Gesetz durch Zucht und Gehorsam geprägt (vgl. dazu SCHWENK 72004, S. 434). Die Übersetzung von musar durch paideia bringt also eine zusätzliche Bedeutung ein und richtet den Blick im Kontext der Erziehung auch auf die Perspektive des Einzelnen und dessen Wohl, das aber dem Gedanken des Gehorsams und der Zucht untergeordnet bleibt.

Der Erziehungsbegriff umfasst also beides: Zucht, Gehorsam, Zwang und Unterordnung sowie Entfaltung, Verbesserung, Vervollkommnung und Förderung des zu Erziehenden. Dabei bleibt der Rahmen bestehen: Die Entfaltung des Einzelnen kann nur unter der Gestalt der Zucht, des Gehorsams, des Zwangs sowie der Unterordnung unter eine übergeordnete historisch variierende Instanz (Gott, Gesellschaft, Kultur, Geschichte, Ideologie, Familie usw.) gedacht werden. Kurzum: Erziehung als Vervollkommnung durch Zucht.

Machtstruktur der Erziehung

Der Erziehungsbegriff ist – im Übrigen ebenso wie der Bildungsbegriff – metaphorisch strukturiert; er führt die Semantik der Zucht von Beginn an mit sich. Die Metapher „Erziehung“ bewahrt dieses Sediment im Anschluss an das christlich-jüdische Verständnis. Deshalb beinhaltet der moderne Erziehungsbegriff die mitunter paradoxe Aufgabe der Unterwerfung bei gleichzeitiger Beförderung von Mündigkeit. Erziehung ist der Bereich, in dem sich Freiheit und Zwang, Selbst- und Fremdbestimmung eng aufeinander beziehen. Es geht nicht darum, sich vom Erziehungsbegriff wegen des ihm innewohnenden Zuchtgedankens zu verabschieden; vielmehr sollte die Machtstruktur der Erziehung transparent gemacht und ein bewusster Umgang mit dem erzieherischen Paradox angestrebt werden.

Grundbegriffe der Pädagogik

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