Читать книгу Vom Leben und Sterben im Alter - Andreas Kruse - Страница 13

2 Die Vorbereitung des Menschen auf seinen Tod

Оглавление

In einer Schrift zum Leben und Sterben im Alter sind auch Aussagen zur inneren Vorbereitung des alten Menschen auf den eigenen Tod zu treffen. Die Art und Weise nämlich, wie Menschen eine schwere, zum Tode führende Erkrankung zu verarbeiten versuchen, ist nicht losgelöst von deren grundlegender Einstellung und Haltung zum eigenen Tod zu betrachten. In dieser spiegelt sich auch das Ausmaß, in dem sich Menschen auf den Tod vorbereiten, diesen also bewusst in ihr Leben hineingenommen haben, wider.

Die Analyse der Einstellung und Haltung zum eigenen Tod nehme ich zunächst vor dem Hintergrund von drei theoretischen Perspektiven vor, die von der Annahme ausgehen, dass die Art und Weise, wie Menschen den herannahenden Tod erleben und bewerten, in hohem Maße davon beeinflusst ist, welche Einstellung und Haltung sie zu ihrer Biografie ausgebildet haben, wie ihr Lebensrückblick ausfällt und inwieweit sie in der Lage sind, zu einer Neuorientierung zu finden – und zwar in der Hinsicht, dass es ihnen gelingt, über ihre irdische Existenz hinauszublicken und diese in umfassendere, »kosmische« Bezüge einzuordnen. Die drei theoretischen Perspektiven, die in diesem Kapitel erörtert werden sollen, lassen sich überschreiben mit »Lebensrückblick«, »Ich-Integrität«, »Verletzlichkeit und Reife in Sorgebeziehungen«. Diese Erörterung lässt uns besser verstehen, wie sich Einstellung und Haltung zur Biografie entwickeln und wie diese wiederum die Einstellung und Haltung zum Tod beeinflussen. In letzter Konsequenz bedeutet dies: Wie wir auf den herannahenden Tod blicken, inwieweit wir in der Lage sind, uns bewusst mit unserer eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen, entscheidet sich keinesfalls erst im letzten Lebensjahr oder in den letzten Lebensmonaten. Nein, schon in früheren Lebensabschnitten, vor allem aber im höheren und hohen Alter können wir seelisch-geistige Entwicklungsschritte vollziehen, die uns in die Lage versetzen, die eigene Endlichkeit gedanklich und emotional klarer vorwegzunehmen und – trotz allen Schmerzes, mit dem der Abschied von der Welt verbunden ist, trotz aller Ängste, die der bevorstehende Abschied in uns auslöst – eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit zu leisten.

Bei der Analyse der Einstellung zum eigenen Tod möchte ich mich jedoch nicht allein auf theoretische Perspektiven konzentrieren, sondern die Sicht noch einmal weiten: Es sollen auch Beiträge aus der Lyrik zu Wort kommen, die sich besonders dafür eignen, die in den theoretischen Perspektiven angesprochenen seelisch-geistigen Prozesse wie auch Entwicklungsmechanismen, die diesen zugrunde liegen, zu veranschaulichen und aus einer individuell-existenziellen Sicht zu beschreiben. Natürlich lässt sich einwenden, dass hier zwei unterschiedliche Ebenen angesprochen werden, die sich nicht unmittelbar aufeinander beziehen lassen, handelt es sich doch das eine Mal um eine Forschungsebene, das andere Mal um eine literarische Ebene. Diesem Einwand möchte ich entgegenhalten, dass letztere ebenfalls seelisch-geistige Prozesse beschreibt, die verwandt sind mit jenen, die die psychologische Analyse in den Blick nimmt und differenziert untersucht. Zudem gibt die literarische Ebene Auskunft über das innere Erleben der Verfasserin bzw. des Verfassers wie auch über die Art und Weise, in der diese bzw. dieser selbst auf die Grenzsituation der schweren Erkrankung oder des Sterbens blickt. Es sei nur eine sehr kleine Auswahl an literarischen Dokumenten getroffen, denn mir geht es hier ja vor allem um die Veranschaulichung psychologischer Prozesse sowie um die Abbildung der existenziellen Perspektive. Und hier treffen wir wieder auf das Individuum, das ja auch in den theoretischen Perspektiven Dreh- und Angelpunkt der Analyse bildet. Dabei soll deutlich werden, wie sehr sich Lyrik eignet, seelisch-geistige Vorgänge anschaulich zu beschreiben. Somit ergibt sich hier ein wertvolles Ergänzungsverhältnis.

Vom Leben und Sterben im Alter

Подняться наверх