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34 Eala Cuin

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„Ich kann es fühlen!“, krächzte die alte Frau, so laut sie es eben noch konnte in den dunklen Wald hinaus. „Es spricht wieder!“

„Aaach! Was du wieder fühlst“, schnarrte eine, mindestens ebenso alte, männliche Stimme. Sie kam von hinter dem, was sie `das Haus´ nannten. Die Elfen hatten hier einst gesiedelt und den Ort Minning Gaddan genannt. Das Haus, in dem sie sich getroffen hatten, wenn es etwas zu besprechen oder zu feiern gab, hieß Eala Cuin, was in der alten Sprache der Elfen, etwa so viel bedeutete wie lebendiges Wesen und das war keineswegs übertrieben. Es sah zwar einem Haus ähnlich, doch es war vielmehr als das, es war ein Organismus. Dieser Organismus sah seinen Vorteil darin, sich den Elfen als Behausung zur Verfügung zu stellen und die hatten sich in ihm eingerichtet. Sie pflegten und versorgten ihn dafür und so war beiden gedient. Eala Cuin hatte auf einer hellen Lichtung gestanden, doch das war sehr, sehr lange her. Die Elfen waren vertrieben worden von den Horden aus Morendo. Da die Moroks kein Interesse an der Siedlung gehabt hatten, war sie verfallen. Der Wald hatte sich seinen Platz zurückerobert und Eala Cuin war, wie fast das ganze Minning Gaddan, längst wieder Teil des Waldes geworden. Es sah aus wie ein großer, bewachsener Erdhügel mit einigen merkwürdigen Öffnungen und Wölbungen. Seine Wände waren über und über mit Moos bedeckt. Niedriges Buschwerk umstand den Hügel von allen Seiten. Eine Veranda war noch in Umrissen zu erkennen, deren Pfosten von Schlingpflanzen überwuchert waren. Diese hatten auch die Fensterbänke in Beschlag genommen und den Schornstein ebenfalls schon gefährlich umarmt. Der hatte dadurch zwar einiges von seinem Mauerwerk eingebüßt, gab aber trotzdem unablässig dünne Rauchfäden von sich. So sah und roch man selbst aus einiger Entfernung, dass Eala Cuin wieder bewohnt war.

„Ich sage dir, es hat sich bewegt!“

„Ja doch!“

Die alte Frau hatte an einem Platz gesessen, der von der ehemaligen Veranda übriggeblieben und noch nicht vollständig zugewachsen war. Sie erhob sich jetzt mühsam aus einem Schaukelstuhl, der so verwittert und alt aussah wie seine Besitzerin. Sie sortierte umständlich einige ihrer grauen Haarsträhnen, stieg über Blätter und Äste, ging mit schleppenden Schritten zu einem der Pfosten, die das Vordach stützten und legte behutsam ihre knöcherne Hand auf die Ranken.

„Komm rüber, wenn du mir nicht glaubst. Fühl es selbst!“

„Ja! Im Grunde ist es ja auch an der Zeit“, antwortete der alte Mann mürrisch. „Eigentlich habe ich schon früher damit gerechnet. Ich glaube, es passiert etwas in der Hauptstadt. Ich vermute, dass es uns das erzählen will.“

„Glaubst du denn“, fragte die alte Frau, „dass die Verbindungen so weit reichen, dass es uns Geschichten aus der Hauptstadt erzählen kann? Die Verbindungen nach Fasolanda sind doch durch den Bau der neuen Stadtmauer und den Mauergraben unterbrochen worden, oder?“

„Wann wirst du das endlich begreifen?“, knurrte der Mann, „die Verbindungen laufen über das Myzel und das liegt tief unten in der Erde. Sie können gar keine Mauern bauen, die so tief in die Erde reichen, dass sie die Verbindung durch das Myzel zerstören. Es würde drum herum oder unter der Mauer durchwachsen. Oder es wächst einfach in die Mauer hinein. Die Fasolander, vor allem, seitdem diese Halbelfin dort regiert, sind dumm genug, zu glauben, dass sie es durch Mauern oder irgendwelche Bauwerke aufhalten können, aber das können sie nicht!“ „Nenne Myriana nicht Halbelfin!“, zischte die Alte.

„Aber sie ist es!“, erwiderte der Mann, „ihr Vater war Gesiondar von Ildindor und der war ja wohl ein Elf!“

„Er war kein Elf, er war ein Vampir!“, bellte die Frau. Ihre Augen glühten rot vor Zorn. „Die Elfen sind ein Volk, das die Schönheiten der Natur liebt, zu schätzen und zu nutzen weiß, doch dieser Mann berauschte sich nur an der Macht, die ihm durch die Ehe gegeben wurde. Er war ein Blutsauger! Er hinterging seine eigene Frau, durch die er auf den Thron gekommen war!“

„Und doch entstammte er dem Volk der Elfen!“, beharrte der Alte.

„Er wurde als Elf geboren, doch als er starb, war er eine Kreatur der Hölle, ein Nichts, ein Niemand, ein Wurm!“

„Es ist wunderbar, wenn du so wütend bist!“, freute sich der alte Mann und lächelte, „es weckt Erinnerungen in mir. Fast wie in alten Zeiten, aber jetzt solltest du dich beruhigen, damit wir lauschen können.“

Sie versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Das, was das Haus mitzuteilen hatte, war wichtiger, als ihre alten Geschichten. Langsam verrauchte ihr Zorn.

„Du alter Schmeichler“, krächzte sie und legte ihm sanft ihre Hand auf den Arm.

„Du hattest recht!“, sagte er, „es bewegt sich. Ich spüre es jetzt auch! Es erzählt, dass die Königin entführt wurde und sich in den Händen eines Fremden befindet.“

„Nein! Das sagt es nicht! Es sagt, dass die Königin nicht mehr im Schloss wohnt und dieser Fremde behauptet, er hätte sie entführt! Das ist ja wohl ein Unterschied!“

„Bei allen Geistern! Wo soll sie denn sein, wenn sie nicht mehr im Schloss wohnt? Natürlich ist sie entführt worden!“

„Davon wissen wir noch nichts. Dass du nie richtig zuhörst!“

„Es gibt hier nichts zu hören. Man kann es fühlen und man muss es richtig übersetzen und damit hast du schon immer Schwierigkeiten gehabt! Es ist ja auch egal, ob Bugga die Königin wirklich hat oder die Fasolander nur glauben, dass er sie hat. Wichtig ist, dass er das flammende Herz dafür bekommt.“

„Woher weißt du, dass er es war?“

„Ich weiß es!“

„Traust du es ihm zu?“, fragte die alte Frau misstrauisch.

„Es wird ihm schlecht bekommen, wenn er versagt!“

„Heißt das, dass er in deinem Auftrag handelt?“

„Genau das heißt es!“

„Das bedeutet aber noch nicht, dass er es auch schafft!“

„Richtig, aber die Tatsache, dass er weiß, was ihm droht, wenn er es nicht schafft, wird ein ungeheurer Ansporn für ihn sein!“

Der Alte lachte ein teuflisches Lachen. In diesem Moment teilten sich die Kronen der Bäume über dem Haus und ein großer, schwarzer Vogel ließ sich geschmeidig auf einem der dicken Äste nieder.

Sinja und der siebenfache Sonnenkreis

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