Читать книгу Sinja und der siebenfache Sonnenkreis - Andreas Milanowski - Страница 40
38 Das verflixte kleine b und Mozarts Tagebuch
ОглавлениеGustav hatte Sinja und den sechs Elfen ihre Quartiere zugewiesen. Sie hatten Schlafräume im Haupttrakt des Schlosses bezogen. Das waren einfache, fensterlose Kammern, ein wenig stickig, aber das interessierte niemanden, da dort normalerweise nur Dienstboten und Mägde übernachteten. Jeder der Sieben hatte jedoch immerhin eine Matratze zum Schlafen und einen kleinen Holzschrank, sowie eine Kommode, um mitgebrachte Habseligkeiten, Rucksäcke und Klamotten zu verstauen. Auf jeder der Kommoden stand eine Kerze in einem Leuchter. Sinja stellte die Geige, dass flammende Herz, in ihren Schrank, warf einige herumliegende Tücher über den Geigenkasten, um ihn vor neugierigen Blicken zu verbergen und verschloss die Schranktüre. Den Schlüssel dazu legte sie in die Schublade ihrer Kommode. Der Wohnbereich des Schlosses war von den Büro- und Arbeitsräumen des Regierungstraktes durch einen langen Korridor und eine große Flügeltür getrennt. Dort durften sie sich frei bewegen. Der Rest des Schlosses war tabu, da Mister Menroy Wert darauf legte, dass die Abläufe der Regierungsgeschäfte nicht gestört wurden. Ging man von den Kammern aus nach links, kam man in einen Flur, an dessen Ende sich auf der rechten Seite ein Salon befand, eine Art Konferenzraum. Diesen hatten sie sich für ihr Treffen ausgesucht. Im Zentrum des Raumes stand ein schwerer Holztisch, der mit vielen Schnitzereien versehen war. Um den Tisch herum konnte man Platz nehmen auf, ebenfalls üppig verzierten, dick gepolsterten Holzstühlen. Feine Blumenmotive und Goldborten waren zu sehen. Die Wände waren mit gemusterten Stofftapeten geschmückt. Der Salon hatte keine Außenwände, also auch keine Fenster und wurde von vierarmigen Kerzenleuchtern mit Licht versorgt. An jeder Wand des Raumes hingen zwei davon. Die Sieben nahmen Platz.
„Sinja, was hast du in der Bibliothek in Erfahrung gebracht?“, fiel Emelda direkt mit der Tür ins Haus. Sie war neugierig und gespannt wie der Bogen, den sie normalerweise über der Schulter trug. Sie verschränkte ihre Arme und schaute Sinja erwartungsvoll an. Die ließ sich nicht zweimal bitten.
„Das `b´, Leute! Dieses verflixte, kleine `b´, das die Königin auf den Spiegel gekritzelt hat, das hat mich wirklich zur Verzweiflung gebracht. Ich wusste erst überhaupt nichts damit anzufangen, aber am besten erzähle ich euch die Geschichte von Anfang an!“
„Oh ja!“, warf Ferendiano ein und lächelte verschmitzt, „wenn du möchtest, dass wir dir bei deinen Ausführungen folgen, wäre `von Anfang an´ ein wirklich guter Anfang!“
„Danach will ich aber auch eure Geschichte hören!“
„Eins nach dem Anderen!“, sagte Gamanziel, „jetzt bist erstmal du dran!“ Sechs Augenpaare hingen gebannt an Sinjas Lippen.
„Gut“, sagte die und räusperte sich. Sie war sich keineswegs sicher, ob sie ihre Elfenfreunde von ihrer Idee würde überzeugen können.
„Also“, begann sie umständlich von Neuem, „ich bin in die Bibliothek gegangen, weil ich das Gefühl hatte, dass ich dort eventuell etwas finden könnte, was uns eine Erklärung liefert, was Königin Myriana vielleicht…..“
„Komm´ zur Sache, Sinja. Das wissen wir doch alles.“, drängelte Emelda.
„Also gut“, fuhr Sinja fort. „Ich mach´s kurz. Wir haben diese seltsame Buchstabenkombination auf Königin Myrianas Spiegel vorgefunden. Mich hat dieser Code an die Signaturen erinnert, die Bibliotheken verwenden, um ihre Bücher zu sortieren. Deswegen bin ich in die Bibliothek gegangen. Ich glaube, dass ich dort etwas gefunden habe.“
„und das wäre….?“, fragte Doriando ungeduldig.
„Kommt gleich“, sagte Sinja, „das war die Vorgeschichte. Königin Myriana ist eine Musikerin. Deswegen bin ich direkt in die Musikbibliothek gegangen, um die Sache abzukürzen. Ich habe dort unter dem Buchstaben `M´ nachgesehen und bin an Mozart hängengeblieben.“
„Mozart? Warum Mozart?“
„Mozart? Weil….“, erklärte Sinja zögernd, „weil es einfach passt. Ich hab´ auch eine Weile gebraucht, bis ich es verstanden hatte. Aber das ist es, was ihr Code bedeutet: M wie Mozart. W wie Wolfgang und mit dem A hatte ich Schwierigkeiten, weil es in der Signatur der Bibliothek nicht auftaucht. Das MWA könnte aber ein Kürzel sein für Mozart, Wolfgang Amadeus.“
„Also wirklich überzeugend klingt das für mich jetzt noch nicht“, sagte Ferendiano, „es könnte genauso gut `Mobile Wanzen Armee´ heißen oder `Mal Wieder Alleine´ und das ZF heißt `Zimmer Frei´. Dann wäre der Code eine Wohnungsanzeige. Königin Myriana war einsam und suchte einen Mitbewohner. Warum ausgerechnet Mozart?“
„Witzbold, du wirst ja wohl zugeben, dass meine Erklärung etwas wahrscheinlicher ist, aber hör´ dir den Rest an, bevor du urteilst“, sagte Sinja, „dann wirst du hoffentlich erkennen, dass das, was ich sage, sinnvoll ist. Wenn es nämlich bei dem MWA, wie ich annehme, wirklich um Mozart geht, dann dürfte das ZF höchstwahrscheinlich ein Hinweis auf die Zauberflöte sein.“
„Zauberflöte?“, fragte Gamanziel, „du meinst die Oper mit Papageno und der Königin der Nacht?“
„Genau die“, antwortete Sinja.
„Das wird ja immer abenteuerlicher!“, sagte Emelda. „Was soll denn diese Oper mit dem Entführungsfall zu tun haben?“
„Also“, warf Amandra ein, „für mich klingt das bis jetzt ganz vernünftig. Das ist zumindest eine mögliche Erklärung für das, was unsere Königin auf dem Spiegel hinterlassen hat.“
„Hinterlassen?“, fragte Ferendiano, „das klingt, als wäre sie tot.“
Cichianon blickte genervt an die Decke.
„Das ist sie hoffentlich nicht! Darf Sinja dann mal weitererzählen?“, fragte er, „ich würde nämlich gerne den Rest der Geschichte hören und dann überlegen, was wir mit ihren Erkenntnissen anstellen.“
Sinja schaute fragend von einem zum anderen. Als keine weiteren Einwände kamen, fuhr sie fort:
„Wenn wir die Erklärung mit Mozart und der Zauberflöte mal als richtig annehmen, dann bleibt noch die Sache mit dem verflixten kleinen b zu klären. Was meinte sie mit dem b? Ich hab´ mir lange den Kopf darüber zerbrochen, was das soll, aber wenn man sich die Noten der Oper ansieht, löst sich das sehr schnell auf. Das b ist ein Vorzeichen. Sie meint damit die Tonart eines ganz bestimmten Stückes der Oper. Das Stück steht entweder in F-Dur oder in D-Moll. Beide Tonarten haben ein b. In F-Dur gibt es viele Lieder in der Oper, insgesamt fünf und keins davon passt zu dem, was mit der Königin geschehen ist. In D-Moll ist nur ein einziges geschrieben und das ist das Lied Nummer 14. Es ist die Arie der `Königin der Nacht´ und sie heißt `Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen´. Die Königin übergibt ihrer Tochter einen Dolch, mit dem sie Sarastro, den Meister der Sonne ermorden soll.“
„Hey!“, sagte Amandra, „du hast ja richtige Detektivarbeit geleistet!“
„Eine Theorie, Leute. Nur eine Theorie“, rief Cichianon dazwischen „wo ist der Zusammenhang mit der Entführung? Ich sehe das noch nicht.“
„Ich bin ja auch noch nicht fertig“, sagte Sinja. „Mir stellen sich jetzt nämlich ein paar Fragen. Hat Myriana eine Tochter? Wenn ja, wo ist sie?“
„Die Königin, eine Tochter?“, fragte Gamanziel. „Nicht, dass ich wüsste.
„Also lautet die Frage: wer hat wem den Dolch in die Hand gedrückt und wen soll die Arme damit ermorden?“, schlussfolgerte Amandra.
„Richtig!“, rief Sinja, „das ist es, was ich aus Myrianas Code herauslese. Es gibt eine Mutter, die von ihrer Tochter verlangt, einen anderen zu töten, der Blutsbande wegen und die Tochter findet das nicht gut. Wir wissen nur noch nicht, wer wer ist! Ist Königin Myriana die Tochter oder die Mutter?“
„Oder meint sie jemand ganz anderen damit?“, fragte Amandra.
„Meine Güte! Das klingt ja alles irgendwie logisch, was du erzählst“, sagte Gamanziel, „aber auch ganz schön unheimlich. Wenn ich mir vorstelle, dass Königin Myriana in ein Mordkomplott verwickelt sein soll? Also, ehrlich gesagt…ich weiß nicht. Ich kann mir das nicht vorstellen.“
„Nun ja“, meinte Amandra, „vielleicht ist sie ja auch die Tochter, von der ein Mord verlangt wird und nicht die Mutter, die ihn in Auftrag gibt. Das würde zumindest besser zu dem Bild passen, was ich von unserer Königin habe, aber wirklich vorstellen will ich mir das auch noch nicht. Myriana und Mord, das passt so oder so nicht zusammen.“
„Und vielleicht ist genau dass der Grund für ihr Verschwinden!“, rief Sinja.
„Wie meinst du das?“, fragte Emelda.
„Vielleicht wollte sie dieser Aufforderung zum Mord aus dem Weg gehen und…“
„Dann wäre sie Pamina!“, rief Amandra.
„Aber sie wurde doch entführt!“, erwiderte Emelda.
„Das ist zumindest die offizielle Version.“
„Hä?“ Ferendiano hatte komplett den Faden verloren. „Heißt das Sinja, du zweifelst jetzt sogar an der Entführung?“
„Ich sehe mir nur an, was wir bis jetzt sicher wissen und ihr müsst doch zugeben, dass diese Entführung einige Merkwürdigkeiten aufweist. Es ist überhaupt nicht klar, wie Myriana aus dem Schloss geschafft wurde und alles, was ich bisher dazu gesehen und gehört habe, klingt zumindest ziemlich exotisch, oder glaubt ihr an die Abseiltheorie?“
„Hm! Nicht wirklich!“, brummte Emelda nachdenklich und rieb sich mit dem Zeigefinger über ihr Kinn.