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1.4.2 Sicherung durch Verfahren

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Da die Art und Weise der Finanzierung ein Instrument zur Usurpation des Rundfunks durch den Staat wäre, die es aufgrund der Staatsfreiheit des Rundfunks und der daraus resultierenden Programmautonomie von Verfassungs wegen zu verhindern gilt, hat das BVerfG in Entscheidungen aus den Jahren 1994 und 2007 genaue Vorgaben zum Verfahren der Gebührenfestsetzung (heute Beitragsfestsetzung) gemacht. Es soll insbesondere das Dilemma[299] verfahrensrechtlich absichern, dass die Rundfunkanstalten bei der Art und Weise ihrer Funktionserfüllung weitgehend frei sind.[300]

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Nach der 2007 bestätigten[301] Systematik des 8. Rundfunkurteils von 1994[302] soll sich der Betrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, nicht anhand von materiellen Regelungen konkretisieren und errechnen lassen. Es ist vielmehr erforderlich, die Rundfunkfreiheit im Zusammenhang mit der Beitragsfestsetzung im Wege eines sachgerechten Verfahrens zu schützen. Dieses hat das BVerfG in Grundzügen vorgegeben[303] und es hat seinen Niederschlag in den §§ 1–7 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) gefunden. Besondere Bedeutung hat dabei die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), für die eine rundfunk- und politikfreie Zusammensetzung vorgeschrieben ist[304] und deren Aufgaben und Befugnisse in § 3 RFinStV niedergelegt sind. Die Unabhängigkeit der KEF-Mitglieder ist zudem durch den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ausgestaltet. Das Gremium besteht gem. § 4 RFinStV aus 16 unabhängigen Sachverständigen, die durch die Länder benannt werden und die bestimmten Bereichen entstammen sollen,[305] damit die funktionsgerechte Finanzierung mittels Verfahren gewährleistet wird.

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Der RFinStV gibt ein dreistufiges Verfahren, bestehend aus Bedarfsanmeldung (§ 1 RFinStV), Bedarfsüberprüfung (§ 3 RFinStV) und Beitragsfestsetzung (§ 8 RFinStV) vor. Die Bedarfsanmeldung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beruht auf ihren Programmentscheidungen und muss sich nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit richten. Die fachliche (nicht politische) Kontrolle der Bedarfsprüfung durch die KEF bezieht sich darauf, ob sich die Anmeldung im rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrag bewegt und ob der abgeleitete Finanzbedarf vorliegt und in Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt wurde. Die Prüfung der KEF mündet in einem konkreten Beitragsvorschlag auf der Grundlage des überprüften Finanzbedarfs, der in einem KEF-Bericht an die Landesregierungen niedergelegt wird, der mindestens alle zwei Jahre erstattet werden muss. Er enthält Stellungnahmen, wann und in welcher Höhe eine Neufestsetzung der Rundfunkgebühr bzw. des heutigen Rundfunkbeitrags erfolgen soll.[306] Die Festsetzung des Beitrags erfolgt sodann im Wege des RBStV. Diesem müssen alle Landesparlamente zustimmen, wobei Abweichungen von dem Vorschlag der KEF nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig sind.[307] Eine solche Abweichung darf sich nur aus Gesichtspunkten des Informationszuganges und der Sozialverträglichkeit der Gebühr bzw. des heutigen Beitrags ergeben.[308] Wenn der Beitrag nicht wie beantragt festgesetzt wird, so ist dies im Einzelnen zu begründen.

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In dem der Entscheidung des BVerfG von 2007 zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Länder die Höhe der damals geltenden Gebühr gem. Vorschlag der KEF im 8. RÄStV um 0,21 EUR monatlich gekürzt. Zudem hatten sie die Erhöhung erst drei Monate später als vorgeschlagen zum 1.4.2005 in Kraft gesetzt. Aus diesem Grund hatten die ARD-Rundfunkanstalten sowie das ZDF und das Deutschlandradio[309] sowohl gegen die Festsetzung der damaligen Rundfunkgebühr für den Zeitraum 1.4.2005 bis 31.12.2008 als auch gegen die Erweiterung der Kriterien zur Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten ab 1.1.2009 Verfassungsbeschwerden eingelegt.[310] In seiner Entscheidung vom 11.9.2007 gab das BVerfG den Rundfunkanstalten im Wesentlichen Recht. Die vorgenommene Gebührenfestsetzung unterhalb der KEF-Empfehlung stellt danach eine Verletzung der Rundfunkfreiheit dar.[311] Teilweise verstößt die Abweichungsentscheidung als solche gegen die Rundfunkfreiheit. In anderen Fällen ist sie für das BVerfG nicht nachvollziehbar oder legt nach dessen Wertung offensichtlich falsche Annahmen zugrunde.[312] Das BVerfG sah eine Neufestsetzung der damaligen Gebühren bis zum 1.1.2009 als nicht erforderlich an. Gegebenenfalls steht den Rundfunkanstalten aber ein Ausgleich zu, wenn sie aufgrund des Abzuges Nachteile erlitten haben.[313] Mit dem 16. RÄStV wurde der Beitrag erstmals von vormals 17,98 EUR auf 17,50 EUR ab April 2015 gesenkt, § 8 RFinStV.[314]

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Eine Kontrolle des Gebühren- bzw. nunmehrigen Beitragsvorschlages durch den Gesetzgeber ist indes ausdrücklich zulässig, da dieser mit der Festsetzung die demokratische Verantwortung für die Entscheidung trägt.[315] Diese Überprüfungsmöglichkeit stellt für das BVerfG keine „bloße Missbrauchskontrolle“ dar. Eine Korrektur hat die „Belange der Gebührenzahler“ (heute Beitragszahler) zu berücksichtigen.[316] Da der Weg des Beitragszahlers zur Information „durch die Höhe der Gebühr (heute Beitrag) unangemessen belastet oder versperrt“ werden kann, muss eine Kürzungsentscheidung des Gesetzgebers den „Ausgleich zwischen den Interessen der Bürger und dem Recht der Anstalten zur autonomen Entscheidung über das Rundfunkprogramm im Rahmen des gesetzlichen Funktionsauftrags und eine darauf abgestimmte Finanzierung“ leisten.[317] Jedenfalls aber ist zu verhindern, dass über die Korrektur der Gebühren- bzw. heutigen Beitragsentscheidung Medienpolitik betrieben wird.[318] Auch „außerhalb des Rundfunks liegende Faktoren wie die allgemeine wirtschaftliche Lage, die Einkommensentwicklung oder sonstige Abgabenbelastungen der Bürger darf der Gebührengesetzgeber (heute Beitragsgesetzgeber) im Rahmen der Abweichungsbefugnis berücksichtigen, soweit sie sich auf die finanzielle Belastung der Gebührenzahler (heute Beitragszahler) auswirken oder deren Zugang zur Information durch Rundfunk gefährden“.[319] Praktisch hat der Gesetzgeber freilich nur sehr geringe Kontrollmöglichkeiten,[320]weil der Umfang der vormaligen Rundfunkgebühr und des heutigen Rundfunkbeitrags vom Funktionsauftrag der Anstalten abhängt, den diese im Ergebnis selbst festlegen.[321]

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Die KEF prüft seit 2009 auch, ob der Finanzbedarf, den die Anstalten angemeldet haben, unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Haushalte der öffentlichen Hand ermittelt wurde (Art. 6 Nr. 2, 8. RÄStV). Die ebenfalls gegen diese Ergänzung der Prüfkriterien der KEF eingelegte Verfassungsbeschwerde führte nicht zum Erfolg, weil diese Kriterien nicht als zusätzlicher Prüfungsgegenstand hinzutreten sollen, sondern im Wege der verfassungskonformen Auslegung als Hilfskriterien für dessen nähere Bestimmung zu verstehen seien.[322]

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