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3. Kommerzielle Betätigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

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Durch den 12. RÄStV wurden die Vorschriften der §§ 16a–16e RStV über die kommerzielle Betätigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingefügt. Die neuen Regelungen sind vor dem Hintergrund der Überprüfung der Finanzierungsvorschriften für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die EU-Kommission anhand der Art. 107 ff. AEUV (Beihilfe-Vorschriften) zu betrachten. Von Seiten privater Wettbewerber waren ARD und ZDF Wettbewerbsverstöße unter anderem auf Grund der unscharfen Trennung der kommerziellen Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von den zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags notwendigen finanziellen Mitteln vorgeworfen worden. Um diese Vorwürfe zu entkräften und die Einstellung des Verfahrens zu erreichen, verpflichtete sich die Bundesrepublik zur Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags durch Aufnahme neuer Vorschriften in den RStV. § 16a RStV stellt dementsprechend klar, dass ARD, ZDF und das Deutschlandradio berechtigt sind, kommerzielle Tätigkeiten auszuüben. Hierunter sind gem. § 16a Abs. 1 S. 2 RStV Betätigungen zu verstehen, bei denen Leistungen auch für Dritte im Wettbewerb angeboten werden, insbesondere Werbung und Sponsoring, Verwertungsaktivitäten, Merchandising, Produktion für Dritte und die Vermietung von Senderstandorten an Dritte.

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Kommerzielle Tätigkeiten stehen nicht per se im Widerspruch zu den originären Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wirtschaftliche Aktivitäten sind in Randbereichen vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG umfasst.[330] Grundvoraussetzung jeder wirtschaftlichen Tätigkeit der Rundfunkanstalten ist jedoch die strenge Bindung an den Grundversorgungsauftrag. Eine Verfolgung wirtschaftlicher Ziele, die sich vom Auftrag lösen, ist nicht mehr vom grundgesetzlichen Schutzbereich umfasst.[331] Tätigkeiten, die mit diesem Auftrag nicht in enger Verbindung stehen, sind also unzulässig. Diese Bindung findet sich nunmehr auch in § 16b Abs. 1 Nr. 1 RStV. Sieht man § 16a RStV im Kontext der Rspr. des BVerfG und des § 16b RStV wird deutlich, dass die Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag nur zu einer Kodifizierung dessen führen, was bereits in den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen der Rundfunkanstalten festgelegt war bzw. der Rspr. des BVerfG entspricht.

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Eine Neuerung stellt indes die Anforderung dar, dass sämtliche kommerzielle Tätigkeiten von rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften zu übernehmen sind. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind dabei verpflichtet, sich strukturell von diesen Töchtern zu trennen. Es ist ihnen künftig untersagt, für ihre Tochtergesellschaften Verpflichtungen zu übernehmen.[332] Zweck dieser Vorgaben aus dem Beihilfekompromiss[333] war es, Quersubventionierungen auszuschließen und somit Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Dazu dürfen kommerzielle Tätigkeiten grundsätzlich nur noch durch eigenständige Tochtergesellschaften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erbracht werden, § 16a Abs. 1 S. 4 RStV. Lediglich bei geringer Marktrelevanz dürfen Rundfunkanstalten noch selbst kommerziell tätig werden, sind dann jedoch zur getrennten Buchführung verpflichtet, § 16a Abs. 1 S. 5 RStV. In § 16e RStV wird das Haftungsverbot der Rundfunkanstalten für ihre Tochter- und Beteiligungsunternehmen kodifiziert. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit den Vorgaben des Beihilfekompromisses[334] so zu verstehen, dass neben dem Verbot der klassischen Haftungsübernahme auch jegliche Verpflichtungsübernahme untersagt ist. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass den kommerziellen Töchtern unmittelbar oder mittelbar finanzielle Mittel aus den Rundfunkgebühren, die nunmehr als Beiträge ausgestaltet sind, zu Gute kommen.[335] Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten muss dementsprechend auch versagt sein, Bürgschaften oder anderweitige Schuldübernahmen für ihre Tochtergesellschaften zu übernehmen. Das hat zur Folge, dass den Töchtern aufgrund dieser Sicherungsmittel der insolvenzfesten Rundfunkanstalten keine vorteilhaften Kreditbedingungen gewährt werden können, womit Wettbewerbsverfälschungen im Verhältnis zu anderen Marktteilnehmern ausgeschlossen werden.[336] Daneben ist in dem Haftungsverbot auch das Verbot von Gewinnabführungsverträgen zu sehen, wodurch eine Haftung auf Verluste der Tochtergesellschaften begründet würde, vgl. § 302 AktG. Derlei Verträge sind in Konzernstrukturen weit verbreitet, da sie insbesondere den Vorteil haben, dass nicht mehr die Tochter-, sondern die Muttergesellschaft, hier also die Rundfunkanstalt, für die Gewinne der Tochtergesellschaft steuerpflichtig wird. Etwaige Gewinne einzelner Tochtergesellschaften, die diese grundsätzlich selbst zu versteuern hätten, wären sodann von der Rundfunkanstalt zu versteuern. Bei mehreren Tochtergesellschaften, mit denen jeweils Gewinnabführungsverträge bestehen, bedeutet das, dass sich der zu versteuernde Ertrag aus der Summe der Gewinne der Tochtergesellschaften abzüglich der Verluste anderer Töchter, die keine Gewinne erwirtschaften konnten und somit auch nicht steuerpflichtig sind, errechnet. Im Ergebnis können sich daraus bedeutende steuerliche Vorteile ergeben. Das Verbot dieser Gewinnabführungsverträge führt folglich dazu, dass die Tochtergesellschaften ihre Gewinne wieder selbst versteuern müssen und dadurch im Einzelfall deutlich höheren steuerlichen Belastungen ausgesetzt sein können. Die Beteiligungen im Rahmen der Rundfunkanstalten erfolgen in vielen Fällen über mehrere Generationen von Tochter- und Enkelgesellschaften hinweg. Daraus ergibt sich eine komplexe und stark verwobene Struktur, mit Beteiligungen auf unterschiedlichen Ebenen. Im Hinblick auf diese Beteiligungsstrukturen, hat es den Rundfunkanstalten rein praktisch erhebliche Probleme bereitet, ihre Unternehmensstrukturen diesen neuen Anforderungen anzupassen.

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Außerdem sind in § 16a RStV kommerzielle Tätigkeiten an marktkonformes Verhalten gebunden. Rundfunkanstalten sind damit im Geschäftsverkehr mit ihren Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften an die gleichen Bedingungen gebunden, die im Verkehr mit freien Wettbewerbern gelten würden. Hieraus ist den Rundfunkanstalten insbesondere untersagt, Dienste der Tochtergesellschaften ohne angemessene Vergütung anzunehmen. Umgekehrt dürfen auch die Rundfunkanstalten selbst Dienstleistungen, wie etwa das Zur-Verfügung-Stellen von Sendeanlagen, ihren Töchtern nur zu den Marktbedingungen anbieten, die auch für Wettbewerber einschlägig wären. Man spricht diesbezüglich vom – im Rahmen von Konzerngesellschaften entwickelten – sog. Fremdvergleichsgrundsatz oder „armʼs length principle.“[337] Der Zweck dieser Anforderungen an die Marktkonformität besteht insbesondere darin, dass kommerzielle Tätigkeiten der Rundfunkanstalten nicht über Rundfunkbeiträge finanziert werden sollen. Die Geschäftsbeziehungen, die die Anstalten zur Erfüllung ihres Auftrages eingehen müssen, haben folglich unter marktüblichen Bedingungen zu erfolgen. Damit soll verhindert werden, dass Vergütungen weit unter Marktniveau vereinbart werden und die daraus resultierenden Verluste innerhalb der Konzernstruktur durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und somit durch die Rundfunkbeiträge ausgeglichen werden. Primäre Konsequenz daraus ist, dass der Finanzbedarf der Rundfunkanstalten an der Marktkonformität gemessen wird und dieser nicht erhöht werden darf, sofern die Anstalten sich bei ihren Tätigkeiten nicht an die marktüblichen Grundsätze gehalten haben.[338] Für Wettbewerber bedeutet dieses Kriterium jedoch auch, dass diese am Markt zu gleichen Bedingungen wie die Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesellschaften zu behandeln sind. Es besteht also die Möglichkeit, einzelne Geschäftsbeziehungen im Hinblick auf die Marktkonformität zu überprüfen und bei Verstößen anzugreifen. Die Beteiligung als solche dürfte in dieser Hinsicht jedoch allenfalls dann angreifbar sein, wenn sich allgemein eine Marktkonformität in der Beziehung zwischen der Rundfunkanstalt und dem konkreten Tochter- oder Beteiligungsunternehmen ausschließen lassen würde. Zunächst ist eine kommerzielle Tätigkeit vor der Aufnahme durch die zuständigen Gremien der Rundfunkanstalten gem. § 16a Abs. 2 RStV zu genehmigen. Dabei muss die kommerzielle Tätigkeit, die über die Tochtergesellschaft ausgeübt werden soll, nach Art und Umfang beschrieben werden. Dazu wird es nicht genügen, den Gesellschaftszweck des Unternehmens wiederzugeben, da dieser in der Regel sehr weit gefasst ist, um künftige Tätigkeiten nicht an gesellschaftsvertraglichen Vorgaben scheitern zu lassen. Um eine Prüfung in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Grundversorgungsauftrag anstellen zu können, sind folglich der aktuelle Zweck und die Betätigungsfelder detailliert anzugeben.[339] Ebenso ist hinreichend konkret darzulegen, wie die Marktkonformität gewahrt werden soll, was in der Regel durch einen Fremdvergleich mit den Betätigungen anderer Unternehmen des Marktes erfolgen dürfte, § 16a Abs. 2 Nr. 1, 2 RStV. Ferner sind die etwaigen Maßnahmen zur Umsetzung der Vorgaben für eine getrennte Buchführung und eine effiziente Kontrolle darzulegen, § 16a Abs. 2 Nr. 3, 4 RStV.

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Gem. § 16c RStV obliegt es den Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten, ein effektives Beteiligungscontrolling durchzuführen. Der Intendant hat diesem Gremium einen jährlichen Beteiligungsbericht vorzulegen. Dieser Bericht enthält Angaben über sämtliche unmittelbare und mittelbare Beteiligungen und deren wirtschaftliche Bedeutung für die Anstalt, eine gesonderte Darstellung der Beteiligungen mit kommerziellen Tätigkeiten und den Nachweis der Erfüllung der staatsvertraglichen Vorgaben im Hinblick auf kommerzielle Tätigkeiten, sowie eine Darstellung der Kontrolle der Beteiligungen einschließlich besonderer Vorgänge. Der Bericht ist den zuständigen Rechnungshöfen und der rechtsaufsichtsführenden Landesregierung zu übermitteln, § 16c Abs. 2 S. 3 RStV. Die Rechnungshöfe prüfen die Wirtschaftlichkeit der Beteiligungsunternehmen, an denen die Rundfunkanstalten unmittelbar oder mittelbar mit Mehrheit beteiligt sind, soweit diese eine solche Prüfung in ihren Gesellschaftsverträgen oder Satzungen vorsehen. Die Anstalten sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass diese Kontrollbefugnis in den Gesellschaftsverträgen oder Satzungen der Beteiligungsgesellschaften aufgenommen wird, § 16c Abs. 3 S. 2 RStV.

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Außerdem müssen die Rundfunkanstalten bei Mehrheitsbeteiligungen gem. § 16d RStV darauf hinwirken, dass die jeweiligen Beteiligungsunternehmen den Abschlussprüfer i.S.v. § 319 Abs. 1 S. 1 HGB im Rahmen des Jahresabschlusses nur im Einvernehmen mit dem zuständigen Rechnungshof bestellen (§ 16d Abs. 1 S. 1 RStV). Ferner ist dafür Sorge zu tragen, dass die Marktkonformität der Tätigkeiten auf Grundlage zusätzlicher von dem jeweiligen Rechnungshof festzulegender Fragestellungen geprüft wird (§ 16d Abs. 1 S. 2 RStV). Die Ergebnisse werden dem zuständigen Rechnungshof mitgeteilt (§ 16d Abs. 1 S. 6 RStV). Dieser teilt das Ergebnis der Prüfungen sodann dem jeweiligen Intendanten, dem jeweiligen Aufsichtsgremium der Rundfunkanstalt und den Beteiligungsunternehmen mit (§ 16d Abs. 2 S. 1 RStV). Über die wesentlichen Ergebnisse werden ferner die zuständige Landesregierung und der Landtag, sowie die KEF unterrichtet (§ 16d Abs. 2 S. 2 RStV). Damit wird sichergestellt, dass die zuständige Rechtsaufsicht unmittelbar von etwaigen Verstößen Kenntnis erlangt und entsprechend Abhilfe schaffen kann.[340] Diese Vorgaben dienen der Kontrolle, Transparenz und Lenkbarkeit der Beteiligungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Außerdem wird dadurch die Finanzbedarfsermittlung der Rundfunkanstalten überprüft und sichergestellt, dass der Bedarf nicht durch nicht marktkonformes Verhalten erhöht wird.

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