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1.3 Rundfunkfinanzierung in der beihilferechtlichen Einschätzung der Europäischen Kommission

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Die Einordnung der früheren Rundfunkgebühren bzw. heutigen -beiträge als europäische Beihilfen spielt für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine wichtige Rolle. Beihilfen sind staatliche Maßnahmen, die bestimmten Unternehmen wirtschaftliche Vorteile gewähren, so dass der Wettbewerb und der Handel im Binnenmarkt verfälscht werden. Es muss staatlich oder aus staatlichen Mitteln ein finanzieller Vorteil gewährt werden, der zu einer Begünstigung führt, aufgrund derer eine Wettbewerbsverfälschung und eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels eintreten.[262] Ob eine Beihilfe vorliegt und diese zulässig ist, ist zweistufig zu prüfen. Nach der Annahme einer staatlichen Finanzzuführung auf der ersten Stufe ist auf der zweiten Stufe zu untersuchen, ob die Zuwendung unter Berücksichtigung der Ausnahmetatbestände mit dem gemeinsamen Markt vereinbar ist.[263] Als solche Ausnahme kommt im Falle der früheren Rundfunkgebühr bzw. des heutigen Rundfunkbeitrags zum einen Art. 107 Abs. 3 lit. d) AEUV in Betracht. Danach können Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Dies gilt aber nur, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.[264] Eine weitere Ausnahme, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Betracht kommt, enthält Art. 106 Abs. 2 AEUV für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind.[265]

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Zwischen der Europäischen Kommission, die nach Art. 108 AEUV für die Kontrolle von Verstößen gegen das Beihilferecht zuständig ist, und der Bundesrepublik Deutschland bestand Streit darüber, ob die damaligen Rundfunkgebühren als staatliche Beihilfen einzuordnen sind.[266] Das im April 2007 nach einer Vereinbarung zur Erfüllung von Auflagen eingestellte Verfahren wurde aufgrund einer Beschwerde des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) gegen die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2005 eingeleitet.[267] Der Verband kritisierte die mangelnde Transparenz bei der Verteilung der Gebühren, die Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den neuen Medien sowie deren Aktivitäten beim Handel mit Sportübertragungsrechten. Die Kommission hat in einer Entscheidung v. 24.4.2007 ihren Standpunkt bekräftigt, wonach es sich bei der deutschen Finanzierungsgarantie und der Gebührenfinanzierung auch in der bestehenden Form[268] tatbestandlich um staatliche Beihilfen[269] handelt. Auch der EuGH hat in einer Entscheidung zum Vergaberecht klargestellt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten öffentliche Auftraggeber i.S.d. Richtlinien 92/50 EWG und 2004/18 EG sind und dementsprechend das Kriterium der „überwiegenden Finanzierung durch den Staat“ bejaht.[270] Obwohl sich das Urteil des EuGH mit den Grundsatzfragen der Rundfunkfreiheit nicht unmittelbar befasste, dürften hieraus dennoch Rückschlüsse auf die Beihilfequalität der Rundfunkfinanzierung zu ziehen sein. Der EuGH betont insoweit ausdrücklich das Erfordernis einer funktionellen, am Schutzzweck der einschlägigen Vorschriften, orientierten Betrachtungsweise. Eine „Finanzierung durch den Staat“ sei demnach nicht nur anzunehmen, wenn die jeweiligen Finanzmittel den öffentlichen Haushalt unmittelbar durchlaufen, sondern auch bereits dann, wenn der Staat den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Recht einräume, die Gebühren (heute Beiträge) selbst einzuziehen.[271] Die Übertragbarkeit der vergaberechtlichen Entscheidung des EuGH auf die hier in Rede stehende Beihilfeproblematik liegt insoweit nahe, als auch dort die Staatlichkeit der Finanzzuführung notwendiges Merkmal des Beihilfebegriffs ist.[272] Lediglich ein Jahr später wies das EuG die Einnahmen aus den Rundfunkgebühren ausdrücklich als staatliche Mittel aus. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass die Pflicht zur Zahlung nicht auf eine vertragliche Verbindung zwischen der dänischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt TV2 und dem jeweiligen Gebührenschuldner, sondern – wie auch bei der ehemaligen Rundfunkgebühr in Deutschland – auf den bloßen Besitz eines Fernseh- oder Radiogeräts zurückgehe.[273]

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Die Bundesrepublik Deutschland stand demgegenüber zumindest bis zum Abschluss des zur Verfahrenseinstellung führenden Kompromisses aus dem April 2007 auf dem Standpunkt, dass bei den damaligen Rundfunkgebühren schon tatbestandlich nicht von Beihilfen auszugehen sei. Diesen Standpunkt stützte sie auf Entscheidungen des EuGH, die zwar nicht zum Rundfunkbereich ergangen sind, sich aber nach Auffassung der Bundesregierung hierauf übertragen lassen. So verneinte der EuGH in der Entscheidung Ferring/Acoss[274] das Vorliegen einer Beihilfe auf Tatbestandsebene im Hinblick auf den wirtschaftlichen Vorteil bei einem mit einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe betrauten Unternehmen, wenn sich die Kosten von Aufgabenerfüllung und Vergünstigung decken. In der Entscheidung Altmark Trans[275] stellte der EuGH vier Kriterien für das Vorliegen einer Beihilfe bei Unternehmen mit gemeinwirtschaftlicher Aufgabe auf, die bei der Gebührenfinanzierung gegen das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils sprechen. Da die Rundfunkgebühren und -beiträge nach dem oben geschilderten Verfahren staatsfrei und mit Hilfe der KEF festgesetzt werden, konnte der Standpunkt der Bundesregierung auch auf die Entscheidung Preußen Elektra[276] gestützt werden. Hier ging es um das Merkmal der (fehlenden) Staatlichkeit. Für den EuGH liegt Staatlichkeit vor, wenn der Staat eine irgendwie geartete Kontrolle über Mittel innehat. Dies ist der Fall, wenn diese unmittelbar aus dem Haushalt stammen oder wenn sie mittelbar über öffentliche oder private Einrichtungen ausgezahlt werden, die staatlich benannt oder errichtet sind.[277]

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Die Einstellung des Verfahrens im April 2007 erfolgte, nachdem die Bundesrepublik Deutschland im Dezember 2006 Vorschläge zur Änderung der Rundfunkfinanzierungsregelung unterbreitet hatte. Auf deren Basis mussten nun binnen zwei Jahren ab dem Datum der Einstellung „zweckdienliche Maßnahmen“ durch die Bundesrepublik Deutschland getroffen werden, um die Bedenken der Kommission auszuräumen.[278]

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Dazu zählte zum ersten eine klare Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags hinsichtlich neuer Mediendienste.[279] Dabei kam es der Kommission vornehmlich auf eine Konkretisierung der Programmkonzepte und des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Bezug auf digitale Zusatzkanäle[280] an. Zudem sollte der gemeinwirtschaftliche Charakter des genannten Angebots unter Berücksichtigung der auf dem Markt vorhandenen Programme beachtet werden.[281] Ferner sei – so die Kommission – den Rundfunkanstalten ihr hinreichend präzise definierter öffentlicher Auftrag förmlich zu übertragen.[282]

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Die Umsetzung dieser Verpflichtungen war neben der Gebührenfrage ein zweites wichtiges Thema des 12. RÄStV. Die erwähnte Definition des Funktionsauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stellte auf Grund der Rspr. des BVerfG ein besonderes Problem dar, denn sie stand im Widerspruch zum Einstellungsbeschluss der Kommission aus dem April 2007 und den in diesem Zusammenhang eingegangen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Während das BVerfG aus Gründen der Staatsferne des Rundfunks eine abstrakte Festlegung zuließ, verlangte die Kommission eine konkrete Festlegung des Funktionsauftrages, die eine stärkere Kontrolle des Rundfunks durch den Staat implizierte. Eine Einhaltung der Kriterien aus dem Einstellungskompromiss tat besonders Not, weil das Europarecht im Kollisionsfall bis zur Überschreitung der Wesensgehaltsgrenze Vorrang gegenüber dem Verfassungsrecht genießt und sich bei Nichtbeseitigung des Dissenses durchgesetzt hätte.

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Es konnte nicht um eine ungebremste gebührenfinanzierte Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Neuen Medien, namentlich dem Internet, und nicht um die unbegrenzte Einrichtung neuer Spartenkanäle gehen. Daher musste der Rundfunkgesetzgeber den Rahmen für die Beteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an den neuen Verbreitungswegen und im Hinblick auf neue Formate stecken und dabei auch die Frage nach der Kosten-Nutzen-Relation für die Betätigung in den neuen Medien stellen. Zu erwägen war weiter, wie die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach der Rspr. des BVerfG legitimierende Qualität im Internet gewahrt werden konnte.

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Vor diesem Hintergrund wurde von ARD und ZDF für die betroffenen Angebote nach dem Vorbild des britischen „Public-Value-Tests“ der sog. Drei-Stufen-Test eingeführt.[283]

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Ferner verlangte die Kommission angemessene Vorkehrungen zur Verhinderung von Überkompensation und Quersubventionierung innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.[284] Die Führung getrennter Bücher sollte es ermöglichen, zwischen den öffentlich-rechtlichen und sonstigen Tätigkeiten zu unterscheiden.[285] Kommerzielle Tätigkeiten sollten von den Aufgaben im Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag getrennt werden und der Kontrolle der Landesrechnungshöfe unterstehen. Dies entspricht den Anforderungen der auf der Grundlage von Art. 86 Abs. 3 EG (heute Art. 106 Abs. 3 AEUV) ergangenen Transparenzrichtlinie. Sie bezweckt eine angemessene und wirkungsvolle Anwendung der Beihilfenvorschriften auf öffentliche und private Unternehmen. Finanzielle Transaktionen zwischen Staaten und öffentlichen Unternehmen sollen transparent gestaltet werden (Art. 1 der Transparenzrichtlinie). Zudem legt die Richtlinie eine Pflicht zur getrennten Buchführung fest (Art. 2 Abs. 1 lit. d) Transparenzrichtlinie), um etwaige Quersubventionen offenzulegen.[286]

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Außerdem wurde die Einhaltung marktwirtschaftlicher Grundsätze bei kommerziellen Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemahnt.[287] Diese Vorgaben sind in den §§ 16a–e RStV umgesetzt.[288]

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Schließlich muss erhöhte Transparenz auch bei der Vergabe von Sublizenzen für Sportrechte gewahrt werden. Solche Rechte sollen zwar im bestehenden Umfang auch mit Exklusivlizenzen erworben werden können. Um eine Weitergabe nicht genutzter Teilrechte zu sichern, sind aber Sublizenzierungsmodelle einzuführen. Der Weiterverkauf der Sublizenzen muss zu angemessenen Preisen und transparent geschehen.[289]

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