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Schumanns Kinderszenen erfüllen mein Zimmer bis in den letzten Winkel. Zielgerichtet und mit der Wärme des Mais brechen die niedrigen Sonnenstrahlen zwischen den Ästen des Baums vor meinem Fenster herein, um die Trübheit und Kälte des Tages zu vertreiben.

Als Bewohner der attraktivsten Wohnung des Hauses – im ersten Stock mit Eckfenster – bin ich sehr von der späten Nachmittagssonne begünstigt. Heute wirkt es beinahe so, als wichen ihre Strahlen vor der Musik zurück.

In den letzten Tagen hatte ich alle Hände voll damit zu tun, neuere Musik zu transponieren, die ich gern selbst spielen möchte, nachdem ich sie gelesen habe. Musikliteratur mit vielen Vorzeichen erfordert lange Finger. Ich betrachte meine Übertragungen als so gelungen, dass das Resultat manchmal sogar besser als das Original ist. Jetzt genieße ich zu spielen, was mir in den Sinn kommt, schöpfe meine Möglichkeiten aus und vergesse meine Grenzen. Die Noten sind mir so geläufig, dass ich, wenn ich zu spielen aufhöre, fast über den Anblick meiner kurzen, dicken Finger erschrecke, weil sie mir, solange ich spielte, vorkamen wie weißer Spargel von hervorragender Qualität.

Meine Finger huschen über die Tasten. Es ist, als würde man Feuer in einem kalten Kachelofen machen. Erst klingt es sehr effektvoll, hinterlässt aber kaum eine Wirkung. Doch mit der Zeit beginnt das Feuer ruhig und gleichmäßig zu brennen, während die Wärme sich langsam im Raum ausbreitet.

Der Kachelofen bin natürlich ich selbst, mein Körper und mein Intellekt; das Instrument braucht keine Aufwärmphase, schon gar nicht der Flügel, den ich – den vielen Todesfällen im Winter sei’s gedankt – kürzlich gegen das Harmonium eintauschen konnte, das mein Vater mir mitgab, als ich vor fast zwanzig Jahren hierher zog: gebraucht gekauft und damals schon ziemlich heruntergekommen. Es war Olaf André Halle, der mir meinen Flügel der Firma Hornung og Møller aus dem Nachlass eines Theaterkorrepetitors besorgt hat.

Bald beginnen die Kinderszenen zu verblassen und werden von Fantasien verdrängt, die meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchen. Mit Schumann lässt sich schlecht tanzen, aber jetzt will ich tanzen. Der Anblick des Profils im Spiegel über der Orgel hat mich wagemutig und behende gemacht. Die Harmonien werden farbig und verleihen den melodischen Figuren Fülle. Der Lärm der Straße, der manchmal schlimm sein kann, stört mich ebenso wenig wie Anna Lovinda, die sich im Schlafzimmer und in der Küche zu schaffen macht.

Die bedeutenden Klavierwerke spiele ich vorzugsweise an meinen freien Tagen. Ich mag die Sonntage und genieße es, mit gutem Gewissen abzulehnen, wenn Kollegen mich fragen, ob ich für sie einspringen will.

Wenn ich immer noch ab und zu einen Gottesdienst übernehme, dann geschieht es in der Hoffnung, einen früheren Tagtraum wieder zum Leben zu erwecken, der mir eine Vorstellung davon vermittelte, wie es wohl wäre, als Organist einer Pfarrkirche die Zeremonien der glücklichsten oder traurigsten Anlässe mit zu gestalten und die rituelle Abfolge der Kirchenfeste durchs Jahr hindurch zu begleiten. Diesen Gedanken spiele ich stets aufs Neue durch, wenn ich in der Kapelle an der Orgel sitze.

An den besten Tagen habe ich das Gefühl, im Laufe von vier, fünf Begräbnissen das gesamte Kirchenjahr mit allen dazugehörigen Begebenheiten – von der Taufe über die Konfirmation bis zu Hochzeit und Begräbnis – zu durchlaufen. Auf diese Weise können verschiedene Menschenleben, wenn ich in der Kapelle spiele, in meiner Vorstellung ohne Brüche oder erkennbare Übergänge in eins zusammenfließen, und die Verflechtung von Leben und Tod gewinnt eine konkretere Bedeutung als das ewige Leben des Christentums, an dem ich starke Zweifel habe.

Die Papillons oder Davidsbündlertänze können mich fast in Trance versetzen und mir das Gefühl geben, Robert Schumann selbst zu sein und mich auf der dunklen Seite der Geisteskrankheit mit ihrem permanenten Wechsel von Euphorie und Depression zu befinden.

Ansonsten wäre ich gern an seiner Stelle gewesen, als er Clara, die Tochter seines Lehrers, in Leipzig heiratete. Sie war eine ausgezeichnete Pianistin und Komponistin, erreichte jedoch nie das Niveau ihres Mannes, obwohl sie vierzig Jahre mehr Zeit zum Arbeiten hatte als er. In Leipzig hatte ich einen Lehrer, der in Frankfurt von Clara Schumann unterrichtet worden war und daher mit Enthusiasmus ihre Kompositionen lehrte. Ich mag sie beide und bin überhaupt – genauso wie mein erster Lehrer: mein Vater – ein Anhänger der deutschen Spätromantik. Den musikalischen Lyrikern widmete ich mich vor allem gemeinsam mit Edith, wenn ich zu Hause war.

Meine Hände haben die Führung übernommen und spielen sich, vom Unterbewusstsein geleitet, in Schumanns sakrale Vokalwerke hinein, während meine Gedanken Clara Schumann auf ihren nicht enden wollenden Konzertreisen durch ganz Europa begleiten, die sie in kräftezehrendem Wechsel mal auf dem Podium, mal in der Einsamkeit wechselnder Hotelzimmer zubrachte. Über eines ihrer Konzerte in Kopenhagen schrieben die Kritiker, sie habe Tiefe und Poesie bewiesen – in meinen Ohren hört es sich wie die Musik eines unglücklichen Menschen an.

Während ich die Phantasiestücke spiele, wandelt sich meine Stimmung, und der Neid auf das Glück Robert Schumanns, als er die Prinzessin und das halbe Königreich dazu erhielt, reduziert sich auf ein Minimum. In den vierzehn Jahren ihrer Ehe zog sie fremde Hotelbetten seiner Nähe vor. Und was hat er nicht alles von seinem Schwiegervater erdulden müssen, weil der Zufall es wollte, dass er auch nach beendigtem Studium in dessen Reichweite blieb. Claras Vater hat ihn sicher mit pedantischer Kritik traktiert, obwohl er ihm nicht im Entferntesten das Wasser reichen konnte.

Die Finger halten inne und fallen wie erschossene Spatzen auf die Tasten. Das jähe Ende der Musik hat mich zu der Erkenntnis geführt, dass ich unter keinen Umständen eine Ehe mit Clara Schumann eingegangen wäre, und jetzt erreicht der Duft nach geröstetem Brot meine Nasenlöcher. Anna Lovinda steht mit dem Teebrett neben mir und sagt: «Entschuldigung.»

Ich blicke auf, Worte sind überflüssig; sie ist verpflichtet, mich zu unterbrechen, und das weiß sie. Es hat lange gedauert, bis wir so weit gekommen sind. Das kleine «Entschuldigung» und ihr Verharren neben dem Klavier sind ein Schritt auf dem Weg zu einer mühsam anerzogenen Verhaltensweise. Eines Tages wird sie, das strebe ich zumindest an, freiheraus sagen «Hier haben sie Ihren Tee» oder auch nur «Es ist Teezeit».

Sie sieht aus, als sei sie in Gedanken, geht zum Tisch am Fenster und deckt ihn für mich. Ich habe oft das Gefühl, sie habe etwas Bestimmtes auf dem Herzen, worüber sie mit mir sprechen möchte. Mitunter trifft das zu, während ich dieses Gefühl andere Male meinem Unvermögen zuschreiben muss, mit einfachem Dienstpersonal richtig umzugehen. Zu Hause befand sich Vidde stets zwischen ihnen und mir. Ungefähr die gleiche Rolle haben auch verschiedene Zimmerwirtinnen in meinem Leben ausgefüllt.

Helmuth selbst war es, der das Arrangement mit Anna Lovinda vorschlug, als ich von einem gemieteten Zimmer in diese Wohnung umzog. Früher hatte er ein offenes Haus. Zeitweise wohnten Charlotte und Ellinor bei ihm, Ebba sogar mehrere Jahre lang. Heute ist seine Haushaltsführung, wenn ich Anna Lovinda richtig verstehe, ziemlich bescheiden. Sie ist seit zehn Jahren bei ihm, wohnt in seinem Haus und kommt an den Nachmittagen meistens zu mir, um für ein paar Stunden zu bleiben. Helmuth besteht darauf, sie dafür zu bezahlen, doch wenn ich zu Hause bin, geht sie selten mit leeren Händen wieder fort.

«Sie haben so schön gespielt, besser als an anderen Tagen ... wenn ich das sagen darf.»

Ich freue mich, nicke eifrig und denke: So ist es richtig, Anna Lovinda. Bei mir soll das Dienstmädchen nicht wie ein stummer Einrichtungsgegenstand sein, sondern ein lebendiger Mensch, der nach seinen eigenen Maßstäben handelt.

«Ich glaube, Sie sind musikalisch. Es trifft nämlich völlig zu, dass ich heute besser als sonst gespielt habe», sage ich, während ich zum Teetisch hinübergehe, wo ich in einem niedrigen Chesterfieldsessel Platz nehme.

Sie errötet so tief, dass es fast unkleidsam ist, verneigt sich und lässt ihren Blick zu einem Brief schweifen, den sie dekorativ gegen eine Zuckerschale gelehnt hat.

«Ein Brief von zu Hause», sagt sie lächelnd und setzt sich auf mein Zeichen in den Stuhl mir gegenüber. Das ist etwas, was ich ihr gleich beigebracht habe: sich hinzusetzen, so dass ich weiß, es befindet sich noch ein weiterer Mensch in diesem Zimmer. Ich hatte sofort gewusst, dass – falls sie es überhaupt jemals lernen würde – Winter und Frühling darüber vergehen würden, falls ich sie nicht direkt ansprach, und das tat ich: «Offen gesagt, Anna Lovinda, habe ich so wenig Umgang mit anderen Menschen, dass es mir eine Freude wäre, wenn Sie mir während des Teetrinkens Gesellschaft leisten würden.»

«Gudrun ... Ihre Schwester Gudrun, ist sie nicht die Jüngste?»

Ihre Augen verharren für einen Moment auf dem Kuvert, das sie so hingestellt hat, dass sie den Namen des Absenders lesen kann, während ich die Vorderseite sehe. Erst seit sie bei mir zu arbeiten begonnen hat, entwickelt sie allmählich eine Vorstellung von der Zusammensetzung meiner Familie. Natürlich weiß sie über den Brief bereits viel mehr als nur den Namen des Absenders. Vielleicht hat sie ihn sogar gelesen – warum nicht? –, für mich kein Grund zur Aufregung.

Ich bestätige, dass Gudrun nach mir die Jüngste ist, und berichte, dass sie im Winter 37 Jahre alt geworden ist.

Anna Lovinda mag es, wenn ich von meinen Schwestern erzähle. Sie ist selbst Mitte dreißig und hat die Hoffnung auf eine Heirat offenbar noch nicht aufgegeben. Es macht mir Spaß, diesen Zug an ihr zu studieren. Sie unterscheidet sich von meinen Schwestern in jeder erdenklichen Hinsicht – Alter und Ehestand ausgenommen. Auch meine Schwestern nähren romantische Vorstellungen, zumindest einige von ihnen, doch es handelt sich nicht um gewöhnliche irdische oder realistische Vorstellungen, wie bei diesem Kind aus dem Volke. Anna Lovinda macht, im Gegensatz zu ihnen, einen sinnlichen Eindruck auf mich.

In meiner Phantasie teile ich die späten Mädchen in zwei Hauptgruppen ein, wobei ich in der Regel davon ausgehe, dass alle mit einem natürlichen Drang zum anderen Geschlecht auf die Welt kommen. Zum einen gibt es diejenigen, die ihre schwärmerischen Hoffnungen auf den einzig Richtigen noch nicht aufgegeben haben. Ihnen stehen jene gegenüber, die ihre Hoffnung aufgrund bitterer Erfahrungen begraben haben. Das Interessante ist, dass auch die Hoffnungsvollen durchaus schlechte Erfahrungen gemacht haben können, sie aber verarbeitet haben. Anna Lovinda gehört wohl zu diesem Typus.

Meine Schwestern gehören weder zur einen noch zur anderen Gruppe und verstehen sich übrigens auch nicht als späte Mädchen. Das kann ich gut verstehen, denn sie wirken zugleich ewig jung und schon immer alt. Von Gudrun abgesehen, glaube ich nicht, dass irgendeine von ihnen unschöne Erlebnisse gehabt hat, die sie haben distanziert werden lassen. Sie verfügen gewissermaßen über eine eingebaute schlechte Erfahrung, die nicht ihre eigene ist, ihnen aber auf geheimnisvolle Weise zuteil wurde.

Tatsächlich riet ihnen meine Mutter einst, als sie sich ausgelaugt und am Rande des Nervenzusammenbruchs auf die Chaiselongue warf: «Heiratet niemals!» Ich habe gehört, wie sie darüber lachten. Vidde sagte, das solle man nicht so ernst nehmen. Solche spontanen Ausbrüche seien bei verheirateten Frauen aus der Oberschicht nicht ungewöhnlich.

Anna Lovindas Finger sind so dick wie die Tülle der Teekanne, ihre Hüften so rund wie die Tasse. Sie riecht gut, immer derselbe Geruch, von dem ich nicht weiß, ob es der Duft einer Frau oder nur der des Tees ist. Ich glaube, sie ist so zerbrechlich wie das Porzellan der Tasse. Eines Tages wird sie von einem Witwer geschnappt werden. Ich hoffe, er wird nett sein und sie gut behandeln. Ich blicke zu ihr auf, während sie mir Tee einschenkt; ihre Augen sind so bernsteinfarben und glänzend wie die Oberfläche des Tees. Sie sieht mich zuversichtlich an, während sie sich wieder hinsetzt und damit unseren Größenunterschied von nur 19 Zentimetern zum Verschwinden bringt.

«Ich soll Ihnen einen Gruß von Fräulein Ellinor ausrichten. Sie fährt am Sonntag nach Jütland und würde gerne mit Ihnen zusammen reisen.»

Das Geräusch des Toasts in meinem Mund pflanzt sich direkt in den Gehörgang fort. Unwillkürlich höre ich auf zu kauen. Ich bin freudig überrascht. Phasenweise sehen Ellinor und ich uns gar nicht so selten. Sie wohnt in der Asmussens Allee, fünf Minuten von hier entfernt. Im Moment sehen wir uns jedoch nicht so häufig, weil ihre Zeit von einem Herrn beansprucht wird. Das macht mir wirklich nichts aus, und nicht die fehlenden Treffen sind mir ein Dorn im Auge, sondern der Herr selbst, was ich nicht verbergen kann. Andererseits ist es für mich durchaus ein Grund zur Freude, dass in meiner Zweitältesten Schwester offenbar doch ein bisschen Leben steckt. Denke ich an Andrea, scheinen mir die drei Jahre, die zwischen ihnen liegen, eine ganze Generation auszumachen. Früher haben die anderen Andrea damit aufgezogen, sie gleiche Tante Feodora, einer Schwester meines Großvaters, an die ich mich kaum erinnere. Heute wäre es über alle Maßen peinlich, diesen Vergleich anzustellen – so groß ist die Ähnlichkeit.

Es erübrigt sich zu fragen, ob Ellinor alleine war, als Anna Lovinda ihr begegnete. Ich sehe ihr an, dass sie es nicht war. Anna Lovindas Instinkt ist untrüglich, es wäre närrisch und würde im Übrigen auch nicht zu mir passen, wenn ich ihr das Märchen auftischen wollte, meine Schwester arbeite zur Zeit beruflich mit einem männlichen Kollegen zusammen. Sie müht sich mit einem Altarbild ab, doch wenn sie nicht an der Staffelei steht und der Herr nicht andere Damen in der Stadt ausführt, dann verbringt sie ihre Zeit mit ihm.

«Es war gestern Abend auf der Frederiksberg Allee, ganz in der Nähe von ...»

Ich spüre, dass Anna Lovinda sich zusammennimmt, um nicht zu sagen: «in Begleitung eines Herrn». Sie weiß, dass ich es merke.

«Es war sehr freundlich von Fräulein Willhof-Holm, mit mir zu sprechen.»

«So weit kommt’s noch!», sage ich lachend. «Nachdem Sie meinem Bruder all die Jahre hindurch so treu gedient haben.»

Das ist meine aufrichtige Überzeugung. Hin und wieder denke ich daran, dass wir – Ellinor, Helmuth und ich, die so dicht beieinander wohnen – uns abwechselnd zum Abendessen einladen sollten, wobei Anna Lovinda gern mit am Tisch sitzen könnte. Vielleicht könnten wir auch Freunde hinzubitten und mit den anderen bekannt machen. Ich würde zum Beispiel einen Kollegen oder auch Juliane einladen und sie den anderen als Frau Hollesøe Hjorth vorstellen. Ich bin sicher, dass ihr das gefallen würde. Sie ist eine wertvolle Bekanntschaft in meinem kleinen Kreis von Vertrauten; wir sind per Du und nennen uns beim Vornamen.

Hirngespinste, leider sind das nichts als Hirngespinste. Ellinor hat selbst eine Haushaltshilfe und ihre eigenen Freunde unter den Malerkollegen. Helmuth lebt sein ganz eigenes Leben und würde den Vorschlag für unangebracht halten. Er und Ellinor pflegen keinen Umgang miteinander. Obwohl Helmuth, wie Anna Lovinda erzählte, zu Beginn des Jahres eine Einladung zur Vernissage auf Charlottenborg bekommen hat, wo Ellinor seit Jahren unzensiert ausstellt. Mich hatte sie vergessen, doch ich kann auf Vernissagen gut verzichten. Was mir von solchen Veranstaltungen besonders lebhaft in Erinnerung geblieben ist, sind die zahlreichen Ellbogen und Handtaschen, die unablässig in meinem Gesicht landen.

Ich habe die Ausstellung an einem friedlichen Freitagvormittag besucht und war enttäuscht. Mit ihren pompösen Gruppenbildnissen wird Ellinor ihrer künstlerischen Verantwortung nicht gerecht. Es scheint, als greife sie Hunderte von Jahren zurück. Die Historienmalerei der Romantik samt deren Rückschau auf eine großartige, idealisierte Vergangenheit ist nichts für eine begabte Porträtmalerin des 20. Jahrhunderts. Sie sollte sich an die Porträts halten, denn sie waren es – nicht zuletzt die ihrer Familienmitglieder –, die in den Ausstellungen als Privatbesitz gekennzeichnet waren und die ihr so oft halfen, die Zensur zu umgehen. Das werde ich sagen, sollte ich eines Tages nach meiner Meinung gefragt werden. Vielleicht sage ich es in jedem Fall, auch wenn ich nicht gefragt werde.

Ich lächele Anna Lovinda dankend an.

«Das erinnert mich daran, dass ich Sie bitten wollte, Helmuth nach seinem Reisetermin zu fragen. Sie können ihm ja sagen, dass wir anderen am Sonntag reisen ... mit dem Morgenzug, nicht wahr?»

«Ja, mit dem Morgenzug über Fünen, wie Fräulein Ellinor sagte.»

Anna Lovinda hat damit begonnen, das Geschirr auf das Tablett zu stellen. Ich möchte mit dem Brief gern allein sein, und sie möchte mit ihren Gedanken allein sein. Es bringt sie in Verlegenheit, sich bei jemandem aufzuhalten, der nach Jütland reisen möchte, obwohl wir dies ein paarmal im Jahr tun. Vielleicht wird sie auch darüber nachdenken, warum ich ausgerechnet heute so schön gespielt habe.

Tanz der Zwerge

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