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Mein Leben lang habe ich mich mit Musik beschäftigt. Als ich mit drei Jahren meine ersten Schritte machte, führten sie mich auf direktem Wege zum Flügel des Hauses. Dies geschah mit demselben Instinkt, mit dem ein Kängurujunges nach der Geburt in den Beutel mit der Leben spendenden Zitze emporkrabbelt, um sich dort die Nahrung für sein weiteres Wachstum zu sichern, bis es voll entwickelt ist.

Als ich, auf einem Schemel stehend, die mittlere Oktave der Klaviatur in Beschlag nahm, ahnte die Familie sogleich, dass ich im Laufe der Zeit der Geschichte des Flügels ein neues, wesentliches Kapitel hinzufügen würde. Mit den Enden meiner Stummelfinger erreichte ich die Tasten, hielt mein Ohr daran und ließ von Beginn an Tonfolgen erklingen, die gewissen mathematischen Gesetzmäßigkeiten gehorchten, sodass selbst die pragmatischsten Zuhörer diese Klänge als Musik bezeichnen mussten.

Der Flügel auf Willhofsgave ist ein legendäres Instrument und Bestandteil des Kulturerbes. Eines der klassischen dänischen Lieder, das heute alle auf den Lippen haben, wurde von einem meiner Verwandten darauf komponiert, bevor ich zur Welt kam. Als ich begann, mir Dreiklänge zusammenzusuchen, und linke und rechte Hand sich unmerklich vereinten, um Akkorde mit Grundton, Terz und Quinte hervorzubringen, entschied meine begeisterte Familie, dass ich von Erbanlagen begünstigt sein müsse, die sich durch die Komponisten der mütterlichen Linie im Laufe von Generationen emporgearbeitet hätten, um sich als neue musikalische Genialität zu offenbaren.

Dieser Entschluss wurde mit so unerschütterlicher Selbstsicherheit gefasst, dass selbst heute – mit Ausnahme meines einzigen Bruders Helmuth – niemand wahrhaben will, dass ich nicht in der Königlichen Kapelle am Kongens Nytorv, sondern in der Friedhofskapelle spiele.

Für mein damaliges Problem, die benachbarten Oktaven zu erreichen, fand mein Vater eine Lösung. Resolut nahm er Maß, setzte sich in die Bibliothek und fertigte eine Zeichnung für einen niedrigen und extrem langen Schemel an. Die Skizze ließ man der Tischlerwerkstatt des Gutshofs als Eilauftrag des Hauptgebäudes zukommen.

Ich erinnere mich immer noch an das phantastische Gefühl, als meine Reichweite mit meinem Bedürfnis zur Deckung kam, auch die hohen und tiefen Töne zu erreichen. Die Hände gewöhnten sich fast augenblicklich daran, den Füßen zu signalisieren, wohin sie sich bewegen sollten. Bald steppte ich auf dem Schemel unbeschwert hin und her. Die Familie lachte und sagte, dass so zur Musik noch eine regelrechte Tanzvorführung hinzukäme.

Wenn ich von dem Klavierschemel heruntersprang, war mein Gang natürlich genauso unbeholfen und watschelnd wie zuvor, doch mein Vater erklärte, an dem Tag, an dem die Musik mir erst als Teil meiner Persönlichkeit in Fleisch und Blut übergegangen wäre, würde ich mich überall mit derselben Anmut und Leichtigkeit bewegen wie meine Finger auf dem Manual, und die Welt würde einen Gang von solcher Eleganz kennen lernen, wie er niemals zuvor bei einem Menschen meiner Physiognomie zu sehen war.

Zu diesem Zeitpunkt war das Phänomen von französischen Professoren als Achondroplasie diagnostiziert und von deutschen Forschern als Chondrodystrophia fetalis bezeichnet worden, wohingegen die Dänen sich mit einer Diagnose noch zurückhielten, weil man auf dem Feld des Nanismus nicht mit differenzierenden Begriffen arbeitete, sondern alle Arten des Zwergwuchses als fetale Rachitis bezeichnete.

Wie ich so auf dem Schemel stand und mir die Saiten im Innern des Flügels die Fragen, die ich an die Tasten stellte, beantworteten, versank ich völlig in meinem Spiel. Schon bald lehrten mich die Tasten, ihren Willen zu begreifen, und wenn sie mich spüren ließen, dass alles seine Richtigkeit hatte, verwandelte sich der Raum in ein mächtiges Tongebilde, das alles andere verdrängte.

Das ist womöglich das Gefühl, das man göttlich nennt.

Aber mein Verhältnis zur Musik ist kein göttliches, abgesehen von der selbstvergessenen, überirdischen Freude, die einen – im Bewusstsein, ein Handwerk auszuüben – in gewissen Momenten ergreifen kann.

Während ich auf diese Weise heimlich zwischen Himmel und Erde verschwand, brachen ein oder mehrere Familienmitglieder den Zauber, indem sie betonten, mich auf dem Schemel zwischen Boden und Decke sowohl hören als auch sehen zu können.

In den vielen Jahren, in denen ich, wie von meinem Vater vorgegeben, nach Höherem strebte, hatte ich nur noch selten das Gefühl zu verschwinden. Mit der Zeit begriff ich, dass ich nicht zu Außerordentlichem geboren war, und mein Gang unterscheidet sich wohl auch nicht wesentlich von dem anderer Zwerge.

Meine Orgel hat zwei Manuale und ein Pedal. Das tiefste Register des ersten Manuals ist Bordun 16' aus gut gelagertem Kiefernholz. Prinzipal 8' ist mit seinem 15-lötigen Zinn und dem schön einsetzenden, kräftigen Klang wahrhaftig der Prinzipal aller anderen Pfeifen. Er klingt sehr hübsch mit Flute harmonique 8' und Ottava 4'. Das erste Manual hat außerdem Tromba 8', es klingt wie die Posaune des Jüngsten Gerichts.

Das zweite Manual verfügt über Gamba 8', Aeoline 8', Vox Celeste 8', Bordone 8' und Flute travers 4'. Im Pedalwerk habe ich Subbass 16' und Cello 8'.

Das erste Manual zeichnet sich durch Kraft und Schönheit, das zweite durch einen edlen, romantischen Klang aus. Ich kann sie dazu bringen, so zu klingen wie die Cavaillé-Colls-Orgel der Jesuskirche ganz in der Nähe, obwohl diese sehr viel größer ist.

Das Gehäuse, die gesamte Mechanik und die Windladen bestehen aus Mahagoni, Eichen- und Kiefernholz. Die weißen Tasten sind aus Elfenbein, die schwarzen aus Ebenholz. Die Registerknöpfe wurden aus Ebenholz gedrechselt und tragen eingelegte Porzellanschildchen mit den Namen der Register.

Die Orgel wurde nach den neuesten pneumatischen Prinzipien gebaut, was ein sehr effektvolles Spiel der zwölf Register ermöglicht, die man auf unendlich viele Weisen miteinander verbinden und mischen kann. Sie sind nach dem Kammerton gestimmt, und das erste und zweite Manual sind so eingerichtet, dass sie sich sogar während des Spiel miteinander kombinieren lassen.

Ich nenne die Orgel mein Eigen, und es erfüllt mich mit Freude, sie zu beschreiben. Mein so genanntes Verschwinden war ein kindliches Spiel; die Muschel existiert, aber die Schale hat sich um den beschädigenden Fremdkörper herum geschlossen, sodass die Wogen des Meeres sie frei umspülen können. Über dem eingeschlossenen Sandkorn bildet sie Schicht für Schicht Perlmutt, und so spürt die Muschel fortwährend, dass sie am Leben ist.

Tanz der Zwerge

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