Читать книгу Staatsjugendorganisationen – Ein Traum der Herrschenden - Anne Neunzig - Страница 11
3.3 Bild der Frauen im Nationalsozialismus
ОглавлениеDer Nationalsozialismus wurde als eine Bewegung der Männer gesehen, in der Frauen nur eine untergeordnete Rolle in der Familie, Gesellschaft und im Berufsleben einnahmen.
Äußerungen Hitlers dazu auf dem Nürnberger Parteitag im Jahr 1934 vermitteln anschaulich diese propagierten Rollenbilder: „Wenn man sagt, die Welt des Mannes ist der Staat, die Welt des Mannes ist sein Ringen, die Einsatzbereitschaft für die Gemeinschaft, so könnte man vielleicht sagen, dass die Welt der Frau eine kleine sei. Denn ihre Welt ist der Mann, ihre Familie, ihre Kinder und ihr Haus. Wo aber wäre die größere Welt, wenn niemand die kleine Welt betreuen möchte?“106
Gemäß dieser Rollenzuordnung wurden die Arbeitsbereiche von Mann und Frau im Nationalsozialismus der Vorkriegszeit zumeist getrennt. Während der Mann in der patriarchalisch orientierten Gesellschaft einem Beruf nachging und damit für den finanziellen Familienerhalt sorgte, übernahm die Frau den Haushalt und die Kinderbetreuung.
Die Ehe selbst wurde laut Hitler nicht als Selbstzweck aufgefasst, ihre vornehmliche Aufgabe lag in der Reproduktion des Nachwuchses. Dabei wurde die 'Mutterschaft' als eine Art Beruf(ung) angesehen, idealisiert und „parteipolitisch definiert und staatlich durchgesetzt“107. Es galt, eine möglichst große Anzahl rassischer und erbgesunder Kinder zu gebären, wobei Jungen besonders erwünscht waren. Der Begriff der Mutterschaft bezog sich dabei nicht nur auf den Bereich innerhalb der eigenen Familie. Durch die Reproduktion des Nachwuchses galten die Frauen als Bewahrerinnen der Volksgemeinschaft, denn durch ihre Nachkommen trugen sie zur Sicherung der deutschen Rasse bei. Aus dieser Bestimmung leitet Hitler die Wertschätzung, ja sogar eine Gleichberechtigung der Frau ab: „Auch die Frau hat ihr Schlachtfeld: Mit jedem Kind, das sie der Nation zur Welt bringt, kämpft sie ihren Kampf für die Nation.“108 Er verlangte „dass sie in den ihr von der Natur bestimmten Lebensgebieten jede Hochschätzung erfährt, die ihr zukommt“.109 Diese starke Idealisierung und Mythologisierung der Mutter ist ablesbar an vielen Veranstaltungen, die ihr zu Ehren zelebriert wurden wie beispielsweise der Muttertag, der zum festen Bestandteil im Jahreszyklus nationalsozialistischer Feiern avancierte. Zudem wurde Müttern ab einer bestimmten Kinderanzahl das Mutterkreuz verschiedener Stufen verliehen.110
Doch statt Gleichberechtigung im heutigen Sinne ergab sich für die Frau aus ihrer vorgegebenen Rolle als Mutter, Haus- und Ehefrau eine mehrfache Abhängigkeit. Neben dem Gebären und Kindergroßziehen gehörte es zu ihren Pflichten, ihren Mann im täglichen Leben unterstützend beizustehen. Darüber hinaus sollte sie ihr Leben der völkischen Gemeinschaft anbieten und unterordnen. So war es in den Anfangsjahren des Nationalsozialismus durchaus erwünscht, dass Frauen, in späteren Jahren auch unverheiratete junge Mädchen, einen Beruf ausübten, allerdings hauptsächlich in Bereichen mit sozialen Komponenten. Trude Bürkner-Mohr, damalige Reichsreferentin des Bundes Deutscher Mädel, propagierte dementsprechend die Aufnahme eines Berufes aus dem Sektor „Helfen, Heilen, Erziehen“111. Aus anderen Bereichen des öffentlichen Lebens, so auch der Politik, hatten sich Frauen vollständig herauszuhalten. Auf der ersten Generalversammlung der NSDAP wurden sie aus allen führenden Parteigremien ausgeschlossen. Fortan blieb Ihnen nur innerhalb des BDM die Möglichkeit, höhere Positionen einzunehmen, wobei auch hier die letztendliche Entscheidungsgewalt bei den Männern lag.
Auch wenn Hitler von der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sprach, ergab sich für Letztere nach heutiger Sicht eine deutlich niedrigere Stellung innerhalb der Gesellschaft. Anstatt als Subjekt ihr Leben selbstständig, durch Eigenbestimmung und Eigeninitiative zu gestalten, verfiel die Frau in die Rolle des Objektes.
Wie sah nun das Verhältnis zwischen propagierten Rollenbild und tatsächlich gelebter Realität aus? Bezüglich des Zieles, möglichst viele Kinder zu gebären, bestand eine Übereinstimmung zwischen Ideologie und Wirklichkeit. Die Geburtenrate stieg in der Zeit des Nationalsozialismus an. Es ist anzunehmen, dass diese Entwicklung auf fördernde Kriterien, aber auch auf Zwangsmaßnahmen zurückzuführen ist. Zu Ersteren gehörte beispielsweise die Ermäßigung der Steuer für kinderreiche Familien, wie auch die Auszeichnung mit dem Mutterkreuz. Als Zwangsmaßnahme wurde gesetzlich ein Verbot über die Nutzung von Verhütungsmitteln erlassen, wie auch ein Verbot über die freiwillige Sterilisation.112
Hinsichtlich der Berufstätigkeit der Frauen stimmten Ideologie und Realität nicht überein. Zwar nahm in der Anfangszeit bis zum Jahr 1935 der Prozentsatz arbeitender Frauen kontinuierlich ab, doch ist diese Entwicklung mit Vorsicht zu betrachten, da zu gleicher Zeit fast ausschließlich Männer in die vorhandenen Berufe eingestellt wurden. Dadurch verringerte sich der Prozentsatz der Frauenarbeitsquote auf eine natürliche Art, ohne das weibliche Angestellte aus ihren Berufen entlassen wurden. Ab dem Jahr 1936 wich die Realität dann vollends von der postulierten Ideologie ab. Dies ist auf die florierende Wirtschaft und die forcierten Kriegsvorbereitungen zurückzuführen. Der Aufschwung und die damit dringend benötigte Arbeitskraft ließ nicht mehr zu, dass auf Frauen in vielen Bereichen des Arbeitslebens verzichtet wurde.113 Als mit Kriegsbeginn immer mehr Männer aus den Betrieben ausschieden, um an der Front zu kämpfen, nahm die Anzahl arbeitender Frauen noch einmal erheblich zu. Dieser Trend stieg durch den kriegsbedingten Verlust der männlichen Arbeitskräfte weiter an. Die in früheren Jahren propagierten spezifischen Frauenarbeitsstellen spielten zu dieser Zeit längst keine Rolle mehr.