Читать книгу Staatsjugendorganisationen – Ein Traum der Herrschenden - Anne Neunzig - Страница 15
Оглавление4. Struktureller Aufbau der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädchen
4.1 Aufbau und Gliederung
Bereits von Beginn an war die Staatsjugendorganisation von der NSDAP vollständig politisch abhängig und galt als deren Nachwuchsorganisation. Wie auch die NSDAP war die Gesamt-Hitlerjugend hierarchisch und zentralistisch aufgebaut und zeigte in ihren einzelnen Sektionen eine analoge Struktur zur Partei.127 Obwohl formal freiwillig, wurden die 18-jährigen Männer oft nach Abschluss der HJ zunächst in die SA, später in die NSDAP übernommen. Die Frauen wurden aufgefordert, nach Abschluss des BDM oder ihrem Abschluss in der Organisation Glaube und Schönheit in die NS-Frauenschaft einzutreten. So wurde der Parteinachwuchs gesichert, der sich zudem bereits in den Strukturen und Funktionen der Organisation auskannte
Die Gesamt-HJ unterteilte sich in fünf Obergebiete: Ost, Nord, Mitte, Süd und West, die sich wiederum in jeweils vier bis fünf Gebiete und Obergaue aufgegliedert. Ab dort waren sie hierarchisch abgestuft in Bann, Stamm, Gefolgschaft, Schar und Kameradschaft, analog beim BDM untergliedert in Obergau, Untergau, Mädelring, -gruppe, -schar und -schaft.128 Der BDM, als Teil der Gesamt-HJ, war in seinem Aufbau der HJ angeglichen, es gab keine „eigens gestaltete weibliche oder mädchenspezifische Organisationsform.“129 Aus der getrennten Rollenverteilung von Mann und Frau im Nationalsozialismus ergaben sich allerdings bereits innerhalb der Staatsjugendorganisation zwei unterschiedliche Erziehungsschwerpunkte, so dass ab 1933 die Gesamt-HJ die Jungen und Mädchen nach Alter und Geschlecht in folgenden Organisationsformen zusammenfasste: Die Jungen von 10 bis 14 wurden zunächst im Jungvolk, gegründet 1931, organisiert. Anschließend wechselten sie für die nächsten vier Jahre in die HJ. Jene, bereits 1926 gegründet, war bis 1932 der Sturmabteilung (SA) unterstellt.130 Neben den Ortsgruppen gab es innerhalb der HJ Sondereinheiten, beispielsweise die „Nachrichten-, Marine-, Flieger- und Motor-HJ“131. In diesen Formationen erhielten die Jungen eine spezifische Ausbildung, welche ausschließlich ihnen vorbehalten war. Vergleichbare Einheiten für die Mädchen im BDM gab es nicht, jedoch konnten sie an Sonderausbildungen teilnehmen, wie beispielsweise am Gesundheitsdienst.132
Die weibliche Jugend wurde in die Jungmädel zwischen 10 und 14 Jahren und in den BDM für die 14- bis 18-jährigen untergliedert. Neben dem bereits 1930 gegründeten BDM wurde 1938 die Organisation Glaube und Schönheit für die 17- bis 21-jährigen jungen Frauen ins Leben gerufen. Die Teilnahme darin war freiwillig.133
Jährlich am 20. April, dem Tag von Hitlers Geburtstag, wurden die Jungen und Mädchen in das JV bzw. die JM aufgenommen. Anfangs wurden die Mitglieder des Jungvolks, in Anlehnung an die Jungmitglieder diverser Bünde vor 1933, Pimpfe genannt. Ab Ende 1938 durfte der Begriff nicht mehr verwendet werden, da er als abwertend galt.134 Vermutlich entdeckte die Reichsjugendführung den etymologischen Ursprung des Wortes Pimpfe, der „(kleiner) Furz“135 bedeutete. Der Übertritt in HJ und BDM erfolgte ebenfalls an besagtem Tag.136
Obwohl lange Zeit das „Prinzip der Freiwilligkeit der Zugehörigkeit“137 zur Staatsjugendorganisation propagiert wurde, änderte sich das 1936 grundlegend durch das HJ-Gesetz. Ab diesem Zeitpunkt blieb jeder Junge und jedes Mädchen für eine Dauer von 8 Jahren Mitglied der Staatsjugendorganisation. Mittels der 1939 eingeführten Durchführungsverordnung wurde die Teilnahme sogar zur Pflicht erklärt. Fernbleiben wurde nur in Ausnahmen gewährt, beispielsweise bei nachgewiesener Krankheit. Verweigerung wurde mit Strafverfolgung geahndet.
Während der 8 Jahre wurden den Jungen und Mädchen aufeinander aufbauende nationalsozialistische Inhalte und Verfahrensweisen vermittelt, die jährlich mit einem bestimmten Ausbildungsziel abschlossen.138
Abb. 5: Motor-HJ
Abb. 6: Nachrichten-HJ
Abb. 7: Flieger-HJ
Abb. 8: Segelpilot Joachim Gittelbauer
Abb. 9: Der Aufbau der Hitlerjugend nach Jahrgängen
4.2 Die Hierarchie, Struktur und das Führungsprinzip der Gesamt-Hitlerjugend als zentralistisches Prinzip des Machtsystems
Der Aufbau der Gesamt-HJ war einfach und klar nach zentralistischen Machtstrukturen gegliedert. Nur die „oberste Spitze“139 traf die wichtigen Entscheidungen über Aufgaben und Inhalte der HJ und des BDM. Die Führer an der Basis, die der Jugend sehr nahe standen, hatten für deren Umsetzung zu sorgen.
An der Spitze der gesamten HJ stand die Reichsjugendführung in Berlin. Alle Ämter innerhalb dieser obersten Reichsbehörde, bei der sämtliche Befugnisse zusammenliefen, wurden ausschließlich von Männern bekleidet. Auch die Reichsreferentin des BDM war der Reichsjugendführung direkt unterstellt, sie hatte jedoch „weitgehende Vollmachten [,][…] die Führung des BDM zu bestimmen.“140 Innerhalb der Behörde waren alle Bereiche der nunmehr staatlich gelenkten Jugendpolitik, u. a. auch die Ämter für die Leibeserziehung und die HJ-Gerichtsbarkeit, zusammengeführt. Die Leitung über die verschiedenen Ämter lag beim Stabsführer der Reichsjugendführung.141
Dem Aufbau der NSDAP entsprechend, hatte jede der sieben Einheiten (HJ => Reichsjugendführung - Gebiet - Bann - Stamm - Gefolgschaft - Schar -Kameradschaft/BDM => Reichsjugendführung - Obergau - Untergau -Mädelring - Mädelgruppe - Mädelschar - Mädelschaft) verschiedene Hauptabteilungen oder -stellen. So bestand z. B. ein Bann aus einer „Personalsstelle, Sozialstelle, Stelle für weltanschauliche Schulung, Presse- und Propagandastelle, Verwaltungsstelle“142. Diese Stellen gab es in ähnlicher Form auch auf den nächsthöheren und –tieferen Ebenen.
In jeder HJ- und BDM-Gruppe stand an der Spitze ein Junge oder ein Mädchen als Führer, die den Namen der Gruppe und der Klassifikation trugen, z. B. Bannführer oder Mädelgruppenführerin.143 Sie allein hatten die Verantwortung für ihre Gruppe und mussten sich vor der jeweils höheren Instanz verantworten. Ein Führer, anders als ein Vorgesetzter, verübte nach Schirach eine natürliche Autorität und war seiner „Gefolgschaft Vorbildlichkeit schuldig“144. Gemäß der nationalsozialistischen Idee des Führerprinzips waren die untergeordneten Jugendlichen ihrem Führer zu absolutem Gehorsam verpflichtet. Sie hatten die von ihm erteilten Regeln und Anweisungen uneingeschränkt und unhinterfragt auszuführen.
Die einzelnen Stellen und Positionen wurden von den „Personalsstellen bzw.
-abteilungen und dem Personalamt der RJF“145 zugeteilt. Neben dieser Berufung gab es keine Möglichkeit, sich auf eine Position wählen zu lassen. Die Stellungen der Bannführer/innen und darüber liegende Positionen waren in der Regel hauptamtlich und damit besoldet.
Während die Männer für die einheitliche Ausrichtung der gesamten Arbeit verantwortlich waren, stand ihnen für die mädchenspezifischen Belange jeweils eine BDM-Amtsreferentin zur Seite.146
Generell war jedoch im Geschlechtervergleich das weibliche Geschlecht innerhalb der RJF „vollkommen unterrepräsentiert“147 und selbst in Mädchenangelegenheiten besaßen die Männer das Recht, die endgültigen Entscheidungen zu treffen.
Abb. 10: Aufbau der Stäbe
Abb. 11: Gliederung und Aufbau der Hitler-Jugend