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5.5 Kulturarbeit

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Der kulturelle Zweig war, wie auch die anderen Bereiche des Lebens, vollständig von der nationalsozialistischen Ideologie beeinflusst und durchdrungen. So wurde nur sehr einseitig und wenig differenziert über die unterschiedlichen Bereiche der Kultur gelehrt und gelernt; mit der Folge, dass sich die jungen Menschen keinesfalls kritisch und umfassend mit ihr beschäftigen konnten, da ihr Wahrnehmungsspektrum stark eingeschränkt war. Es wurde ihnen damit nicht nur verwehrt, eigene Standpunkte, Geschmäcker und Vorlieben zu entwickeln, sondern auch die Wahrnehmung vorenthalten, die große Bandbreite der kulturellen Güter und die mit ihr einhergehende unendliche Phantasie und Kreativität des menschlichen Geistes wahrzunehmen. Dieser wählerische Umgang mit dem kulturellen Bereich ging auf die Aussage Hitlers zurück, nur arische Menschen seien in der Lage, kulturelle Güter zu erschaffen, da sie „die ursprünglichen Träger der menschlichen Kultur waren und damit die wirklichen Begründer dessen, was wir mit dem Wort Menschheit alles umfassen.“186

Die praktische Kulturarbeit war ebenfalls Bestandteil der Heimabende von HJ und BDM. Besonders im Bund Deutscher Mädchen spielte sie aufgrund der Rolle der Mädchen, als zukünftige 'Kulturträgerinnen', eine wichtige Rolle. Nach nationalsozialistischer Auffassung hatten die Mädchen naturgemäß „eine engere Beziehung zu Volkstum, Heimat und Musik [aufzuweisen] als die Jungen“187. Kaufmann sah die Aufgabe der Kulturarbeit darin, „von der Seele her zum Erlebnis der nationalsozialistischen Weltanschauung zu führen.“188

Als wichtiges kulturelles Gut galten die deutsche Sagen- und Märchenwelt, die nationale Dichtung und Musik sowie die Philosophie und bildende Kunst189.

Für die Vermittlung wurde dem Medium Theater besondere Bedeutung beigemessen, bot doch gerade die theatralische Inszenierung die Möglichkeit einer unmittelbaren emotionalen Beeinflussung der jugendlichen Zuhörer. „Das Theater des nationalsozialistischen Reiches ist für die Jugend eine Stätte innerer Erhebung und Begeisterung.“190 Die Inhalte der Theaterstücke sollten zu großen Teilen „kriegerisches Heldentum und heroischen Opfergang“191 idealisieren. Neben Festspielen und Reichstheatertagen standen auch örtliche Veranstaltungsringe für Jugendliche auf der Tagesordnung.192 Die frühe Heranführung der Jugend an das Medium Theater ist durchaus positiv zu werten, allerdings lag die Zielsetzung nicht im persönlichen Erlebnis, vielmehr diente auch der Theaterbesuch der alleinigen Vertiefung nationalsozialistischer Kulturwerte. Häufig wurde auch auf die nordisch-germanische Mythenwelt zurückgegriffen, da sie in anschaulicher Weise die von den Nationalsozialisten favorisierten Tugenden der Treue, Ehre, Tapferkeit, Kraft, Mut und Stärke heroisierten, wie folgendes Zitat aus der Sage des Nibelungenliedes, einem deutschen Epos aus Mittelalterzeiten, zeigt:

„'Verhüt' es Gott vom Himmel!', so sprach da Gerenot,

'Wenn unser tausend wären, wir lägen alle tot,

Die Sippschaft deiner Mage, eh’ wir dir einen Mann

Zur Geisel übergäben! Nein, das wird nimmermehr getan'„193

„'Wir müssen doch ersterben', so sprach da Giselher,

'Drum soll uns niemand scheiden von ritterlicher Wehr!

Wer gerne mit uns stritte, wir sind noch immer hie!

Was Treue anbelangt, verließ ich meine Freunde nie!'„194

Der Begriff der Nibelungentreue, ein durch Reichskanzler Bernhard von Bülow (1849 - 1929) in einer Rede vom 29. 03. 1909 bereits geprägter Ausdruck, spielte im gesamten politischen Geschehen des 'Dritten Reiches' eine wichtige Rolle.195 So galt beispielsweise der Wahlspruch der Schutzstaffel (SS) 'Meine Ehre heißt Treue'.

Zudem erwartete Hitler von jedem Bürger, von den politisch Verantwortlichen über die Soldaten bis hin zu den gewöhnlichen Bürgern, die Treue und den Glauben zum politischen System des 'Dritten Reiches' zur Erzeugung einer großen Einheit gleich denkender und handelnder Personen. Während des zweiten Weltkriegs gewann der Begriff der 'Nibelungentreue' als propagierter Kampfbegriff zunehmend an Bedeutung. Bewusst opfert Hitler eine unzählbare Menge an Menschenleben, in der Hoffnung, sein Ziel des riesigen 'Dritten Reiches' unter arischer Führung erfüllen zu können, riskierte jedoch gleichzeitig den Untergang seines ganzen Volkes. Gemäß einer germanischen Gefolgstreue sollten die Soldaten, ihren eigenen Tod in Kauf nehmend, für dieses Ziel kämpfen und sterben.

Mythen aus Zeiten der freien Jugendbewegung wurden von der Gesamt-Hitlerjugend als 'fremdvölkisch' deklariert und durch völkisch orientierte Mythen ersetzt.196

Neben der Aneignung des von den Nationalsozialisten anerkannten Kulturguts, sollten die Mädchen und Jungen ihre eigenen kreativen, schöpferischen Kräfte durch „Singen, Erzählen, Lesen, Spielen, Werkarbeit und Spielschararbeit“197 freisetzen. Aus diesem Grund wurde der handwerklichen Arbeit, welche Geschick und Kreativität förderte, eine wesentliche Rolle beigemessen. Durch eigene aktive Arbeit wurden beispielsweise die HJ- und BDM-Heime verschönert, Spielzeuge für Kinder armer Eltern sowie Gegenstände, die in der Gesellschaft oder im Kriegsgebiet benötigt wurden, angefertigt.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass weder durch die weltanschauliche Schulung, noch im Bereich der kulturellen Arbeit ständig kriegsverherrlichende oder rassenverachtende Themen besprochen wurden. Dennoch wurden diese Aspekte permanent indirekt thematisiert durch eine konsequente Hervorhebung der deutschen Tugenden, Tätigkeiten und Lebensformen, die in einer starken Selbstverherrlichung endeten. Des Weiteren wurde bei der Vermittlung der ideologischen Weltanschauung ganz bewusst auf eine kritische Auseinandersetzung mit anderen politisch-gesellschaftlichen Einstellungen verzichtet, so dass ein differenzierter Umgang mit der Ideologie, wenn überhaupt, erst in späteren Jugendjahren erfolgen konnte. Die konstante Indoktrinierung der Jugend führte fast automatisch zu einer Ablehnung anderer Völker und Rassen und dem Gedanken, ausgelöst durch die maßlose Selbstüberschätzung, einer Übernahme deutscher Lebensweise und Kultur in anderen Ländern, notfalls auch erzwungenermaßen.

Staatsjugendorganisationen – Ein Traum der Herrschenden

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