Читать книгу Tödliche Option - Annette Meyers - Страница 10

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»Oh, gewiß haben sie ihn getötet. Da sitzen sie so selbstgefällig und verteilen die Beute. Tja, da wäre nichts zu verteilen, wenn er nicht gewesen wäre.«

Ellie Kaplan stellte einen aufklappbaren Make-up-Spiegel auf ihren unaufgeräumten Schreibtisch, betrachtete ihr Spiegelbild und zog eine Grimasse. Sie fuhr mit einem Schildpattkamm durch die dicken wirren Locken ihres silbergrauen Haars. Als Mittvierzigerin war sie mit dem aufsehenerregenden grauen Haar und den dichten tiefschwarzen Augenbrauen, was die Leute allgemein als gutaussehende Frau bezeichneten. Heute jedoch war die Haut um die dunklen Augen aufgedunsen und fleckig. Sie drückte ein paar Tasten an ihrem Quotron und starrte auf das Gerät.

Wetzon saß auf einem bequemen Klubsessel vor Ellies Schreibtisch. »Sie meinen, Goldie wurde tatsächlich ermordet? Ich dachte, es wäre Herzversagen, durch das Asthma.«

»Dachten wir alle.« Ellie bürstete mit einem Zobelhaarbürstchen Rouge auf ihr Gesicht, legte roten Lippenstift auf, packte die Utensilien in einen blauen Nylonbeutel, zog den Reißverschluß zu und ließ Beutel und Spiegel in die offene Schublade auf der rechten Seite fallen. Sie zündete eine Zigarette an und inhalierte tief. »Hat Hoffritz Ihnen nichts gesagt? Glaubt er, er kann es verheimlichen? Die Polizei war heute morgen hier und hat alle vernommen. Sie sagen, Goldie wurde ermordet.« Sie hackte wieder auf die Tastatur, um weitere Informationen anzufordern. »Hmhm … ein Viertel rauf … Entschuldigen Sie mich, Wetzon. David!«

Die Tür ging so schnell auf, daß Wetzon glaubte, wer immer sie geöffnet hatte, mußte davorgestanden und gelauscht haben.

»Ellie?«

»David Kim – Wetzon.« Ellie sah nicht von der Maschine auf.

»Sie sehen gut aus, David«, bemerkte Wetzon.

»Das kann ich zurückgeben, Wetzon.«

Sie grinsten sich an, beide belustigt, daß Ellie sich nicht erinnerte, wie er seine Stelle bei ihr bekommen hatte.

Den Bruchteil einer Sekunde lang betrachtete Ellie sie verblüfft, dann tippte sie sich mit zwei Fingern an die Stirn.

»Wie konnte ich vergessen, daß ihr beide euch kennt? Es war mir tatsächlich entfallen.«

»Wie konnte sie vergessen, daß ich dafür verantwortlich bin, daß Sie hier sind, David?« Wetzon lachte. »Und dazu gratis, könnte ich hinzufügen.«

»Ich weiß nicht, Wetzon.« Davids Ton war hänselnd.

»Macht nur weiter, ihr zwei, amüsiert euch gut. Ich werde einfach dasitzen und versuchen, Geld zu verdienen.« Ellie beobachtete aus dem Augenwinkel, was sich auf dem Quotron tat.

»Noch ein Achtel rauf. Ich glaube, wir sollten anfangen, unsere Leute herauszunehmen.«

»Hast du den Umfang gesehen?« David Kim war groß, schlank und Asiate – Koreaner genaugenommen –, ungefähr fünf- oder sechsundzwanzig. Er langte über Ellies Schulter und tippte auf der Tastatur. Sie wandte ihm das Gesicht zu, und Wetzon las soviel nackte Intimität darin, daß sie sich wie eine Voyeurin fühlte. Dann war es vorbei. Aber sie hatte es gesehen. Wetzon stand auf.

»Sie haben zu tun, ich mache mich davon.«

»Gehen Sie nicht, Wetzon.« Sie hatte ihr dickes Kundenbuch aufgeschlagen und studierte es. »David, Dwayne möchte uns Kaffee bringen, ja? Nimm inzwischen alle heraus, während ich mit Wetzon rede.«

»Bitte koffeinfrei für mich.« Wetzon setzte sich wieder. Falls David Kim die Bitte übelnahm, ließ nichts in seinem Gesicht oder Benehmen darauf schließen. Er lächelte die Frauen an und schloß die Tür hinter sich.

Ellie seufzte. »Ich bin so froh, daß ich ihn habe. Ich stehe in Ihrer Schuld, Wetzon.«

Wenn jeder, der an der Wall Street »in ihrer Schuld stand«, diese tilgen sollte, könnte sie sich zur Ruhe setzen und in Saus und Braus leben. Als Wetzon David Kim kennengelernt hatte, war er einer der Mathematikgenies im Doktorandenprogramm der Columbia gewesen. Er war an sie verwiesen worden, weil er eine Teilzeitarbeit suchte, um seine Unkosten zu decken und ihm etwas Taschengeld zu beschaffen, und Wall Street war der passende Ort für seine Talente.

»Gefälligkeit«, hatte Dougie Culver es genannt, nachdem Wetzon David bei Ellie vorgestellt und Ellie ihn sofort genommen hatte. »Betrachten Sie es als Gefälligkeit, Wetzon, und bei einer richtigen Vermittlung machen wir es bei Ihnen wieder gut.«

»Was ist an David Kim nicht richtig?« hatte sie gefragt.

Wiedergutmachen klang ziemlich stark nach Ich kümmere mich um dich, Schätzchen und machte sie wütend.

»Sie sind die Beste, Wetzon«, hatte Dougie gesagt und es dabei belassen – statt Zahlung.

Ellie schob das Geschäftsbuch beiseite. »David hat einen ausgesprochenen Instinkt für Optionen. Ich habe ihn als Juniorpartner in die Firma gebracht. Das heißt, er hat seine eigenen Kunden und hilft mir bei meinen. Er ist phantastisch beim Ausarbeiten von Strategien und Stellagegeschäften … Ich weiß nicht, es ist fast mystisch.«

»Glauben Sie wirklich, daß einer von ihnen Goldie getötet hat?«

»Aber nein, ich meine nicht richtig getötet. Goldie hatte so schlimmes Asthma. Er hatte ein Sauerstoffgerät in seinem Büro, um Gottes willen. Sehen Sie, es kann nicht Mord gewesen sein, aber diese Bestien – Search and Destroy –« Ellie lachte bitter. »Diese Geier drängten ihn heraus, und er wollte nicht leise gehen.«

Hoffritz hatte das in beinahe den gleichen Worten gesagt, als Smith und Wetzon gelauscht hatten.

Ihr Kaffee wurde von Ellies Verkaufsassistenten gebracht, einem schlanken jungen Mann, der ein wenig tuntig wirkte.

»Hallo!« sagte er und lächelte Wetzon an, als kenne er sie.

»Danke, Dwayne. Das ist Wetzon …«

»Ich weiß.«

»Wie dem auch sei.« Ellie wartete nicht einmal, bis Dwayne das Zimmer verlassen hatte, ehe sie fortfuhr, indem sie sich auf dem Stuhl zurücklehnte und die Arme im Nacken verschränkte. »Ich werde Goldie schrecklich vermissen. Er war mein Mentor, er hat mir in der Branche auf die Beine geholfen. Ich war nämlich früher Lehrerin. Ich unterrichtete Twoey in Fieldston.«

»Twoey?«

»Goldman Barnes der Zweite. Er konnte seinen Namen nicht sprechen, als er klein war, und bezeichnete sich als Twoey, und das blieb an ihm hängen. Oh, verdammt …« Sie begann wieder zu weinen.

Das Telefon summte. Schniefend nahm sie ab. »Ja. Nein. David soll sich um ihn kümmern. Keine Anrufe bitte, solange Wetzon hier ist.«

»Wer ist der dicke Mann? Dr. Dingsbums.«

»Ha! Dr. Carlton Ash, der fette Arsch. Er hat den gleichen Grad wie ich – in der Ausbildung –, und ich nenne mich nicht Doktor.« Sie stand auf und öffnete die Tür eines kleinen Garderobenschranks. An der Innentür war ein Ganzfigurspiegel, und sie betrachtete sich kritisch darin. »Ich sehe zum Kotzen aus.« Sie schloß die Tür und setzte sich an den Schreibtisch.

»Er ist bei Goodspeed und Partner.«

»Goodspeed? Die Consulting-Firma?«

»Ja. Der fette Arsch hat irgendeinen Leistungsbericht geschrieben. Search und Destroy haben ihn engagiert. Goldie war deswegen richtig wütend. Wir haben immer auf die altmodische Art Geld verdient, meinte er.« Sie lachte. »Hoffritz und Bird hatten andere Vorstellungen.« Sie trank einen Schluck Kaffee und drückte ihre Zigarette in dem Steuben-Aschenbecher aus. »Trinken Sie aus, Wetzon. Vielleicht können wir ins Geschäft kommen.«

»Ellie, ich kann Sie nicht von Luwisher Brothers wegholen. Die Firma ist Kunde bei mir.«

»Sie können, wenn ich Sie darum bitte. Es sieht ganz danach aus, daß ich hier so oder so aussteige.« Sie zündete eine neue Zigarette an. »Die haben etwas vor. Ich weiß es. Carlton Ash hat seinen fetten Wanst hier in den vergangenen Monaten spazierengeführt und in irgendeinem Code Notizen in sein kleines Buch eingetragen.«

»Code? Woher wissen Sie, daß es ein Code ist?«

»David. Er versteht sich sehr gut aufs Schnüffeln.«

»Glauben Sie also, daß einer von ihnen Goldie getötet haben könnte, um ihn aus dem Weg zu schaffen?« »Um Gottes willen, nein. Hören Sie, die sind alle aus dem Süden, richtige Kotzbrocken, aber sie sind nicht dumm. Sie verlangten von Goldie, ihnen seinen Anteil zu verkaufen. Sie setzten ihn unter Druck, und er wehrte sich, und sein Asthma wurde schlimmer. Mann, er war in den letzten drei Monaten zweimal im Krankenhaus. Und dann kam das, was Goldie die Nacht der langen Messer nannte, der Abend vor dem Essen. Sie zogen diese verrückte Janet hinein, und sie wollte Twoeys Interessen wahren, und dann zogen die Knaben aus dem Süden die gewetzten Messer.« Sie neigte den Kopf zurück und trank den Kaffee aus, stellte die Tasse auf den Tisch und legte die Zigarette auf die Untertasse. »Komisch … Er kam am Tag des Abendessens in meinem Büro vorbei und sagte, er habe eine letzte Karte im Ärmel.«

»Worum geht es in dem Bericht?«

»Weiß ich nicht.« Sie berührte wieder einige Tasten und beobachtete die Maschine. »Der fette Arsch machte immer wieder Andeutungen, daß er die Branche aufrütteln würde. Den Ash-Bericht, nannte er ihn, das aufgeblasene Arschloch. Aufgeblasenes Arschloch.« Sie fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Ich werde diesen wunderbaren alten Goldie Barnes vermissen.«

Wetzon trank einen Schluck von dem bitteren Kaffee. »Erinnern Sie sich, was Goldie sagte, unmittelbar bevor er zusammenbrach?«

Das Telefon summte.

»Ich kann mich wirklich nicht erinnern, Wetzon. Die Polizei hat mir die gleiche Frage gestellt.« Eine tiefe Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen, als sie das Telefon abnahm. »Jeder? Gut. Und die andern? Ja.« Sie legte auf. »Ich muß mich wieder an die Arbeit machen.« Sie blickte auf die Maschine. »Danke, Wetzon.«

Wetzon zog ihr Kartenetui aus der Kostümtasche. »Hier ist meine Karte, Ellie. Ich schreibe meine Privatnummer auf die Rückseite. Rufen Sie mich an.« Ihr Federhalter machte einen Tintenklecks auf die Nummer, deshalb nahm sie eine neue Karte statt der mit dem Klecks.

»Bestimmt, Wetzon. Wir sprechen uns.«

Sie gaben sich die Hand, und Wetzon ging aus dem Büro. Sie blieb auf dem Rückweg zum Konferenzzimmer an der Tür zu David Kims Büro stehen. Er war über sein Telefon gebeugt und sah sie nicht. »Es ist wichtig. Unterschreiben Sie einfach«, sagte er gerade. »Ich erzähle Ihnen später alles darüber.« Smith würde sagen, daß sie bescheuert war, weil sie für die Vermittlung nicht bezahlt worden waren, aber Wetzon war stolz auf das, was David Kim aus sich gemacht hatte. Sie ging über den breiten Korridor, in dem die Georgia O’Keeffes hingen, und war wieder im Empfangsbereich.

»Wie geht’s der armen Ellie?« fragte Maggie Gray ohne großes Interesse, als Wetzon an ihr vorbeiging.

»Es geht.« Wetzon stieg die geschwungene Treppe hinauf und kam zur Tür des Konferenzzimmers, als die anderen auftauchten.

»Wetzon«, sagte John Hoffritz, als er sie entdeckte. »Ich möchte Ihnen für Ihren Vorschlag danken. Wir wissen das wirklich zu würdigen.« Er drückte kräftig Smith’ Hand. Smith lächelte freundlich und schien rundum zufrieden. »Ich bin davon überzeugt, daß für uns alle etwas dabei herausspringen wird.« Er lächelte gequält. »Wir räumen das Feld, damit Sie mit den Leuten ungehindert reden können.«

Diese Smith, dachte Wetzon und wurde von Carlton Ash unterbrochen. »Schön, daß ich Sie kennengelernt habe.« Der dicke Mann rückte Wetzon zu dicht auf die Pelle.

Sie wich zurück. »Soviel ich weiß, arbeiten Sie an einer Studie über die Branche.« Er starrte sie an. »Ich würde sie gern lesen. Das heißt, wenn sie keine geschützten Informationen enthält.«

Seine Augen wurden matt. Kleine Schweißperlen bildeten sich am Haaransatz und auf der Oberlippe. »Was für ein Bericht? Ich weiß von keinem Bericht?«

»Was Sie nicht sagen. Aber wenn Sie die Branche wirklich aufrütteln wollen, würde ich mich freuen, es zu erfahren.« Sie bedachte ihn mit einem herzlichen Lächeln und kam sich genauso verlogen wie alle andern vor.

»Ich bin als beratender Psychologe hier.«

» Selbstverständlich«

»Haben Sie eine Geschäftskarte?«

»Komm schon, Wetzon«, mischte sich Smith ein. »Gehen wir. Wir haben eine Menge Arbeit.«

»Sekunde.« Wetzon schüttelte Smith’ ab, die an ihrem Ärmel zupfte, und gab Dr. Ash ihre Karte. Kurz darauf saßen Smith und Wetzon in einem Taxi, das sie zu ihrem Büro brachte. »Willst du mir nicht verraten, warum wir es so eilig haben, Smith?«

Smith lehnte sich bequem zurück und betrachtete ihre knallroten Fingernägel. Sie sah Wetzon affektiert aus dem Augenwinkel an, antwortete aber nicht.

»Was hat Hoffritz gemeint … den Weg frei machen, damit wir mit den Leuten reden können? Für was für einen Vorschlag hat er mir so überschwenglich gedankt?«

»Wir werden ein bißchen für sie Detektiv spielen, neben unser Vermittlerarbeit.« Smith zog ein Stück Papier aus ihrer Aktentasche. Es war ein Scheck von Luwisher Brothers über zehntausend Dollar, ausgestellt auf Smith & Wetzon.

»Was! Die haben uns einen Honorarvorschuß gegeben. Kein Witz. Das ist phantastisch, Smith.«

»Nein, Schätzchen. Makler sind immer noch die Bedingung. Das hier ist für etwas viel Interessanteres.« Wetzon spürte Hitze in sich aufsteigen. »Smith, in was hast du uns da hineingeritten?«

»Hör zu, Wetzon, mit unserer Erfahrung …«

»Unserer Erfahrung?«

»Na ja, ich sagte ihnen, es sei dein Vorschlag. Du hast Beziehungen … Kenntnisse von früheren Mordfällen. Sie möchten, daß wir den Mörder vor der Polizei finden.«

»Oh, nein, Smith, du …«

Smith lächelte triumphierend. »Sie haben uns engagiert, damit wir herausbekommen, wer Goldie Barnes getötet hat.«

Tödliche Option

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