Читать книгу Tödliche Option - Annette Meyers - Страница 13

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»Nun komm schon, Silvestri, finde dich damit ab, ich stecke bereits drin, wenn auch nur am Rande.« Es war Morgen, und Wetzon stand in der offenen Tür zum Bad und sah ihm beim Rasieren zu.

»Ach, verdammt«, sagte er. »Goldie Barnes wurde allem Anschein nach vergiftet.«

»Was heißt das – allem Anschein nach?«

»Genau das, Les.«

»Erfahre ich sonst nichts? Eine Hand wäscht die andere?«

»Nein.«

»Warum hast du den Fall?«

»Weil es während meiner Schicht passiert ist.«

»Aha.« Sie runzelte die Stirn. »Es macht unheimlich Spaß, hier herumzuhängen und nichts zu erfahren.«

Sein Spiegelbild grinste sie an. »Ich möchte, daß du mir alles sagst, was du weißt. Für uns ist erst mal jeder und jede verdächtig.«

Sie überlegte einen Augenblick. »Es müssen hundert Personen bei dem Essen gewesen sein, Silvestri. Das sind ziemlich viele Verdächtige. Und alles sagen, was ich weiß …« Sie hielt inne, weil sie sich fragte, ob dies der richtige Zeitpunkt sei, ihm mitzuteilen, was Smith getan hatte. »Ich habe da ein moralisches Problem.«

Er zog seine Augenbraue hoch und fuhr sich mit einem Kamm durch das lichter werdende Haar. »Ich höre.«

Sie ließ ihn vorbei und folgte ihm in das aufgeräumte Schlafzimmer. Sie hatte das Bett gemacht, während er duschte. Er tastete unter seiner Bettseite und zog seine Schulterhalfter vor, nahm die Pistole heraus und legte sie vorsichtig auf die Steppdecke. Nachdem er das Ledergeschirr angelegt hatte, prüfte er seine Waffe und schob sie wieder in die Hülle unter dem rechten Arm.

Wenn sie Silvestri beim Anziehen zusah, hatte Wetzon immer das Gefühl, daß dies das gleiche Ritual war, wie wenn man eine Frau ansah, die ihr Make-up auflegte. Die Waffe und seine Beziehung dazu übten eine besondere Faszination auf sie aus. Auf eine merkwürdige Weise behandelte er seine Pistole so, wie er sie behandelte.

Er richtete sich auf und fing ihren Blick auf, und sie fühlte sich nackt und bloßgestellt, obwohl sie bereits ihr Nadelstreifenkostüm trug. »Was für ein moralisches Problem?« fragte er. Er küßte sie auf die Nase und ging in den Flur, um sein Jackett zu holen.

Sie spürte, daß seine Gedanken bei seiner Arbeit waren und daß er nicht zuhörte, aber sie folgte ihm dennoch durch den Flur. »Was ich über Luwisher Brothers weiß, gilt als vertrauliches Wissen.«

»So etwas gibt es bei einer Morduntersuchung nicht.«

»Sagst du.«

»Möchtest du mitfahren?« Er stand ungeduldig an der Tür.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich muß ein paar Anrufe erledigen, und ich möchte die Zeitung durchsehen.« The Wall Street Journal und The Times lagen auf dem Boden vor der Tür.

Er drückte den Abwärts-Knopf des Aufzugs und stellte sich wieder zu ihr an die Tür. »Wie sieht dein Nachmittag aus?«

»Weiß nicht. Freitags ist nicht viel los bei diesem Wetter. Alle brechen früh in Richtung Hamptons auf. Warum?«

»Ich möchte, daß du rüber ins Revier kommst und mit uns über deine Investmentbanker sprichst.«

»Ach, Silvestri …«

»Kein ›ach Silvestri‹. Du hast immer dabeisein wollen, jetzt ziehe ich dich hinein.«

»Ich muß darüber nachdenken.« »Nein, mußt du nicht.« Er schloß die Tür.

Sie goß die letzten Tropfen Kaffee aus der Melittakanne und bestrich die zweite Hälfte ihres Brötchens mit Butter, während sie sich fragte, wo die Grenzen der Vertraulichkeit überquert werden konnten. Was war richtig, was war falsch? War sie verpflichtet, es ihrem Kunden zu sagen? Sie strich die köstliche Aprikosen-Orangen-Marmelade von Sarabeth’s auf das Brötchen und hob den Becher zum Mund.

Und was war mit Smith? Sie würde es ihr sagen müssen. Verdammt. Da versuchte sie, zurückhaltend und neutral zu sein, und dann schubsten Silvestri und Smith sie in eine Morduntersuchung. Sie stellte den Becher auf die Theke und faltete das Journal auf, um die Artikel auf der ersten Seite zu überfliegen. Die Schlagzeile in der Mitte der Seite lautete »Barnes’ Tod vermutlich Mord«. Der Artikel gab John Hoffritz’ Erklärung wieder, wie sie sie mitgehört hatte, aber keine neue Information, außer daß die New Yorker Börse an diesem Tag um zwölf Uhr eine Schweigeminute zum Gedenken an Goldie Barnes einhalten wollte. Unter Kleine Meldungen – Firmen und Finanzen blieb Wetzon hängen und las einen kurzen Artikel. S&S Sedlet Securities, eine kleine Maklerfirma mit Sitz in Atlanta, hatte ein Kaufangebot für L. L. Rosenkind vorgelegt.

»O, nein!« rief sie laut. Die Stellensuche für Howie Minton hatte sich erledigt. Er würde wahrscheinlich bleiben und sehen, wieviel er rausschlagen könnte. Und er würde ganz schön was bekommen, davon war sie überzeugt, weil keine Firma es sich leisten konnte, einen großen Produzenten zu verlieren. S&S Sedlet würde wahrscheinlich wie üblich einen Vertrag für zwei oder drei Jahre anbieten, mit einer Prämie am Anfang für große Produzenten, damit sie blieben, und einer weiteren Prämie am Ende, die auf der jährlichen Produktion während der Laufzeit des Vertrages basierte.

Sie dachte gerade, daß Smith wieder einmal recht behalten hatte, als das Telefon läutete. Sie wischte sich die klebrigen Finger ab und meldete sich.

»Wetzon!« Es war Smith, atemlos, als wäre sie gerannt, was überhaupt nicht zu ihr paßte. Sie trieb keinen Sport, hielt nichts davon, und ihr Stoffwechsel gab ihr recht. »Wetzon?«

»Ja.«

»Hast du den Artikel über Sedlet und den Kauf von Rosenkind gelesen?«

»Ja. Sag’s nicht, bitte.«

»Was sagen?«

»Ich-hab-es-ja-gewußt über Howie Minton. Jetzt wird er abwarten und sehen, was er geboten bekommt, damit er bleibt …«

»Na ja, selbstverständlich bietet man ihm eine Prämie, damit er bleibt, aber er wäre sowieso nicht weggegangen. Ich rufe dich nicht deswegen an. Ich kenne Seth Sedlet und seinen Bruder Sean.

»Wirklich? Woher?«

»Frag nicht. Sie sind Piraten. Sie übernahmen die erste Firma für die ich gearbeitet habe, und stießen sie Stück für Stück ab. Sie werden Rosenkinds Aktivposten verkaufen und die Firma auslöschen – was an sich nicht schlimm ist, nur daß Wall Street immer kleiner wird. Wenn sie Rosenkind auflösen, haben wir einen Ort weniger, wo wir Makler herausholen können.«

»Gut, sie haben ein Angebot vorgelegt, aber vielleicht bekommen sie Rosenkind nicht.«

»Darauf würde ich mich nicht verlassen, Schatz. Rosenkind hat ein Cash-flow-Problem.«

»Wer hat das nicht?«

»Bist du auf dem Weg in die Stadt?«

»Ich möchte nur zu Ende Kaffee trinken und die Times überfliegen.« Sie hörte ein Telefon läuten. »Wo bist du?«

»Im Büro natürlich. Wo sollte ich sonst sein? Du kennst doch Jake, er geht gern früh raus.«

Smith las normalerweise die Fachpresse nicht. Sie überließ es Wetzon, sie über das Geschehen an der Wall Street auf dem laufenden zu halten, während Smith Wetzon über die Gesellschaftsnachrichten aus W, das Wetzon dumm fand, ins Bild setzte.

»Sag mir eins, Smith. Was macht Jake eigentlich?«

»Warum bist du so zu mir, Wetzon? Jake ist ein wunderbarer, fürsorglicher Mann. Er hat einen hohen Preis gezahlt für das, was er getan hat Er bekommt im September seine Lizenz zurück, und er …«

»Sag bitte nicht, er steigt wieder ins Geschäft ein.«

»Kleines, sei nicht naiv. Er ist nie ausgestiegen.«

Wetzon legte den Hörer auf, aß das Brötchen mit großen wütenden Bissen auf und stellte das Geschirr in die Spülmaschine. Natürlich hatte Donahue nie aufgehört. Wie konnte sie nur so naiv sein? Es war erstaunlich, was in Wall Street akzeptiert wurde, selbst nach dem Crash und dem Skandal mit den Insider-Geschäften.

Gerade vor drei Monaten hatte sie wider bessere Einsicht Bruce Pecora, einen Börsenmakler mit zwei Kundenklagen und einem anhängigen Gerichtsverfahren, bei einer großen Firma untergebracht, nachdem sie den begierigen Geschäftsführer über alle Vorbehalte gegenüber dem Makler informiert hatte. Bruce war tatsächlich von beinahe jeder anderen Firma an der Wall Street abgelehnt worden. Nur zwei Jahre im Geschäft, und er brachte es brutto auf 350 000 Dollar. Wie war das möglich? Was für eine Frage. Ein Konto von hunderttausend Dollar hatte in einem einzigen Jahr sechsunddreißigtausend Dollar an Provisionen gebracht. Er hatte eine Alles-oder-nichts-Mentalität.

Aber das Headhunter-Geschäft ging nur noch schleppend, weil die Makler im Hinblick auf einen Wechsel ängstlich waren, und die Produktion war zurückgegangen, weil die Kunden im Hinblick auf den Markt ängstlich waren. Smith hatte sie überredet, Pecora ohne Bedenken anzubieten. »Irgend jemand wird ihn haben wollen«, sagte sie, »und wie verdienen uns schöne fünfundzwanzigtausend. Und ist er erst dort, dann ist es deren Problem.«

»Mein Gott, Smith, wenn etwas schiefgeht, wirft es ein schlechtes Licht auf uns.«

»Dieser Junge ist eine Zeitbombe, die kurz davor ist zu explodieren«, sagte ein Geschäftsführer zu Wetzon. »Wir passen bei ihm.«

Mike Norman, der die Loeb-Dawkins-Filiale im Rockefeller Center leitete, hatte sie angerufen und dringend um Makler gebeten. »Haben Sie niemanden für mich? Machen Sie schon, schicken Sie mir Makler.«

»Ich habe einen, aber er macht Ärger, Mike. Gerichtsverfahren, Beschwerden von Kunden. Hitzköpfig.«

»Wie sind seine Zahlen?«

»Drei-fünfzig, zweites Jahr.«

»Phantastisch. Wann kann ich ihn sehen?«

»Er macht Ärger, Mike.«

»Ich kann mit ihm umgehen, Wetzon, überlassen Sie ihn einfach mir.«

Berühmte letzte Worte. Am Tag vor dem Bankett für Goldie Barnes hatte Loeb Dawkins Bruce Pecora auf Vorschlag der New Yorker Börse in Urlaub schicken müssen. Es sah ganz so aus, als werde die Börse Pecoras Lizenz einziehen.

Wetzon hatte sich furchtbar gefühlt, verantwortlich.

Und Smith hatte sie angeschnauzt: »Mike ist alt genug. Er wußte, was er tat. Und wir haben unser Geld.«

Das Telefon läutete wieder, als sie gerade aus der Tür war und das Sicherheitsschloß abschloß. Sie zögerte, dann drehte sie den Schlüssel um und sprang zum Telefon. Zu spät. Der Automat schaltete sich ein. Na gut, laß die Maschine laufen und antworten. Es war wahrscheinlich eine Telefonumfrage oder irgendein Verkäufer.

Das erste Geräusch, das sie hörte, war angestrengtes Atmen – genau, was sie jetzt brauchte, einen, der ins Telefon keuchte –, dann eine Stimme, die in einem rauhen Husten unterging.

»Ms. Wetzon. Ich muß Sie so schnell wie möglich sehen.«

Sie nahm ab. »Bleiben Sie dran, Dr. Ash.« Sie schaltete die Maschine ab. »Sind Sie noch da?«

»Ich muß mit Ihnen über …«

»Lassen Sie mich raten«, unterbrach sie ihn ungeduldig. »Sie wollen mir von der Studie berichten.«

»Ich besorge Ihnen eine Kopie, aber …«

»Oh, gut.« Wie hatte er ihre Nummer bekommen? Sie stand nicht im Telefonbuch … dann erinnerte sie sich. Sie mußte ihm die Karte mit dem Tintenklecks gegeben haben, die eine, die sie Ellie nicht gegeben hatte.

»Aber darüber wollte ich nicht mit Ihnen sprechen.« Ash schnappte nach Luft. »Können wir uns morgen früh bei Luwisher Brothers treffen – um halb acht?«

»Halb acht? Morgen ist Samstag.«

»Das ist mir bewußt.« »Muß es dort sein?«

»Ja. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Ich warte bei den Aufzügen im siebenundsechzigsten Stock auf Sie.«

»Warum gerade ich?«

»Ms. Wetzon, warum machen Sie es mir so schwer? Ich möchte mich im Moment lieber noch nicht an die Polizei …«

»Die Polizei?«

»Ich möchte, daß Sie mir Ihr Wort geben, niemandem von unserem Treffen zu erzählen. Niemand.«

»Mein Wort?« Sie runzelte die Stirn. »In Ordnung. Und worum geht es?«

»Ich glaube,« seine Stimme schwand fast zu einem Pfeifen – »ich weiß, warum Goldie Barnes ermordet wurde.«

Tödliche Option

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