Читать книгу Tödliche Option - Annette Meyers - Страница 17

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Na, das ist ein schönes Willkommen, dachte Wetzon, und sie lachte laut. Dann: Das ist nicht komisch, Wetzon. Du könntest das ganze Wochenende hier sein, und was würdest du essen und wo Pipi machen?

Das genügte. Sie rüttelte am Türknauf und trommelte mit der Faust an die Tür. »He! Ich bin eingeschlossen!« Sie rieb ihre Handkante. »O Scheiße!« schrie sie und machte Rumpelstilzchen mit dem Fuß. Der Instinkt sagte ihr, daß das Zimmer vermutlich schalldicht war. »Himmel, Arsch und Wolkenbruch!« Sie stampfte um den Konferenztisch herum und feixte über den verschütteten Kaffee. »Und ich wisch auch nicht auf.«

Sie zog einen Stuhl vor und setzte sich. Sie sah zu dem großen Fleck an der Wand hoch, wo Goldies Porträt gehangen hatte, dann ließ sie rasch den Blick durch das Zimmer wandern und suchte nach einem Ausgang, den sie möglicherweise übersehen hatte. Zwölf Stühle standen um den Konferenztisch, drei standen schief. Die Anrichte … Idiot, dachte sie – das Telefon. Sie sprang auf, lief auf die andere Seite des Tisches und schnappte das Telefon von der Anrichte. Sie bekam das Freizeichen, wählte die Auskunft mit der 411 – sie würde einfach die Nummer des Gebäudes anrufen, und sie würden jemanden hochschicken, um sie hinauszulassen –, bekam das Freizeichen, versuchte es noch einmal, bekam wieder das Freizeichen. Sie probierte es mit ihrer Nummer zu Hause, und es passierte das gleiche. Sie drückte die 9. Nichts. Sie knallte den Hörer auf. »Verdammt, verdammt!« Sie ging wieder zur Tür und schlug mit beiden Händen dagegen, dann stakste sie zurück zum Tisch. Sie war trotz der Klimaanlage in Schweiß gebadet.

Nur Dr. Ash und Smith wußten, wo sie war, und Smith war über das Wochenende in Connecticut. Smith würde versuchen, sie anzurufen, sich aber vermutlich keine Gedanken machen, wenn sie sie bis morgen nicht erreichte. Silvestri würde verrückt spielen, wenn sie nicht nach Hause käme. Hmmmmm. Das war ein Gedanke. Er schien nie eifersüchtig – oder ließ es sich wenigstens nicht anmerken, falls er es war.

Sie erdachte dramatische Szenarios, wie sie am Montag morgen die Tür aufschließen und eine Verrückte finden würden, als ihr einfiel, daß bestimmt an diesem Morgen Makler kommen würden, um zu arbeiten. Sie würde vernünftig sein, die Times weiterlesen und abwarten. Irgendwann mußte jemand auftauchen. Schließlich war es immer noch sehr früh.

Aber Chris war dagewesen. Was hatte er hier so früh gemacht? Und warum hatte er es so eilig gehabt?

Und wo war Dr. Ash?

Sie betrachtete den verschütteten Kaffee, der eine schmierige schwarze Lache auf dem Tisch bildete. Also gut. Falls sie längere Zeit hier warten müßte, wollte sie nicht in solcher Unordnung sitzen. Sie zog ein Kleenex aus der Handtasche, ließ es auf die Pfütze fallen und beobachtete, wie die Flüssigkeit das Papiertaschentuch braun färbte. Vorsichtig schob sie den Styroporbecher von sich weg zur Mitte des Tisches hin. Der Becher faßte sich warm an. Chris, dachte sie. Sie zog den Becher zu sich hin. Es war außer Kaffe noch etwas anderes im Becher, aber er war zu voll, um sehen zu können, was es war.

Gegenüber standen noch ein Becher und ein Plastikteller voller Krümel. Sie stand auf und ging um den Tisch herum, nahm den fast leeren Becher und goß den Inhalt des ersten Bechers vorsichtig in den anderen. Auf dem Grund des ersten Bechers lag ein Inhaliergerät ähnlich dem, das sie bei Carlton Ash gesehen hatte. Um Gottes willen, dachte sie und ließ den Becher fallen. Er fiel auf die Seite und rollte von ihr weg.

Unerklärlicherweise voller Angst stand sie auf und probierte es noch einmal an der Tür, rüttelte am Knauf und schlug mit der wunden Faust dagegen. Der Knauf drehte sich in ihrer Hand, und die Tür begann sich zu öffnen. Sie trat beiseite, erstaunt, als die Tür aufging und Dougie Culver in Jeans und blau-weiß gestreiftem Hemd mit noch einem Styroporbecher in der Hand dastand. Der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben.

»Du lieber Himmel, Wetzon. Sie haben mich zu Tode erschreckt. Was machen Sie denn hier zu dieser unchristlichen Zeit?«

Sie sah auf die Uhr. Bloß zwanzig Minuten waren in dem verschlossenen – war es das wirklich? – Konferenzzimmer vergangen. Sie kam sich ein bißchen albern vor. Sie sah Dougie an, der wartete. »Ich sollte hier jemanden um halb acht treffen, aber er ist nicht da. Ich dachte, er könnte das Konferenzzimmer gemeint haben, aber als ich drinnen war, schlug jemand die Tür zu und schloß mich ein.«

Dougie hörte mit amüsierter Miene zu. »Dramatisieren wir da nicht ein bißchen, Wetzon?« Er fummelte an dem Schnappverschluß herum. »Es könnte wohl eingerastet sein«, sagte er unschlüssig. »Oder vielleicht haben Sie aus Versehen den Knopf gedrückt und sich selbst eingeschlossen.«

»Ich bin keine hysterische Frau, Dougie Culver, verzichten Sie also auf diesen gönnerhaften Ton.«

Er gluckste. »Das mag ich so an Ihnen. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund.« Er tätschelte ihren Arm. »Nun machen Sie schon, seien Sie so nett und teilen mein Frühstück mit mir.«

Er tätschelte seinen Bauch, der über den Bund seiner Jeans hing. »Und dann können Sie mir erzählen, wen Sie alles treffen wollten.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er über den Korridor weg und auf sein Büro zu.

»Dougie …« Ach, verdammt. Ihr Magen knurrte. Allein der Gedanke, zwei Tage ohne Nahrung eingesperrt zu sein, hatte sie hungrig gemacht. Was für ein Kind du bist, Wetzon, dachte sie. Sie folgte Dougie Culver.

»Haben Sie mein Büro schon gesehen, Wetzon?« Er ging durch die offene Tür und winkte sie herein. Der Blickfang im Büro war nicht der obligatorische gewaltige Mahagonischreibtisch, der Computer, der Quotron, das Telerategerät und das Sortiment von vier selbständigen Telefonen, nicht einmal der unglaubliche Blick auf den New Yorker Hafen und die Freiheitsstatue, die durch den Morgendunst ragte, sondern vielmehr eine vom Boden bis zur Decke reichende Vitrine mit allen Arten, Formen und Farben von Muscheln.

»Donnerwetter!« sagte Wetzon. Ein riesiger Brocken rosiger Korallen auf Augenhöhe lockte sie an.

»Meine große Sammlung.« Er schloß die Tür.

»Sie treiben Sporttauchen?«

»So oft ich die Gelegenheit habe.«

»Einfach toll.«

»Setzen Sie sich doch.« Er schnitt einen kleinen Zimtkuchen auf einem Plastikteller in Keile. »Greifen Sie zu.«

Sie riß sich mit Mühe von der Vitrine los und nahm ein Stückchen, während sie sich auf einen der zwei gepolsterten Stühle vor seinem Schreibtisch fallen ließ. Der Stoff hatte die gleiche Farbe wie die Koralle in der Vitrine.

»Ich sehe, Sie haben den Stoff darauf abgestimmt …« Sie deutete auf den Schaukasten.

»Reiner Zufall, Wetzon.« Er lächelte auf seine träge Art.

»Das soll ich glauben!« Sie biß in das Stückchen. Es war überraschend frisch und locker.

Er sah sie erwartungsvoll an. Als sie seinen Wink nicht aufnahm, begann er in seiner gedehnten Redeweise. »Erzählen Sie mir nicht, daß Sie sich darauf verlegt haben, Makler hier im Morgengrauen an einem Samstag zu sprechen.«

»Nein, Dougie. Keinen Makler, obwohl ich dafür bekannt bin, Leute an seltsamen Orten zu seltsamen Tageszeiten zu treffen. Sie wissen doch, was für Spinner die Makler sind.«

Er lächelte sie an, der kahle Schädel glänzend im hellen Sonnenlicht.

»Ich werde Ihnen nichts erzählen, Dougie, versuchen Sie also nicht, etwas aus mir herauszulocken.« Sie nahm noch ein Stückchen von dem Gebäck. »Das schmeckt. Nicht dieses klebrige Zeug, was man sonst bekommt.«

»Wetzon!« Er mimte Entsetzen. »Sie wissen daß ich Ihren Lippen nicht so minderwertiges Zeug anbieten würde. Nein, nein. Eine unserer Angestellten hat Beziehungen zu Gourmetbackwaren. Wir werden an sechs Tagen in der Woche beliefert. Sonntags ist man auf sich selbst gestellt.« Er nahm das letzte Stück und aß es. »Also Wetzon, mein Ehrenwort als Gentleman aus dem Süden, daß ich nichts verrate …«

»Nein. Ich behalte vertrauliche Dinge für mich.«

»Das weiß ich, Sie sind ein echter Profi. Jeder in Wall Street respektiert Sie. Sie haben eine prima Firma, und wir verlassen uns darauf, daß Sie uns weiterhin die erstklassigen Leute schicken, die Sie selbst immer gewesen sind.«

»Na, Dougie, wenn das kein netter Werbespot ist. Legen Sie doch ein gutes Wort bei Hoffritz für uns ein.«

Dougie lächelte, hob langsam seine Füße in den Cole-Haan-Mokassins auf den Schreibtisch und lehnte sich auf dem Ledersessel zurück. »Nun, Wetzon, Sie wissen doch, daß Sie bei Hoffritz nie die Anerkennung finden, die Sie verdienen, weil Sie sich zum Pinkeln setzen.«

Sie starrte ihn einen Moment an, nicht sicher, ob sie sich nicht verhört hatte. »Ich bin nicht sicher, ob ich verstanden habe, was Sie sagten.«

Es kostete Mühe, das Gesicht nicht zu verziehen.

»Sie haben richtig gehört.« Er war todernst.

Sie mußte lachen. Sie konnte es nicht verkneifen. »Das mag ich so an Ihnen, Dougie, Sie nehmen kein Blatt vor den Mund.«

Ein gedämpfter Schrei, die Tonlage einer Frau.

Ihre Blicke begegneten sich. Wetzon war zuerst an der Tür und riß sie auf.

Der Schrei klang gequält und kam vom Stockwerk darunter.

Tödliche Option

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