| Also rief ihm die Göttin. Der herrliche Dulder Odysseus |
200 | Freute sich, einen gewogenen Mann im Volke zu sehen;Und mit leichterem Herzen begann er zu den Phäaken: Schleudert jetzo mir nach, ihr Jünglinge! Bald soll die andre, Hoff’ ich, eben so weit, vielleicht noch weiter, entfliegen!Jeden anderen Kampf, wem Herz und Mut ihn gebietet, |
205 | Komm und versuch’ ihn mit mir; denn ihr habt mich höchlich beleidigt!Auf die Faust, im Ringen, im Lauf, ich weigre mich keines!Jeder phäakische Mann, nur nicht Laodamas, komme!Denn er ist mein Wirt! Wer kämpfte mit seinem Beschützer?Wahrlich vernunftlos ist und keines Wertes der Fremdling, |
210 | Welcher in fernem Lande den Freund, der ihn speiset und herbergt,Zum Wettkampfe beruft; er opfert sein eigenes Wohl hin.Sonst werd’ ich keinen von euch ausschlagen oder verachten,Sondern jeden erkennen, und seine Stärke versuchen.So gar schlecht bin ich, traun! in keinem Kampfe der Männer! |
215 | Wohl versteh’ ich die Kunst, den geglätteten Bogen zu spannen;Ja ich träfe zuerst im Haufen feindlicher MännerMeinen Mann mit dein Pfeil, und stünden auch viele GenossenNeben mir, und zielten mit straffem Geschoß auf die Feinde.Philoktetes allein übertraf mich an Kunde des Bogens, |
220 | Als vor Ilions Stadt wir Achaier im Schnellen uns übten.Doch vor den übrigen Schützen behaupt’ ich selber den Vorrang,So viel Sterbliche jetzo die Frucht des Halmes genießen.Denn mit der Vorzeit Helden verlang’ ich keine Vergleichung,Weder mit Eurytos, dem Öchalier, noch mit Herakles, |
225 | Die den Unsterblichen sich an Bogenkunde verglichen.Drum starb Eurytos auch so plötzlich, ehe das AlterIhn im Hause beschlich; denn zürnend erschoß ihn Apollon,Weil er ihn selbst, der Vermeßne, zum Bogenstreite gefodert.Und mit dem Wurfspieß treff’ ich so weit, als kein andrer mit Pfeilen. |
230 | Bloß an Schnelle der Füße besorg’ ich, daß der PhäakenEiner vielleicht mich besiege. So über die Maßen entkräftetHat mich das stürmende Meer! Denn ich saß nicht eben mit ZehrungReichlich versorgt im Schiff; drum schwand die Stärke den Gliedern. Also sprach er, und alle verstummten umher, und schwiegen. |
235 | Endlich hub Alkinoos an, und sprach zu Odysseus: Fremdling, wir sagen dir Dank, daß du uns solches verkündest, Und die glänzende Tugend uns aufhellst, die dich begleitet;Zürnend, weil dieser Mann dich vor den Kämpfern geschmäht hat.Künftig soll deine Tugend gewiß kein Sterblicher tadeln, |
240 | Welcher Verstand besitzt, anständige Worte zu reden!Aber höre nun auch mein Wort, damit du es andernHelden erzählen kannst, wann du in deinem PalasteSitzest bei deinem Weib und deinen Kindern am Mahle,Und dich unserer Tugend und unserer Taten erinnerst, |
245 | Welche beständig Zeus von der Väter Zeiten uns anschuf.Denn wir suchen kein Lob im Faustkampf oder im Ringen;Aber die hurtigsten Läufer sind wir, und die trefflichsten Schiffer,Lieben nur immer den Schmaus, den Reigentanz, und die Laute,Oft veränderten Schmuck, und warme Bäder, und Ruhe. |
250 | Auf denn, und spielt vor uns, ihr besten phäakischen Tänzer:Daß der Fremdling davon bei seinen Freunden erzähle,Wann er zu Hause kommt, wie wir vor allen geübt sind,In der Lenkung des Schiffes, im Lauf, im Tanz und Gesange.Einer gehe geschwind, und hole die klingende Harfe |
255 | Für Demodokos her, die in unserem Hause wo lieget. Also sagte der Held Alkinoos. Aber der Herold Eilte zur Königsburg, die klingende Harfe zu holen. Jetzo erhuben sich auch die neun Kampfrichter vom Sitze, Welche das Volk bestellt die edlen Spiele zu ordnen, |
260 | Maßen und ebneten schnell die schöne Fläche des Reigens. Aber der Herold kam und brachte die klingende Harfe Für Demodokos her. Er trat in die Mitte, und um ihnStanden die blühenden Jüngling’, erfahren im bildenden Tanze;Und mit gemessenen Tritten entschwebten sie. Aber Odysseus |
265 | Sah voll stiller Bewundrung die fliegende Eile der Füße. Lieblich rauschte die Harfe; dann hub der schöne Gesang an. Ares Liebe besang und Aphroditens der Meister,Wie sich beide zuerst in Hephästos’ prächtiger WohnungHeimlich vermischt. Viel schenkte der Gott, und entehrte des hohen |
270 | Feuerbeherrschers Lager. Doch plötzlich bracht’ ihm die BotschaftHelios, der sie gesehn in ihrer geheimen Umarmung.Aber sobald Hephästos die kränkende Rede vernommen,Eilet’ er schnell in die Esse, mit rachevollen Entwürfen:Stellt auf den Block den gewaltigen Amboß, und schmiedete starke |
275 | Unauflösliche Ketten, um fest und auf ewig zu binden.Und nachdem er das trügliche Werk im Zorne vollendet,Ging er in das Gemach, wo sein Hochzeitbette geschmückt war,Und verbreitete rings um die Pfosten kreisende Bande;Viele spannt er auch oben herab vom Gebälke der Kammer, |
280 | Zart wie Spinnengewebe, die keiner zu sehen vermöchte,Selbst von den seligen Göttern: so wunderfein war die Arbeit!Und nachdem er den ganzen Betrug um das Lager verbreitet,Ging er gleichsam zur Stadt der schöngebaueten Lemnos,Die er am meisten liebt von allen Ländern der Erde. |
285 | Ares schlummerte nicht, der Gott mit goldenen Zügeln,Als er verreisen sahe den kunstberühmten Hephästos.Eilend ging er zum Hause des klugen Feuerbeherrschers,Hingerissen von Liebe zu seiner schönen Gemahlin.Aphrodite war eben vom mächtigen Vater Kronion |
290 | Heimgekehrt und saß. Er aber ging in die Wohnung,Faßte der Göttin Hand, und sprach mit freundlicher Stimme: Komm, Geliebte, zu Bette, der süßen Ruhe zu pflegen! Denn Hephästos ist nicht daheim; er wandert vermutlichZu den Sintiern jetzt, den rauhen Barbaren in Lemnos. |
295 | Also sprach er, und ihr war sehr willkommen die Ruhe. Und sie bestiegen das Lager, und schlummerten. Plötzlich umschlangenSie die künstlichen Bande des klugen Erfinders Hephästos;Und sie vermochten kein Glied zu bewegen oder zu heben.Aber sie merkten es erst, da ihnen die Flucht schon gehemmt war. |
300 | Jetzo nahte sich ihnen der hinkende Feuerbeherrscher.Dieser kehrte zurück, bevor er Lemnos erreichte,Denn der lauschende Gott der Sonne sagt’ ihm die Tat an.Eilend ging er zu Hause, mit tiefbekümmerter Seele,Stand in dem Vorsaal still; und der rasende Eifer ergriff ihn. |
305 | Fürchterlich ruft er aus, und alle Götter vernahmen’s: Vater Zeus, und ihr andern, unsterbliche selige Götter! Kommt und schaut den abscheulichen unausstehlichen Frevel:Wie mich lahmen Mann die Tochter Zeus’ AphroditeJetzo auf immer beschimpft, und Ares den Bösewicht herzet; |
310 | Darum, weil jener schön ist und grade von Beinen, ich aberSolche Krüppelgestalt! Doch keiner ist schuld an der Lähmung,Als die Eltern allein! O hätten sie nimmer gezeuget!Aber seht doch, wie beid’ in meinem eigenen BetteRuhn, und der Wollust pflegen! Das Herz zerspringt mir beim Anblick! |
315 | Künftig möchten sie zwar, auch nicht ein Weilchen, so liegen!Wie verbuhlt sie auch sind, sie werden nicht wieder verlangen,So zu ruhn! Allein ich halte sie fest in der Schlinge,Bis der Vater zuvor mir alle Geschenke zurückgibt,Die ich als Bräutigam gab für sein schamloses Gezüchte! |
320 | Seine Tochter ist schön, allein unbändiges Herzens! Also sprach er. Da eilten zum ehernen Hause die Götter: Poseidaon kam, der Erdumgürter; und HermesKam, der Bringer des Heils; es kam der Schütze Apollon.Aber die Göttinnen blieben vor Scham in ihren Gemächern. |
325 | Jetzo standen die Götter, die Geber des Guten, im Vorsaal;Und ein langes Gelächter erscholl bei den seligen Göttern,Als sie die Künste sahn des klugen Erfinders Hephästos.Und man wendete sich zu seinem Nachbar, und sagte: Böses gedeihet doch nicht; der Langsame haschet den Schnellen! |
330 | Also ertappt Hephästos, der Langsame, jetzo den Ares,Welcher am hurtigsten ist von den Göttern des hohen Olympos,Er der Lahme, durch Kunst. Nun büßt ihm der Ehebrecher! Also besprachen sich die Himmlischen untereinander. Aber zu Hermes sprach Zeus’ Sohn, der Herrscher Apollon: |
335 | Hermes, Zeus’ Gesandter und Sohn, du Geber des Guten, Hättest du auch wohl Lust, von so starken Banden gefesselt,In dem Bette zu ruhn bei der goldenen Aphrodite? Ihm erwiderte darauf der geschäftige Argosbesieger: O geschähe doch das, ferntreffender Herrscher Apollon! |
340 | Fesselten mich auch dreimal so viel unendliche Bande,Und ihr Götter sähet es an, und die Göttinnen alle:Siehe so schlief’ ich doch bei der goldenen Aphrodite! Also sprach er; da lachten laut die unsterblichen Götter. Nur Poseidon lachte nicht mit; er wandte sich bittend |
345 | Zum kunstreichen Hephästos, den Kriegsgott wieder zu lösen.Und er redet’ ihn an, und sprach die geflügelten Worte: Lös’ ihn! Ich stehe dafür: er soll, wie du es verlangest, Vor den unsterblichen Göttern dir alles bezahlen, was recht ist. Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherrscher: |
350 | Fodere solches nicht, du Erdumgürter Poseidon!Elende Sicherheit gibt von Elenden selber die Bürgschaft.Sage, wie könnt’ ich dich vor den ewigen Göttern verbinden,Flöhe nun Ares fort, der Schuld und den Banden entrinnend? Ihm erwiderte drauf der Erderschüttrer Poseidon: |
355 | Nun Hephästos, wofern denn auch Ares fliehend hinwegeilt,Um der Schuld zu entgehn; ich selbst will dir dieses bezahlen! Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherrscher: Unrecht wär’ es und grob, dir deine Bitte zu weigern. Also sprach er, und löste das Band, der starke Hephästos. |
360 | Und kaum fühlten sich beide der mächtigen Fessel entledigt,Sprangen sie hurtig empor. Der Kriegsgott eilte gen Threke.Aber nach Kypros ging Aphrodite, die Freundin des Lächelns,In den paphischen Hain, zum weihrauchduftenden Altar.Allda badeten sie die Charitinnen, und salbten |
365 | Sie mit ambrosischem Öle, das ewige Götter verherrlicht;Schmückten sie dann mit schönen und wundervollen Gewanden. Also sang der berühmte Demodokos. Aber Odysseus Freute sich des Gesangs von Herzen; es freuten sich mit ihmAlle Phäaken, die Führer der langberuderten Schiffe. |
370 | Und Alkinoos hieß den mutigen Halios einzeln Mit Laodamas tanzen, weil keiner mit ihnen sich wagte.Diese nahmen sogleich den schönen Ball in die Hände,Welchen Polybos künstlich aus purpurner Wolle gewirket.Einer schleuderte diesen empor zu den schattigen Wolken, |
375 | Rückwärts gebeugt; dann sprang der andere hoch von der ErdeAuf, und fing ihn behend’, eh’ sein Fuß den Boden berührte.Und nachdem sie den Ball gradauf zu schleudern versuchet,Tanzten sie schwebend dahin auf der allernährenden Erde,Mit oft wechselnder Stellung; die andern Jünglinge klappten |
380 | Rings im Kreise dazu; es stieg ein lautes Getös’ auf.Und zu Alkinoos sprach der göttergleiche Odysseus: Weitgepriesener Held, Alkinoos, mächtigster König! Siehe du rühmtest dich der trefflichsten Tänzer auf Erden,Und du behauptest den Ruhm! Mit Staunen erfüllt mich der Anblick. |
385 | Aber die heilige Macht Alkinoos’ erfreute sich innig. Und er redete schnell zu den ruderliebenden Männern: Merket auf, der Phäaken erhabene Fürsten und Pfleger! Dieser Fremdling scheint mir ein Mann von großem Verstande.Laßt uns ihm ein Geschenk, wie das Gastrecht fodert, verehren. |
390 | Denn in unserm Volke sind zwölf ehrwürdige Fürsten,Welche Gerechtigkeit üben; und mir gehorchen die zwölfe.Jeder von diesen hole nun einen Mantel und Leibrock,Sauber und fein, samt einem Talente des köstlichen Goldes.Dieses wollen wir alle zugleich dem Fremdlinge bringen, |
395 | Daß er fröhlichen Mutes zum Abendschmause sich setze.Aber Euryalos soll mit Worten und mit GeschenkenIhn versöhnen; denn nicht anständig hat er geredet. |