Читать книгу Die großen Klassiker der Antike - Aristoteles - Страница 117
Neunter Gesang
ОглавлениеOdysseus erzählt seine Irrfahrt von Troja. Siegende Kikonen. Bei Maleia Nordsturm, der ihn ins Unbekannte zu den Lotophagen verschlägt. Dorther zu den einäugigen Kyklopen verirrt, besucht er Poseidons Sohn Polyphemos, der sechs seiner Genossen frißt, dann, im Schlafe geblendet, den Fliehenden Felsstücke nachschleudert.
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:Weitgepriesener Held, Alkinoos, mächtigster König,Wahrlich es füllt mit Wonne das Herz, dem Gesange zu horchen,Wenn ein Sänger, wie dieser, die Töne der Himmlischen nachahmt. | |
5 | Denn ich kenne gewiß kein angenehmeres Leben,Als wenn ein ganzes Volk ein Fest der Freude begehet,Und in den Häusern umher die gereiheten Gäste des SängersMelodieen horchen, und alle Tische bedeckt sindMit Gebacknem und Fleisch, und der Schenke den Wein aus dem Kelche |
10 | Fleißig schöpft, und ringsum die vollen Becher verteilet.Siehe das nennet mein Herz die höchste Wonne des Lebens! Jetzo gefällt es dir, nach meinen kläglichen Leiden Mich zu fragen, damit ich noch mehr mein Elend beseufze.Aber was soll ich zuerst, was soll ich zuletzt dir erzählen? |
15 | Denn viel Elend häuften auf mich die himmlischen Götter!Sagen will ich zuerst, wie ich heiße: damit ihr mich kennet,Und ich hinfort, so lange der grausame Tag mich verschonet,Euer Gastfreund sei, so fern ich von hinnen auch wohne.Ich hin Odysseus, Laertes Sohn, durch mancherlei Klugheit |
20 | Unter den Menschen bekannt; und mein Ruhm erreichet den Himmel.Ithakas sonnige Höhn sind meine Heimat; in dieserTürmet sich Neritons Haupt mit rauschenden Wipfeln; und ringsumDicht aneinander gesät, sind viele bevölkerte Inseln,Same, Dulichion und die waldbewachsne Zakynthos. |
25 | Ithaka liegt in der See am höchsten hinauf an die Feste,Gegen den Nord; die andern sind östlich und südlich entfernet.Rauh ist diese, doch nähret sie rüstige Männer; und wahrlichSüßer als Vaterland ist nichts auf Erden zu finden!Siehe mich hielt bei sich die hehre Göttin Kalypso |
30 | In der gewölbeten Grotte, und wünschte mich zum Gemahle;Ebenso hielt mich auch die ääische Zauberin KirkeTrüglich in ihrem Palast, und wünschte mich zum Gemahle:Aber keiner gelang es, mein standhaftes Herz zu bewegen.Denn nichts ist doch süßer, als unsere Heimat und Eltern, |
35 | Wenn man auch in der Fern’ ein Haus voll köstlicher Güter,Unter fremden Leuten, getrennt von den Seinen, bewohnet! Aber wohlan! vernimm itzt meine traurige Heimfahrt, Die mir der Donnerer Zeus vom troischen Ufer beschieden.Gleich von Ilion trieb mich der Wind zur Stadt der Kikonen |
40 | Ismaros hin. Da verheert’ ich die Stadt, und würgte die Männer.Aber die jungen Weiber und Schätze teilten wir alleUnter uns gleich, daß keiner leer von der Beute mir ausging.Jetzo warnet’ ich zwar die Freunde, mit eilendem FußeWeiter zu fliehn; allein die Unbesonnenen blieben. |
45 | Und nun ward in dem Weine geschwelgt, viel Ziegen und SchafeAn dem Ufer geschlachtet, und viel schwerwandelndes Hornvieh.Aber es riefen indes die zerstreuten Kikonen die andernNahen Kikonen zu Hilfe, die tapferer waren und stärker,Aus der Mitte des Landes. Sie waren geübt, von den Wagen, |
50 | Und wenn es nötig war, zu Fuß mit dem Feinde zu kämpfen.Zahllos schwärmten sie jetzt, wie die Blätter und Blumen des Frühlings,Mit dem Morgen daher. Da suchte Gottes VerderbenUns Unglückliche heim, und überhäuft’ uns mit Jammer.Bei den rüstigen Schiffen begann die wütende Feldschlacht, |
55 | Und von Treffen zu Treffen entschwirrten die ehernen Lanzen.Weil der heilige Tag noch mit dem Morgen emporstieg,Wehrten wir uns, und trotzten der Übermacht der Kikonen.Aber da nun die Sonne zur Stunde des StierabspannensSank, da siegte der Feind, und zwang die Achaier zum Weichen. |
60 | Jedes der Schiffe verlor sechs wohlgeharnischte Männer;Und wir andern entflohn dem schrecklichen Todesverhängnis. Also steuerten wir mit trauriger Seele von dannen, Froh der bestandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefährten.Doch nicht eher enteilten die gleichgeruderten Schiffe, |
65 | Ehe wir dreimal jedem der armen Freunde gerufen,Welche der siegende Feind auf dem Schlachtgefilde getötet.Aber nun sandt’ auf die Schiffe der Wolkenversammler des NordwindsFürchterlich heulenden Sturm, verhüllt in dicke GewölkeMeer und Erde zugleich; und dem düstern Himmel entsank Nacht. |
70 | Schnell mit gesunkenen Masten entflohen die Schiff’; und mit einmalRasselte rauschend der Sturm, und zerriß die flatternden Segel.Eilend zogen wir sie, aus Furcht zu scheitern, herunter,Und arbeiteten uns mit dem Ruder ans nahe Gestade.Zwo graunvolle Nächte und zween langwierige Tage |
75 | Lagen wir mutlos dort, von Arbeit und Kummer entkräftet.Aber da nun die dritte der Morgenröten emporstieg,Richteten wir die Masten, und spannten die schimmernden Segel,Setzten uns hin, und ließen vom Wind’ und Steuer uns lenken.Jetzo hofften wir sicher den Tag der fröhlichen Heimkehr. |
80 | Aber als wir die Schiff um Maleia lenkten, da warf unsPlötzlich die Flut und der Strom und der Nordwind fern von Kythera.Und neun Tage trieb ich, von wütenden Stürmen geschleudert,Über das fischdurchwimmelte Meer; am zehnten gelangt’ ichHin zu den Lotophagen, die blühende Speise genießen. |
85 | Allda stiegen wir an das Gestad’, und schöpften uns Wasser. Eilend nahmen die Freunde das Mahl bei den rüstigen Schiffen.Und nachdem wir uns alle mit Trank und Speise gesättigt,Sandt’ ich einige Männer voran, das Land zu erkunden,Was für Sterbliche dort die Frucht des Halmes genössen: |
90 | Zween erlesene Freund’; ein Herold war ihr Begleiter.Und sie erreichten bald der Lotophagen Versammlung.Aber die Lotophagen beleidigten nicht im geringstenUnsere Freunde; sie gaben den Fremdlingen Lotos zu kosten.Wer nun die Honigsüße der Lotosfrüchte gekostet, |
95 | Dieser dachte nicht mehr an Kundschaft oder an Heimkehr:Sondern sie wollten stets in der Lotophagen GesellschaftBleiben, und Lotos pflücken, und ihrer Heimat entsagen.Aber ich zog mit Gewalt die Weinenden wieder ans Ufer,Warf sie unter die Bänke der Schiff, und band sie mit Seilen. |
100 | Drauf befahl ich und trieb die übrigen lieben Gefährten,Eilend von dannen zu fliehn, und sich in die Schiffe zu retten,Daß man nicht, vom Lotos gereizt, der Heimat vergäße.Und sie traten ins Schiff, und setzten sich hin auf die Bänke,Saßen in Reihn, und schlugen die graue Woge mit Rudern. |
105 | Also steuerten wir mit traurigen Seele von dannen. Und zum Lande der wilden gesetzelosen KyklopenKamen wir jetzt, der Riesen, die im Vertraun auf die GötterNimmer pflanzen noch sä‘n, und nimmer die Erde beackern.Ohne Samen und Pfleg’ einkeimen alle Gewächse, |
110 | Weizen und Gerste dem Boden, und edle Reben, die tragenWein in geschwollenen Trauben, und Gottes Regen ernährt ihn.Dort ist weder Gesetz, noch öffentliche Versammlung;Sondern sie wohnen all’ auf den Häuptern hoher GebirgeIn gehöhleten Felsen; und jeder richtet nach Willkür |
115 | Seine Kinder und Weiber, und kümmert sich nicht um den andern. Gegenüber der Bucht des Kyklopenlandes erstreckt sich, Weder nahe noch fern, ein kleines waldichtes Eiland,Welches unzählige Scharen von wilden Ziegen durchstreifen.Denn kein menschlicher Fuß durchdringt die verwachsene Wildnis; |
120 | Und nie scheuchet sie dort ein spürender Jäger, der mühsamSich durch den Forst arbeitet, und steile Felsen umklettert.Nirgends weidet ein Hirt, und nirgends ackert ein Pflüger;Unbesäet liegt und unbeackert das EilandEwig menschenleer, und nähret nur meckernde Ziegen. |
125 | Denn es gebricht den Kyklopen an rotgeschnäbelten Schiffen,Auch ist unter dem Schwarm kein Meister, kundig des Schiffbaus,Schöngebordete Schiffe zu zimmern, daß sie mit BotschaftZu den Völkern der Welt hinwandelten: wie sich so häufigMenschen über das Meer in Schiffen einander besuchen; |
130 | Welche die Wildnis bald zu blühenden Auen sich schüfen.Denn nicht karg ist das Land, und schmückte jegliche Jahrszeit.Längs des grauen Meeres Gestade winden sich Wiesen,Reich an Quellen und Klee. Dort rankten die edelsten Reben;Und leicht pflügte der Pflug, und dicke Saatengefilde |
135 | Reiften jährlich der Ernte; denn fett ist unten der Boden.Und der Hafen so sicher! Kein Schiff bedarf da der Fessel,Weder geworfener Anker, noch angebundener Seile;Sondern es läuft auf den Sand, und ruhet, bis es dem SchifferWeiter zu fahren beliebt, und günstige Winde sich heben. |
140 | Oben am Ende der Bucht entrieselt der felsichten GrotteSilberblinkend ein Quell, von Pappelweiden umschattet.Allda landeten wir. Ein Gott war unser GeleiterDurch die finstere Nacht: wir sahn nicht, wohin wir uns wandten.Dickes Dunkel umdrängte die Schiff’; es leuchtet’ am Himmel |
145 | Weder Mond noch Stern, in schwarze Wolken gehüllet.Niemand erblickte daher mit seinen Augen die Insel;Selbst die langen Wogen, die hin ans Ufer sich wälzten,Sahen wir nicht, bevor die starken Schiffe gelandet.Und nachdem wir gelandet, da zogen wir nieder die Segel, |
150 | Stiegen dann aus den Schiffen ans krumme Gestade des Meeres,Schlummerten dort ein wenig, und harrten der heiligen Frühe. Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, Wanderten wir umher, und besahen wundernd das Eiland.Und es trieben die Nymphen, Kronions liebliche Töchter, |
155 | Kletternde Ziegen uns hin, zum Schmause meiner Gefährten.Eilend holten wir Bogen und langgeschaftete SpießeAus den Schiffen hervor, und in drei Geschwader geordnetSchossen wir frisch; und Gott erfreut’ uns mit reichlichem Wildbret.Zwölf war die Zahl der Schiffe, die mir gehorchten; und jedem |
160 | Teilte das Los neun Ziegen, und zehn erlas ich mir selber.Also saßen wir dort den Tag, bis die Sonne sich neigte,An der Fülle des Fleisches und süßen Weines uns labend.Denn noch war in den Schiffen der rote Wein nicht versieget,Sondern wir hatten genung; denn reichlich schöpften wir alle |
165 | In die Eimer, da wir die Stadt der Kikonen beraubten.Und wir sahen den Rauch des Kyklopenlandes, und hörtenIhre murmelnde Stimm’, und die Stimme der Ziegen und Schafe.Als die Sonne nun sank, und Dunkel die Erde bedeckte,Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauschenden Meeres. |
170 | Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, Rief ich alle Gefährten zur Ratsversammlung, und sagte: Bleibt ihr übrigen jetzt, ihr meine lieben Gefährten. Ich und meine Genossen wollen im Schiffe hinüberFahren, und Kundschaft holen, was dort für Sterbliche wohnen: |
175 | Ob unmenschliche Räuber, und sittenlose Barbaren;Oder Diener der Götter, und Freunde des heiligen Gastrechts. Also sprach ich, und trat ins Schiff, und befahl den Gefährten, Einzusteigen, und schnell die Seile vom Ufer zu lösen.Und sie traten ins Schiff, und setzten sich hin auf die Bänke, |
180 | Saßen in Reihn und schlugen die graue Woge mit Rudern. |