| Also sprach ich; und schnell gehorchten sie meinem Befehle,Kamen aus ihren Hüllen, am Ufer des wüsten Meeres, |
180 | Und verwunderten sich des riesenmäßigen Hirsches.Und nachdem sie die Augen an seiner Größe geweidet,Wuschen sie ihre Hände, das herrliche Mahl zu bereiten.Also saßen wir dort den Tag bis die Sonne sich neigte,An der Fülle des Fleisches und süßen Weines uns labend. |
185 | Als die Sonne nun sank, und Dunkel die Erde bedeckte,Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauschenden Meeres.Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,Rief ich alle Gefährten zur Ratsversammlung, und sagte: Höret jetzo mich an, ihr meine Genossen im Unglück! |
190 | Freunde, wir wissen ja nicht, wo Abend oder wo Morgen;Nicht, wo die leuchtende Sonne sich unter die Erde hinabsenkt,Noch, wo sie wiederkehrt: drum müssen wir schnell uns bedenken,Ist noch irgend ein Rat; ich sehe keinen mehr übrig.Denn ich umschauete dort von der Höhe des zackichten Felsens |
195 | Diese Insel, die rings das unendliche Meer umgürtet,Nahe liegt sie am Land’; und in der Mitte der InselSah ich Rauch, der hinter dem dicken Gebüsche hervorstieg. Also sprach ich; und ihnen brach das Herz vor Betrübnis, Da sie des Lästrygonen Antiphates Taten bedachten, |
200 | Und des Kyklopen Gewalt, des grausamen Menschenfressers.Und sie weineten laut, und vergossen häufige Tränen.Aber sie konnten ja nichts mit ihrer Klage gewinnen. Jetzo teilt’ ich die Schar der wohlgeharnischten Freunde In zween Haufen, und gab jedwedem einen Gebieter. |
205 | Diesen führte ich selbst, der edle Eurylochos jenen.Eilend schüttelten wir im ehernen Helme die Lose;Und das Los des beherzten Eurylochos sprang ans dem Helme.Dieser machte sich auf mit zweiundzwanzig Gefährten;Weinend gingen sie fort, und verließen uns traurend am Ufer. |
210 | Und sie fanden im Tal des Gebirgs die Wohnung der Kirke, Von gehauenen Steinen, in weitumschauender Gegend.Ihn umwandelten rings Bergwölfe und mähnichte Löwen,Durch die verderblichen Säfte der mächtigen Kirke bezaubert.Diese sprangen nicht wild auf die Männer, sondern sie stiegen |
215 | Schmeichelnd an ihnen empor mit langen wedelnden Schwänzen.Also umwedeln die Hunde den Hausherrn, wenn er vom SchmauseWiederkehrt; denn er bringt beständig leckere Bissen:Also umwedelten sie starkklauige Löwen und Wölfe.Aber sie fürchteten sich vor den schrecklichen Ungeheuern. |
220 | Und sie standen am Hofe der schöngelocketen Göttin,Und vernahmen im Haus anmutige Melodieen.Singend webete Kirke den großen unsterblichen Teppich,Fein und lieblich und glänzend, wie aller Göttinnen Arbeit.Unter ihnen begann der Völkerführer Polites, |
225 | Welcher der liebste mir war und geehrteste meiner Genossen: Freunde, hier wirket jemand, und singt am großen Gewebe Reizende Melodieen, daß rings das Getäfel ertönet;Eine Göttin, oder ein Weib; wir wollen ihr rufen! Also sprach Polites; die Freunde gehorchten, und riefen. |
230 | Jene kam, und öffnete schnell die strahlende Pforte,Nötigte sie; und alle, die Unbesonnenen, folgten.Nur Eurylochos blieb, denn er vermutete Böses.Und sie setzte die Männer auf prächtige Sessel und Throne,Mengte geriebenen Käse mit Mehl und gelblichem Honig |
235 | Unter pramnischen Wein, und mischte betörende SäfteIn das Gericht, damit sie der Heimat gänzlich vergäßen.Als sie dieses empfangen und ausgeleeret, da rührteKirke sie mit der Rute, und sperrte sie dann in die Köfen.Denn sie hatten von Schweinen die Köpfe, Stimmen und Leiber, |
240 | Auch die Borsten; allein ihr Verstand blieb völlig, wie vormals.Weinend ließen sie sich einsperren; da schüttete KirkeIhnen Eicheln und Buchenmast, und rote KornellenVor, das gewöhnliche Futter der erdaufwühlenden Schweine. Und Eurylochos kam zu dem schwärzlichen Schiffe geeilet, |
245 | Uns das herbe Verhängnis der übrigen Freunde zu melden.Aber er konnte kein Wort aussprechen, so gern er auch wollte.Denn die entsetzliche Angst beklemmte sein Herz; die AugenWaren mit Tränen erfüllt, und Jammer umschwebte die Seele.Lange hatten wir all’ ihn voll Erstaunen befraget; |
250 | Endlich hub er an, und erzählte der Freunde Verderben: Edler Odysseus, wir gingen, wie du befahlst, durch die Waldung! Fanden im Tal des Gebirgs die schöngebauete Wohnung,Von gehauenen Steinen, in weitumschauender Gegend!Allda wirkte jemand, und sang am großen Gewebe: |
255 | Eine Göttin, oder ein Weib! Ihr riefen die andern!Jene kam, und öffnete schnell die strahlende Pforte,Nötigte sie; und alle, die Unbesonnenen! folgten.Ich allein blieb draußen, denn ich vermutete Böses!Aber mit einmal waren die andern verschwunden, und keiner |
260 | Kehrte zurück; so lang’ ich auch saß, und nach ihnen mich umsah! Also sprach er; und ich warf eilend das silberbeschlagne Große eherne Schwert um die Schulter, samt Bogen und Köcher;Und befahl ihm, mich gleich des selbigen Weges zu führen.Aber er faßte mir flehend mit beiden Händen die Kniee, |
265 | Und wehklagete laut, und sprach die geflügelten Worte: Göttlicher, lasse mich hier, und führe mich nicht mit Gewalt hin! Denn ich weiß es, du kehrst nicht wieder von dannen, und bringestKeinen Gefährten zurück! Drum laß uns geschwinde mit diesenFliehn! Vielleicht daß wir noch dem Tage des Fluches entrinnen! |
270 | Also sprach er; und ich antwortete wieder, und sagte: Nun so bleibe denn du, Eurylochos, hier auf der Stelle!Iß und trink dich satt, bei dem schwarzen gebogenen Schiffe!Aber ich geh’ allein! denn ich fühle die Not, die mich hintreibt! Also sprach ich, und ging von dem Schiff’ und dem Ufer des Meeres. |
275 | Jetzo nähert’ ich mich, die heiligen Tale durchwandelnd,Schon dem hohen Palaste der furchtbaren Zauberin Kirke;Da begegnete mir Hermeias mit goldenem StabeAuf dem Wege zur Burg, an Gestalt ein blühender Jüngling,Dessen Wange sich bräunt, im holdesten Reize der Jugend. |
280 | Dieser gab mir die Hand, und sagte mit freundlicher Stimme: Armer, wie gehst du hier so allein durch die bergichte Waldung, Da du die Gegend nicht kennst? Bei Kirke sind deine GefährtenEingesperrt, wie Schweine, in dichtverschlossenen Ställen.Gehst du etwa dahin, sie zu retten? Ich fürchte, du kehrest |
285 | Nicht von dannen zurück, du bleibest selbst bei den andern.Aber wohlan! ich will dich vor allem Übel bewahren!Nimm dies heilsame Mittel, und gehe zum Hause der Kirke,Sicher, von deinem Haupte den Tag des Fluches zu wenden.Alle verderblichen Künste der Zauberin will ich dir nennen. |
290 | Weinmus rührt sie dir ein, und mischt ihr Gift in die Speise:Dennoch gelingt es ihr nicht, dich umzuschaffen; die TugendDieser heilsamen Pflanze verhindert sie. Höre nun weiter.Wann dich Kirke darauf mit der langen Rute berühret,Siehe dann reiße du schnell das geschliffene Schwert von der Hüfte, |
295 | Spring auf die Zauberin los, und drohe sie gleich zu erwürgen.Diese wird in der Angst zu ihrem Lager dich rufen;Und nun weigre dich nicht, und besteige das Lager der Göttin,Daß sie deine Gefährten erlös’, und dich selber bewirte.Aber sie schwöre zuvor der Seligen großen Eidschwur, |
300 | Daß sie bei sich nichts anders zu deinem Schaden beschlossen;Daß sie dir Waffenlosen nicht raube Tugend und Stärke. Also sprach Hermeias, und gab mir die heilsame Pflanze, Die er dem Boden entriß, und zeigte mir ihre Natur an:Ihre Wurzel war schwarz, und milchweiß blühte die Blume; |
305 | Moly wird sie genannt von den Göttern. Sterblichen MenschenIst sie schwer zu graben; doch alles vermögen die Götter. Und der Argosbesieger enteilte zum hohen Olympos Durch die waldichte Insel; ich ging zum Hause der KirkeHin, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele. |
310 | Und ich stand an der Pforte der schöngelocketen Göttin,Stand und rief; und die Göttin vernahm des Rufenden StimmeKam sogleich, und öffnete mir die strahlende Pforte,Nötigte mich herein; und ich folgte mit traurigem Herzen.Hierauf führte sie mich zu ihrem silberbeschlagnen |
315 | Schönen prächtigen Thron, mit füßestützendem Schemel,Mischte mir dann ein Gemüs’ im goldenen Becher zu trinken,Und vergiftet’ es tückisch mit ihrem bezaubernden Safte.Und sie reichte mir’s hin; ich trank es, und ohne Verwandlung.Drauf berührte sie mich mit der Zauberrute, und sagte: |
320 | Gehe nun in den Kofen, und liege bei deinen Gefährten.Also sprach sie; da riß ich das schneidende Schwert von der Hüfte,Sprang auf die Zauberin los, und drohte sie gleich zu erwürgen:Aber sie schrie, und eilte gebückt, mir die Kniee zu fassen;Laut wehklagend rief sie die schnellgeflügelten Worte: |
325 | Wer, wes Volkes bist du? und wo ist deine Geburtstadt? Staunen ergreift mich, da dich der Zaubertrank nicht verwandelt!Denn kein sterblicher Mensch ist diesem Zauber bestanden,Welcher trank, sobald ihm der Wein die Zunge hinabglitt.Aber du trägst ein unbezwingliches Herz in dem Busen! |
330 | Bist du jener Odysseus, der, viele Küsten umirrend,Wann er von Ilion kehrt im schnellen Schiffe, auch hieherKommen soll, wie der Gott mit goldenem Stabe mir saget?Lieber! so stecke dein Schwert in die Scheid’, und laß uns zusammenUnser Lager besteigen, damit wir, beide versöhnet |
335 | Durch die Freuden der Liebe, hinfort einander vertrauen! Also sprach sie; und ich antwortete wieder, und sagte: Kirke, wie kannst du begehren, daß ich dir freundlich begegne?Da du meine Gefährten im Hause zu Schweinen gemacht hast,Und mich selber behältst, und mir arglistig befiehlest, |
340 | In die Kammer zu gehn, und auf dein Lager zu steigen;Daß du mich Waffenlosen der Tugend und Stärke beraubest?Nein! ich werde nimmer dein Lager besteigen, o Göttin,Du willfahrest mir denn, mit hohem Schwur zu geloben,Daß du bei dir nichts anders zu meinem Verderben beschließest! |
345 | Also sprach ich; und eilend beschwur sie, was ich verlangte. Als sie es jetzo gelobt, und vollendet den heiligen Eidschwur,Da bestieg ich mit Kirke das köstlichbereitete Lager. Und in dem hohen Palaste der schönen Zauberin dienten Vier holdselige Mägde, die alle Geschäfte besorgten. |
350 | Diese waren Töchter der Quellen und schattigen Haine,Und der heiligen Ströme, die in das Meer sich ergießen.Eine von diesen bedeckte die Throne mit zierlichen Polstern:Oben legte sie Purpur, und unten den leinenen Teppich.Und die andere stellte die schönen Tische von Silber |
355 | Vor die Throne, und setzte darauf die goldenen Körbe.Und die dritte mischte in silberner Schale den süßenHerzerfreuenden Wein, und verteilte die goldenen Becher.Aber die vierte Magd trug Wasser, und zündete FeuerUnter dem großen Dreifuß an, das Wasser zu wärmen. |
360 | Und nachdem das Wasser im blinkenden Erze gekochet,Führte sie mich in das Bad, und strömt’ aus dem dampfenden KesselLieblichgemischtes Wasser mir über das Haupt und die Schultern,Und entnahm den Gliedern die geistentkräftende Arbeit.Als sie mich jetzo gebadet, und drauf mit Öle gesalbet, |
365 | Da umhüllte sie mir den prächtigen Mantel und Leibrock,Und dann führte sie mich ins Gemach zum silberbeschlagnenSchönen künstlichen Thron, mit füßestützendem Schemel.Eine Dienerin trug in der schönen goldenen KanneÜber dem silbernen Becken das Wasser, beströmte zum Waschen |
370 | Mir die Händ’, und stellte vor mich die geglättete Tafel.Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf,Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat,Und befahl mir zu essen. Doch meinem Herzen gefiel’s nicht;Sondern ich saß zerstreut, und ahnete Böses im Herzen. |