215 | Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:Peleus’ Sohn, Achilleus, erhabenster Held der Achaier,Stärker bist du denn ich, und tapferer, nicht um ein kleines,Mit dem Speer; doch möcht’ ich’s an Rat dir etwa zuvortun,Weit, da ich länger gelebt, und mehr gesehn und erfahren. |
220 | Drum gehorche dein Herz besänftiget meiner Ermahnung.Bald ja des Menschengewürgs ersättigen sich die Menschen,Wo in Menge die Halme das Erz zur Erde dahinstreckt;Kurz auch dauert das Mähn, nachdem herneigte die WaagschalZeus, der dem Menschengeschlecht des Kriegs Obwalter erscheinet. |
225 | Nicht mit dem Bauch ja müssen die Danaer Tote betrauern;Denn zu viel aufeinander und scharweis jegliches Tages,Fallen sie: wer vermochte dann aufzuatmen vom Kummer?Billig demnach jedweden beerdiget, wie er gestorben,Mit verhärteter Seel’, und einen Tag ihn beweinend. |
230 | Doch wie viel’ entrannen des Kriegs graunvoller Vertilgung,Müssen mit Trank und Speise sich kräftigen; daß noch entflammterWir ausdaurendes Muts feindselige Männer bekämpfen,Unter der ehernen Last der Rüstungen. Aber daß niemand,Harrend des zweiten Befehls in Argos’ Volke verweile! |
235 | Dieser Befehl bringt wahrlich Verderben ihm, welcher zurückbleibtUnter den Schiffen des Heers! Nein, alle zugleich ausstürmendGegen die reisigen Troer erheben wir grause Vertilgung! Sprach’s, und Nestors Söhne gesellt’ er sich, jenes Erhabnen, Meges zugleich den Phyleiden, Meriones auch, und Thoas, |
240 | Kreions tapferen Sohn Lykomedes, und Melanippos.Eilend gingen sie nun zum Kriegsgezelt Agamemnons.Schnell dann war, wie geredet das Wort, so die Sache vollendet.Sieben nahmen sie dort dreifüßiger Kessel im Zelte,Die er versprach, zwölf Ross’, und zwanzig schimmernde Becken; |
245 | Führten dann schnell die Weiber, untadlige, kundig der Arbeit,Sieben, zugleich die achte, des Brises rosige Tochter.Aber Odysseus wog die zehn Talente des Goldes,Ging dann voran; ihm folgten die Jünglinge alle mit Gaben.Die nun stellten sie dort in den Volkskreis. Doch Agamemnon |
250 | Hub sich; Talthybios dann, Unsterblichen ähnlich an Stimme,Trat zum Hirten des Volks, und hielt in den Händen den Eber.Doch der Atreid’ ausziehend mit hurtigen Händen das Messer,Das an der großen Scheide des Schwerts ihm immer herabhing,Schor von des Ebers Haupte das Erstlingshaar, und erhob dann |
255 | Betend die Hände zu Zeus; rings saßen indes die ArgeierStill umher, nach der Sitte, des Königes Wort zu vernehmen.Flehend nunmehr begann er, den Blick gen Himmel gewendet: Höre nun Zeus zuerst, der Seligen Höchster und Bester, Erd’ und Helios auch, und Erinnyen, unter der Erde |
260 | Einst die Toten bestrafend, wer hier Meineide geschworen!Niemals hab’ ich die Hand an Brises’ Tochter geleget,Weder des Lagers Genuß abnötigend, weder ein andres;Sondern sie blieb unberührt in den Wohnungen meines Gezeltes!Schwör’ ich einiges falsch, dann senden mir Elend die Götter, |
265 | Ohne Maß, wie sie senden dem frevelnden Schwörer des Meineids! Sprach’s, und des Ebers Kehle zerschnitt er mit grausamem Erze; Welchen Talthybios drauf in des Meers grauwogende FlutenWirbelnd den Fischen zum Fraß hinschleuderte. Aber AchilleusStand empor und begann vor Argos’ kriegrischen Söhnen: |
270 | Vater Zeus, traun große Verblendungen gibst du den Menschen! Nimmermehr wohl hätte den Mut in der Tiefe des HerzensAtreus’ Sohn mir empört so fürchterlich, oder das MägdleinWeg mir geführt mit Gewalt, der Unbiegsame; sondern fürwahr ZeusWollte nur vielen den Tod in Argos’ Volke bereiten! |
275 | Doch nun geht zum Mahle, damit wir rüsten den Angriff! Jener sprach’s, und trennte sofort die rege Versammlung. Alle zerstreuten sich rings, zum eigenen Schiff ein jeder.Doch die Geschenk’ umeilten die Myrmidonen geschäftig,Brachten sie dann zum Schiffe des göttergleichen Achilleus. |
280 | Dies nun legten sie dort im Gezelt und setzten die Weiber;Aber die Ross’ entführten zur Herd’ hochherzige Diener. Brises’ Tochter nunmehr, wie die goldene Aphrodite, Als sie gesehn Patroklos zerfleischt von der Schärfe des Erzes;Goß sie um jenen sich hin, und weinete laut, und zerriß sich |
285 | Beide Brüst’, und den blühenden Hals, und ihr rosiges Antlitz.Also sprach mit Tränen das Weib, den Göttinnen ähnlich: Ach mein teurer Patroklos, gefälligster Freund mir im Elend! Lebend noch verließ ich im Zelte dich, als ich hinwegging;Und ich Kehrende finde dich tot nun, Völkergebieter, |
290 | Hingestreckt! So verfolgt mich Unheil immer auf Unheil!Meinen Mann, dem der Vater mich gab, und die würdige Mutter,Sah ich dort vor der Stadt zerfleischt von der Schärfe des Erzes;Auch drei leibliche Brüder, von einer Mutter geboren,Herzlich geliebt, die mir alle der Tag des Verderbens hinwegriß; |
295 | Dennoch wolltest du nicht, da den Mann der schnelle AchilleusMir erschlug, und verheerte die Stadt des göttlichen Mynes,Weinen mich sehn; du versprachst mir, des göttergleichen AchilleusJugendlich Weib zu werden, der einst in Schiffen gen PhtiaHeim mich brächt’, und feirte den Myrmidonen das Brautmahl. |
300 | Ach du starbst, und ohn’ Ende bewein’ ich dich, freundlicher Jüngling! Also sprach sie weinend; und ringsum seufzten die Weiber, Um Patroklos zum Schein, doch jed’ um ihr eigenes Elend.Jenen indes umringten die edleren Helden Achaias,Flehend des Mahls zu genießen; allein er versagt’ es mit Seufzen. |
305 | Trauteste Freund’, ich fleh euch, wofern ihr Liebe mir heget, Eher nicht ermahnt mich mit Trank und nährender SpeiseMeinen Geist zu erfrischen; denn heftiger Kummer durchdringt mich!Nein bis die Sonne sich senkt, ich harr’, und gedulde mich standhaft! Dieses gesagt, entließ er die anderen Fürsten des Heeres. |
310 | Atreus’ Söhne nur blieben zurück, und der edle Odysseus,Nestor, Idomeneus auch, und der graue reisige Phönix,Sorgsam all’ aufheiternd den Traurenden; aber sein Herz flohHeiterkeit, eh’ in den Schlund des blutigen Kriegs er hineindrang.Stets gedacht’ er des Freundes, und redete schnell aufatmend: |
315 | Ach du hast mir vordem, Unglücklicher, liebster der Freunde, Selber so oft im Gezelte gebracht ein labendes Frühmahl,Schnell in geschäftiger Hast, wenn das Heer der Achaier hinausdrang,Gegen die reisigen Troer das Graun des Krieges zu tragen!Und nun liegest du ein Erschlagener; aber das Herz mir |
320 | Will nicht Trank genießen noch Kost, von dem reichlichen Vorrat,Schmachtend nach dir! Nie könnt’ auch ein herberes Wehe mich treffen.Nicht und wenn ich sogar des Vaters Ende vernähme,Der wohl nun in Phtia die bittersten Tränen vergießet,Solches Sohns zu entbehren, der hier im Lande des Fremdlings |
325 | Um die entsetzliche Helena kämpft mit den Reisigen Trojas;Oder den Tod des Sohnes, der mir in Skyros ernährt wird,Wenn er etwa noch lebt, Neoptolemos, göttlich von Bildung!Ehmals hegte mir immer das Herz im Busen die Hoffnung,Sterben würd’ ich allein von der rossenährenden Argos |
330 | Fern, im troischen Land’; und du heimkehren gen Phtia,Daß du mir den Sohn im dunklen gebogenen SchiffeBrächtest aus Skyros’ Flur, und dort jedwedes ihm zeigtest,Meine Hab’, und die Knecht’, und die hohe gewölbete Wohnung.Denn schon ahnd’ ich im Geist, daß Peleus tot in der Erde |
335 | Schlummere, oder vielleicht noch kümmerlich leb’ in Schwermut,Niedergebeugt von Alter und Traurigkeit, weil er beständigHarrt des schrecklichen Boten, der meinen Tod ihm verkündigt! Also sprach er weinend; und ringsum seufzten die Fürsten, Eingedenk, was jeder in seinem Hause zurückließ. |
340 | Mitleidsvoll erblickte die Traurenden Zeus Kronion;Schnell zur Athene gewandt, die geflügelten Worte begann er: Trautes Kind, so gänzlich verlässest du jetzo den Helden! Gar nicht kümmert sich mehr dein Herz um den edlen Achilleus?Schau, wie jener dort vor des Meers hochhauptigen Schiffen |
345 | Sitzt, um den Freund wehklagend, den teuersten! Alle die andernGingen zum Frühmahl hin; er rührt nicht Speise noch Trank an.Eile denn, jenem Ambrosia jetzt und lieblichen NektarSanft in die Brust zu flößen, daß nicht ihn quäle der Hunger. Also Zeus, und erregte die schon verlangende Göttin. |
350 | Schnell wie ein schreiender Adler mit weitverbreiteten FlügelnSchwang sie vom Himmel herab durch den Äther sich. Dort die AchaierRüsteten emsig im Heere die Feldschlacht. Doch dem AchilleusFlößt’ Athen’ Ambrosia jetzt und lieblichen NektarSanft in die Brust, daß nicht vor Hunger ihm starrten die Kniee. |
355 | Selbst dann heim zum Palaste des allgewaltigen VatersKehrte sie. Jen’ entströmten den hurtigen Schiffen des Meeres.Wie wenn häufige Flocken des Schnees von Zeus sich ergießen,Kalt heruntergestürmt vom heiterfrierenden Nordwind:So dort häufige Helm’, umstrahlt von freudiges Schimmer, |
360 | Drangen hervor aus den Schiffen, und hochgenabelte Schilde,Auch Brustharnische, mächtig gewölbt, und eschene Lanzen.Glanz erreichte den Himmel, und ringsum lachte die Erde,Hell von dem Erze bestrahlt; und Getön scholl unter dem FußtrittWandelnder. Mitten auch wappnete sich der edle Achilleus. |
365 | Ihm von den Zähnen ertönt’ ein Geknirsch her: aber die AugenFunkelten, gleich wie lodernde Glut; und das Herz ihm erfüllteUnausduldsamer Schmerz. So heftig ergrimmt auf die Troer,Nahm er das Göttergeschenk, das Hephästos’ Kunst ihm geschmiedet.Eilend fügt’ er zuerst um die Beine sich bergende Schienen, |
370 | Blank und schön, anschließend mit silberner Knöchelbedeckung;Weiter umschirmt’ er die Brust ringsher mit dem ehernen Harnisch;Hängte sodann um die Schulter das Schwert voll silberner Buckeln,Eherner Kling’; und darauf den Schild auch, groß und gediegen,Nahm er, der ferne den Glanz hinsendete, ähnlich dem Vollmond. |
375 | Wie wenn draußen im Meere der Glanz herleuchtet den Schiffern,Vom auflodernden Feuer, das hoch auf Bergen entflammetBrennt in einsames Hürd’; indes mit Gewalt sie der SturmwindFern in des Meers fischwimmelnde Flut von den Freunden hinwegträgt:So von Achilleus’ Schild’ entleuchtete Glanz in den Äther, |
380 | Schön wie er prangt’ an Kunst. Den schweren Helm nun erhebend,Deckt’ er das Haupt ringsher; und es strahlete, gleich dem Gestirne,Sein hochbuschiger Helm; und die Mähn’ aus gesponnenem GoldeFlatterte, welche der Gott auf dem Kegel ihm häufig geordnet.Jetzo versucht’ in der Rüstung sich selbst der edle Achilleus, |
385 | Ob sie genau anschlöss’, und leicht sich bewegten die Glieder;Und wie Flügel ihm war sie, und hob den Hirten der Völker.Auch dem schönen Gehäus’ entzog er den Speer des Erzeugers,Schwer und groß und gediegen; es konnt’ ihn der Danaer keinerSchwingen, allein vermocht’ ihn umherzuschwingen Achilleus: |
390 | Pelions ragende Esche, die Cheiron schenkte dem Vater,Pelions Gipfel enthaun, zum Mord den Heldengeschlechtern.Aber Automedon jetzt und Alkimos fügten die RosseSchnell in die Seile des Jochs, die zierlichen; drauf in die MäulerLegten sie jedem Gezäum, und spanneten rückwärts die Zügel |
395 | Zum gebildeten Sessel. Automedon faßte die Geißel,Blank und bequem, mit der Hand, und sprang in den Sessel des Wagens.Hinter ihn drauf, gerüstet zur Feldschlacht, schwang sich Achilleus,Leuchtend im Waffenschmuck, wie die strahlende Sonne des Himmels.Schreckliches Rufs nun ermahnt’ er die mutigen Rosse des Vaters: |
400 | Xanthos und Balios ihr, ruhmvolles Geschlecht der Podarge, Anders jetzo gedenkt den Wagenlenker zu bringenWieder ins Heer der Achaier, nachdem wir des Kampfs uns gesättigt;Aber nicht, wie Patroklos, verlaßt ihn tot im Gefilde! Unter dem Joch antwortete drauf das geflügelte Streitroß |
405 | Xanthos, und neigte das Haupt; ihm sank die blühende MähneWallend hervor aus dem Ringe des Jochs, und erreichte den Boden;Aber die Stimme gewährt’ ihm die lilienarmige Here: Ja, wohl bringen wir jetzt dich Lebenden, starker Achilleus; Doch des Verderbens Tag ist nahe dir! Dessen sind wir nicht |
410 | Schuldig, sondern der mächtige Gott und das harte Verhängnis.Nicht fürwahr durch Säumnis und Langsamkeit unserer SchenkelRaubte der Troer Volk von Patroklos’ Schulter die Rüstung;Nein der gewaltigste Gott, der Sohn der lockigen Leto,Schlug ihn im Vordergefecht, dem Hektor Ehre gewährend. |
415 | Wir zwar wollten im Lauf auch Zephyros Atem ereilen,Welcher doch schnell vor allen daherstürmt: aber dir selberWird bestimmt, dem Gott und dem sterblichen Manne zu fallen. Jener sprach’s; da verschloß der Erinnyen Hand ihm die Stimme. Unmutsvoll antwortete drauf der schnelle Achilleus: |
420 | Xanthos, warum mir den Tod weissagest du? Solches bedarf’s nicht! Selber weiß ich es wohl, daß fern von Vater und MutterHier des Todes Verhängnis mich hinrafft. Aber auch so nichtRast’ ich, bevor ich die Troer genug im Kampfe getummelt! Sprach’s, und lenkte voran mit Geschrei die stampfenden Rosse. |