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Einundzwanzigster Gesang

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Inhalt

Achilleus stürzt einer Schar Troer in den Skamandros mit dem Schwerte nach. Zwölf Lebende fesselt er zum Sühnopfer für Patroklos. Den getöteten Lykaon hineinwerfend, höhnt er, daß der Stromgott nicht rette. Auch den Asteropäos, eines Stromgottes Sohn, welchen Skamandros erregte, streckt er ans Ufer, und höhnt der Stromgötter. Skamandros gebeut ihm, außer dem Strome zu verfolgen. Er verspricht’s; doch in der Wut springt er wieder hinein. Der zürnende Strom verfolgt ihn ins Feld. Jener, von Göttern gestärkt, durchdringt die Flut. Als Skamandros noch wütender den Simois zu Hilfe ruft, sendet ihm Here den Hephästos entgegen, der das Feld trocknet, dann ihn selber entflammt. Des Jammernden gebeut Here zu schonen. Ares und Aphrodite von Athene besiegt, Phöbos dem Poseidon ausweichend, Artemis von Here geschlagen, Hermes die Leto scheuend. Rückkehr der Götter. Priamos öffnet den Flüchtigen das Tor. Den verfolgenden Achilleus hemmt Agenor; dann in Agenors Gestalt fliehend, lockt Apollon ihn feldwärts, indes die Troer einflüchten.

Als sie nunmehr an die Furt des schönhinwallenden XanthosKamen, des wirbelnden Stroms, den Zeus der Unsterbliche zeugte;Dort auseinander sie trennend, verfolgt’ er jen’ ins GefildeStadtwärts, wo die Achaier dahergescheucht sich ergossen
5 Erst den vorigen Tag, vor der Wut des strahlenden Hektors:Hier flohn jene nunmehr angstvoll: doch es hemmte sie Here,Dickes Gewölk vorbreitend den Flüchtlingen. Aber die andern,Hingedrängt an des Stroms tiefstrudelnde Silbergewässer,Stürzten hinab mit lautem Getös’: und es rauschten die Fluten,
10 Daß die Gestad’ umher laut halleten; rings mit Geschrei nunSchwammen sie hiehin und dorthin, umhergedreht in den Wirbeln.Wie vor des Feuers Gewalt sich ein Schwarm Heuschrecken emporhebt,Hinzufliehn in den Strom; denn es flammt unermüdetes Feuer,Plötzlich entbrannt im Gefild’, und sie fallen gescheucht in das Wasser:
15 So vor Achilleus ward dem tiefhinstrudelnden XanthosVoll sein rauschender Strom von der Rosse Gewirr und der Männer. Aber der göttliche Held ließ dort die Lanz’ an dem Ufer, Auf Tamarisken gelehnt, und stürzte sich, stark wie ein Dämon,Nach, sein Schwert in der Hand, und entsetzliche Taten ersann er.
20 Rings nun schlug er umher; und schreckliches Röcheln erhub sichUnter dem mordenden Schwert, und gerötet von Blut war das Wasser.Wie vor dem ungeheuren Delphin die anderen FischeFliehend die Buchten erfüllen des wohlanlandbaren Hafens,Bange gedrängt; denn gräßlich verschlinget er, wen er erhaschet:
25 So die Troer voll Angst in des furchtbaren Stromes GewässernFlohen sie unter die Bord’. Als drauf vom Ermorden die Händ’ ihmStarreten, wählt’ er annoch zwölf lebende Jüngling’ im Strome;Abzubüßen den Tod des Menötiaden Patroklos.Diese zog er heraus, betäubt, wie die Jungen der Hindin;
30 Band dann zurück die Hände mit wohlgeschnittenen Riemen,Welche sie selbst getragen um ihre geflochtenen Panzer;Gab sie darauf den Genossen, hinab zu den Schiffen zu führen.Wieder hinein dann stürzt’ er, nach Mord und Gewürge sich sehnend.Jetzt begegnet’ ihm Priamos’ Sohn, des Dardanionen,
35 Der aus dem Strom aufstrebte, Lykaon: den er vordem selbstWeggeführt mit Gewalt von des Vaters fruchtbarem Obsthain,Einst in der Nacht ausgehend. Es schnitt mit dem Erze der JünglingWildernder Feigen Gesproß, zum Sesselrande des Wagens.Doch unverhofft ihm nahte zum Weh der edle Achilleus.
40 Damals sandt’ er in Lemnos’ bevölkerte Stadt zum Verkauf ihn,Führend im Schiff, und den Wert bezahlte der Sohn des Jason.Dorther löste sein Gast Eëtion, Herrscher in Imbros,Ihn sehr teuer erkauft, und sandt’ ihn zur edlen Arisbe.Heimlich schlich er von dannen, und kam zum Palaste des Vaters
45 Elf der Tage nunmehr erfreut’ er das Herz mit den Seinen,Wiedergekehrt aus Lemnos; doch jetzt am zwölften von neuemGab in Achilleus’ Hand ihn ein Himmlischer, welcher bestimmt war,Ihn zum Aïs zu senden, wie sehr ungern er dahinging.Als ihn jetzo erblickte der mutige Renner Achilleus,
50 Ihn der entblößt von Helme, von Schild und Lanze daherkam:Alles hatt’ er zur Erde gelegt; denn ermattet von AngstschweißStrebt’ er empor aus dem Strom, und kraftlos wankten die Kniee:Unmutsvoll nun sprach er zu seiner erhabenen Seele: Weh wir, ein großes Wunder erblick’ ich dort mit den Augen!
55 Ganz gewiß nun werden die edelmütigen Troer,Die ich erschlug, von neuem aus nächtlichem Dunkel hervorgehn:Sowie jener auch kommt, entflohn dem grausamen Tage,Der in die heilige Lemnos verkauft ward; aber ihn hielt nichtWogend das graue Meer, das viele mit Zwang zurückhemmt.
60 Aber wohlan, nun soll er die Spitz’ auch unserer LanzeKosten, damit ich erkenn’ in meinem Geist, und vernehme,Ob er so gut auch von dannen zurückkehrt, oder ihn endlichHält die ernährende Erde, die selbst den Tapferen festhält. Also dacht’ er, und stand; ihm nahete jener voll Schreckens,
65 Seine Kniee zu rühren bereit: denn er wünschte so herzlich,Noch zu entfliehn dem grausamen Tod’ und dem schwarzen Verhängnis.Siehe den ragenden Speer erhob der edle Achilleus,Ihn zu durchbohren bereit; doch er eilt’ und umfaßt’ ihm die Kniee,Hergebückt; und der Speer, der ihm hinsaust’ über die Schultern,
70 Stand in der Erd’, und lechzt’ im Menschenblute zu schwelgen.Aber mit einer Hand umschlang er ihm flehend die Kniee,Und mit der anderen hielt er die spitzige Lanz’ unverrückt’ ihm;Laut nun fleht’ er empor, und sprach die geflügelten Worte: Flehend umfass’ ich dem Knie; erbarme dich meiner, Achilleus!
75 Deinem Schutz ja ward ich vertraut; drum scheue mich, Edler!Denn bei dir zuerst genoß ich die Frucht der Demeter,Jenes Tags, da dein Arm mich ergriff in dem fruchtbaren Obsthain,Und du fern mich verkauftest, getrennt von Vater und Freunden,Nach der heiligen Lemnos, und hundert Stiere gewannest.
80 Jetzo löst’ ich mich dreimal so hoch! Der zwölfte der MorgenLeuchtet mir erst, seitdem ich in Ilios’ Mauern zurückkam,Viel gequält; und wieder hat dir in die Hand mich gesendetBöses Geschick! Wohl muß ich dem Vater Zeus ja verhaßt sein,Der dir wieder mich gab; und für wenige Tage gebar mich
85 Meine liebende Mutter Laothoe, Tochter des GreisesAltes, welcher im Volk der streitbaren Leleger herrschet,Pedasos’ luftige Burg an Satniois’ Ufer bewohnend.Dessen Tochter war Priamos’ Weib, nebst vielen der andern;Und zween Söhne gebar sie; doch du willst beid’ uns erwürgen!
90 Jenen im Vordergefecht fußwandelnder Kämpfer bezwangst du,Ihn den Held Polydoros, mit spitziger Lanze getroffen;Und mein harrt das Verderben allhier nun! Nimmer ja hoff’ ichDeiner Hand zu entfliehn, nachdem mich genähert ein Dämon!Eines verkünd’ ich dir noch, und du bewahr’ es im Herzen.
95 Töte mich nicht; denn ich bin kein leiblicher Bruder des Hektor,Welcher den Freund dir erschlug, so sanftgesinnt und so tapfer! So dort flehte zu jenem des Priamos’ edler Erzeugter Jammernd empor; da erscholl die unbarmherzige Stimme: Törichter, nicht von Lösung erzähl’ und schwatze mir länger!
100 Denn bevor Patroklos den Tag des Geschickes erreichte,War ich annoch im Herzen geneigt, zu schonen der Troer;Viel’ auch führt’ ich gefangen hinweg, und verkaufte sie lebend.Doch nun fliehe den Tod nicht einer auch, welchen ein DämonHier vor Ilios’ Mauern in meine Hand mir gesendet,
105 Aller Troer gesamt, und am wenigsten Priamos’ Söhne!Stirb denn, Lieber, auch du! Warum wehklagst du vergebens?Starb doch auch Patroklos, der weit an Kraft dir voranging!Siehest du nicht, wie ich selber so schön und groß an Gestalt bin?Denn dem edelsten Vater gebar mich die göttliche Mutter!
110 Doch wird mir nicht minder der Tod und das harte VerhängnisNahn, entweder am Morgen, am Mittag, oder am Abend;Wann ein Mann auch mir in der Schlacht das Leben entreißet,Ob er die Lanze mir schnellt, ob auch ein Geschoß von der Senne. Also der Held; doch jenem erzitterten Herz und Kniee.
115 Fahren ließ er den Speer, und saß ausbreitend die HändeBeide. Doch Peleus’ Sohn, das geschliffene Schwert sich entreißend,Stieß es hinein am Gelenke des Halses ihm: tief in die GurgelDrang zweischneidig das Schwert; und vorwärts nun auf der ErdeLag er gestreckt; schwarz strömte das Blut und netzte den Boden.
120 Ihn dann schwang der Peleid’, am Fuße gefaßt in den Strom hin;Und mit jauchzendem Ruf die geflügelten Worte begann er: Dort nun streck’ im Gewimmel der Fische dich, die von der Wunde Sorglos dir ablecken das Blut! Nie bettet die MutterDich auf Leichengewand’ und wehklagt; sondern Skamandros
125 Trägt dich strudelnd hinab in des Meers weitoffenen Abgrund.Hüpfend sodann naht unter der Flut schwarzschauernder FlächeMancher Fisch, um zu schmausen am weißen Fette Lykaons.Treff’ euch Weh, bis wir kommen zu Ilios’ heiliger Feste,Ihr in stürzender Flucht, ich aber mit Mord euch verfolgend.
130 Nicht ja einmal der Strom mit mächtigem SilbergestrudelRettet euch, welchem ihr oft so viel darbringet der Stiere,Und starkhufige Ross’ in die Flut lebendig versenket:Aber auch so vertilgt euch das Jammergeschick, bis ihr alleFür Patroklos’ Mord mir gebüßt, und das Weh der Achaier,
135 Die an den hurtigen Schiffen ihr tötetet, als ich entfernt war! Jener sprach’s; doch der Strom ereiferte wilderes Herzens; Und er erwog im Geist, wie er hemmen möcht’ in der ArbeitPeleus’ göttlichen Sohn, und die Plag’ abwenden den Troern.Aber Achilleus indes mit weithinschattender Lanze
140 Sprang auf Asteropäos, ihn auszutilgen verlangend,Pelegons Sohn: den zeugte des Axios strömender Herrscher,Axios, und Deriböa, des Akessamenos Tochter,Schön, an Geburt die erste, geliebt vom wirbelnden Stromgott.Gegen ihn drang der Peleid’: er dort, aus dem Strome begegnend,
145 Stand, zween Speer’ in den Händen; und Mut ihm haucht’ in die SeeleXanthos, dieweil er mit Zorn die ermordeten Jünglinge schaute,Die der Peleid’ in den Fluten ermordete, sonder Erbarmen.Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;Rief zuerst an redend der mutige Renner Achilleus:
150 Wer, und woher der Männer, der mir zu nahn sich erkühnet? Meiner Kraft begegnen nur Söhn’ unglücklicher Eltern! Ihm antwortete drauf des Pelegons edler Erzeugter: Peleus’ mutiger Sohn, was fragst du nach meinem Geschlechte?Fern aus dem scholligen Lande Päonia führ’ ich die Scharen
155 Speerumragter Päonen zur Schlacht; und der elfte der MorgenLeuchtet mir nun, seitdem ich in Ilios’ Mauern hineinging.Doch mein Geschlecht entstammt von des Axios strömendem Herrscher,Axios, der mit lieblichster Flut die Erde befruchtet:Dieser zeugte den Pelegon einst, und der lanzenberühmte
160 Pelegon mich, wie man sagt. Doch kämpfe nun, edler Achilleus! Also droht’ er daher; da erhob der edle Achilleus Pelions ragende Esch’; allein zwo Lanzen zugleich warfAsteropäos der Held, der rechts mit jeglicher Hand war.Eine traf des Schildes Gewölb’ ihm; aber hindurch nicht
165 Brach sie den Schild; denn es hemmte das Gold, die Gabe des Gottes.Aber die andere streift’ ihm den rechten Arm an der Beugung,Daß ihm dunkeles Blut vorrieselte; über ihm selbst dannStand sie gebohrt in die Erde, voll Gier im Fleische zu schwelgen.Jetzo schwang auch Achilleus die gradanstürmende Esche
170 Hin auf Asteropäos, ihn auszutilgen verlangend.Doch ihn selbst verfehlt’ er, und traf das erhabene Ufer,Daß bis zur Hälft’ in das Ufer die eschene Lanze hineindrang.Peleus’ Sohn, das geschliffene Schwert von der Hüfte sich reißend,Stürmte hinan mit Begier: da strebte den Speer des Achilleus,
175 Aber umsonst, dem Bord zu entziehn mit nervichter Rechte.Dreimal erschüttert’ er jenen, und mühte sich auszuziehen;Dreimal versagt’ ihm die Kraft; doch das vierte Mal dacht’ er im Herzen,Biegend ihn abzubrechen, den eschenen Speer des Achilleus.Aber es nahte der Held mit dem Schwert, und raubt’ ihm das Leben.
180 Denn er hieb in dem Bauch am Nabel ihm; und es entstürztenAlle Gedärme zur Erd’; und dem Röchelnden starrten die AugenTrüb in Nacht. Doch Achilleus, daher auf den Busen sich werfend,Nahm ihm das Waffengeschmeid’, und rief frohlockend die Worte: Lieg’ also! Schwer magst du des hocherhabnen Kronions
185 Söhne mit Streit angehen, obgleich von dem Strome du abstammst!Denn du rühmst dich entstammt von des Stroms breitwallendem Herrscher;Doch ich preise mich selbst vom gewaltigen Zeus zu entstammen.Mich ja erzeugte der Herrscher des myrmidonischen Volkes,Peleus, Äakos’ Sohn; und dem Äakos zeugte Kronion.
190 Drum wie mächtig Zeus vor den meerabrauschenden Strömen,So ist mächtig auch Zeus’ Geschlecht vor den Söhnen des Stromes.Auch ein gewaltiger Strom rauscht neben dir, möcht’ er dir etwaHelfen; doch keiner vermag mit Zeus Kronion zu kämpfen.Gleich ihm wähnt sich auch nicht der mächtige Gott Acheloos,
195 Noch des Okeanos Kraft, des tiefhinströmenden Herrschers:Welchem doch alle Ström’, und alle Fluten des Meeres,Alle Quellen der Erd’, und sprudelnde Brunnen entfließen:Dennoch scheut auch jener den Wetterstrahl des Kronion,Und den entsetzlichen Donner, der hoch vom Himmel herabkracht.
Die großen Klassiker der Antike

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