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Definition

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Unter dem Selbst versteht man die Gesamtheit der Person in Interaktion mit anderen.

Das Erleben einer eigenen Identität, das Gefühl, »ich selbst zu sein«, geht zurück auf einen intensiven Austausch mit einem anderen, wobei dieses andere Objekt als Teil des eigenen Selbst und seiner Bedürfnisse fungiert: ein Selbstobjekt. Von Anfang an brauchen Menschen Selbstobjekte zur Befriedigung von Selbstobjektbedürfnissen, so entsteht eine Selbstkohärenz: die möglichst kontinuierliche und zusammenhängende Selbstwahrnehmung in Raum, Zeit und Beziehungserleben. In diesem Streben nach Kohärenz ist das Bedürfnis nach Sinngebung enthalten: sich selbst als Zentrum von Wahrnehmungen, Antrieb und Handlungen sehen und erleben zu können.

Basale Selbstobjekt-Funktionen sind die Spiegel-Funktion, die Funktion einer idealisierten Eltern-Imago und andere. Verträgliche Unterbrechungen der Selbstobjektfunktionen tragen dazu bei, dass das Kind die Funktionen im Sinn einer »umwandelnden Verinnerlichung« als Selbstrepräsentanzen internalisieren kann und so unabhängig wird von der konkreten Gegenwart der Selbstobjekte – sie werden auf diesem Weg zu Funktionen des Selbst.

Grundelement der Selbstobjektfunktionen ist die Empathie, die auch als stellvertretende Introspektion verstanden wird. Übermäßiger Mangel an Empathie führt zum Abriss der Kontinuität und damit der Kohärenz, Fragmentierungen stellen sich ein: das Erleben der Einheitlichkeit zerfällt, einzelne Elemente lassen sich nicht mehr aufeinander beziehen. Dies zieht narzisstische Störungen, Triebkonflikte und destruktive Wut nach sich. Die umwandelnde Verinnerlichung scheitert, andere Menschen werden dauerhaft zu Selbstobjekten funktionalisiert (und darauf reduziert), eine wechselseitige Empathie kann nicht entstehen – zentrale Merkmale eines pathologischen Narzissmus.

Die Selbstpsychologie hat Entscheidendes beigetragen zum Verstehen narzisstischer Störungen. Die Therapie zielt auf die Verbesserung intrapsychischer und interpersoneller regulativer Vorgänge. Die zentrale Bedeutung der Empathie in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapien ist unstrittig, insbesondere bei frühen Störungen und Traumatisierungen (Burchartz 2019b). Das »Verstanden-Werden« in einer empathischen Haltung des Therapeuten ist überhaupt erst die Grundlage für eine aufdeckende, deutende Arbeit. Der Therapeut wird temporär zu einem Selbstobjekt.

Gleichwohl ist anzumerken, dass in der Selbstpsychologie die Konflikthaftigkeit der menschlichen Existenz, die Dialektik von Trieb und kulturellen Anforderungen kaum mehr einen Platz hat. Die Bedeutung des spezifischen sozialen Umfelds und seiner Widersprüchlichkeit verblasst. Fellner und Zorn (2019) bemerken dazu, »…für eine kritische Theorie des Subjekts« werde das Menschenbild der Selbstpsychologie »theoretisch unbrauchbar« (S. 51). Des Weiteren wird die grundlegende triadische Struktur der Psyche nicht konzeptualisiert.

Psychodynamische Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter

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