Читать книгу Die Sklavenmädchen von Wiesbaden - Arne Hoffmann - Страница 16

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Ronny spazierte durch den Landschaftspark Warmer Damm. Falls man es »spazieren« nennen konnte – es war mehr ein Marschieren denn ein Schlendern. Normalerweise gelang es ihm hier am besten, zur Ruhe zu kommen, wenn alles um ihn zusammenzubrechen schien, die Hektik im Syndikat einfach zu viel wurde. Der Warme Damm war eine kleine Oase in Wiesbaden: Scheinbar unberührt von allem Dreck und aller Gewalt lag er da mit seinen Rabatten voller Magnolien und Azaleen, Zierquitte und Zaubernuss, einem idyllischen Weiher samt Springbrunnen, faulenzenden Pärchen und spielenden Kindern, sanft hineingeschmiegt zwischen Staatstheater, Spielbank und Einkaufsmeile. Jenen Teil Wiesbadens, den Touristen und andere Besucher der Stadt wahrnahmen.

Ronny stellte fest, dass er nervös war. Nervöser als sonst, wenn es Probleme gab mit ausnahmsweise etwas übereifrigen Ermittlungsbeamten, Schießereien oder ähnlichem. Er wusste immer noch nicht, was er tun sollte. Einfach verjagen wollte er sich nicht lassen, deshalb war sein spontaner Einfall gewesen, Thum zuvorzukommen und diesem selbst eine Kugel zwischen die Augen zu jagen. Jetzt hatte er erfahren, dass das alles andere als einfach war. Sicher, er hatte durch seine hohe Position im Syndikat Möglichkeiten, an Thum heranzukommen, die andere nicht hatten. Aber für Thum selbst stand er nicht mehr auf der Guter-Freund-Liste, und Bruno war außerordentlich wachsam und schnell. Dazu kam, dass Ronny Thum nicht einfach abknallen konnte, solange Zeugen in der Nähe waren. Um die Polizei machte er sich keine Gedanken, aber er wusste nicht so ganz einzuschätzen, ob nicht einer von Thums Anhängern den Paten rächen und Ronny selbst ins Visier nehmen würde. Wie würde es überhaupt auf die anderen Mitglieder des Syndikats wirken, wenn Ronny als in Ungnade Gefallener deren Boss abknallte? Am Ende würden sie alle hinter ihm her sein und eine Art Blutrache fordern.

Von Julia ganz zu schweigen! Vermutlich würde sie kaum weiter mit dem Mörder ihres Vaters in die Kiste steigen …

Ein Frisbee sauste an ihm vorbei, und ein junger Hund jagte ihm kläffend nach. Ronny beachtete beides nicht, war zu sehr in seine Grübeleien versunken. Aus Wiesbaden abzuhauen kam für ihn nicht in Frage, und Thum abzuknallen würde nicht funktionieren. Ein hoffnungsloses Dilemma! Es sei denn …

Langsam reifte in Ronnys Gehirn ein Plan. Ja, das könnte funktionieren … Auch wenn es sehr gewagt war. Aber in der Bredouille, in der er steckte, hatte er wohl kaum eine Wahl. Ronny überlegte. Er würde ein paar Strippen ziehen müssen. Was schwierig war, wenn er Wiesbaden innerhalb des ihm von Thum gesetzten 24-Stunden-Ultimatums verlassen musste. Aber einfach unterzutauchen, ohne dass Julia wusste, was los war, und dann nach vollbrachter Tat ohne jede Erklärung zurückzukommen, das lief auch nicht. Selbst ein kleines Kind würde eins und eins zusammenzählen können. Außer natürlich, wenn er …

Ronny warf einen Blick auf die Uhr. In etwa einer halben Stunde würde sie bei ihrem Flamenco-Training in der Tanzschule Weber sein. Ihr Handy steckte dann abgeschaltet in ihrer Tasche.

Ronny wartete die halbe Stunde ab, arbeitete währenddessen im Geiste genauer seine nächsten Schritte aus. Dann wählte er Julias Nummer. »Hi, Schatz«, sagte er. »Du, ich muss für ein paar Tage die Stadt verlassen. Heute noch, wichtiger Auftrag von deinem Herrn Papa. Mehr kann ich dir am Telefon leider nicht sagen, und dein Vater wird dir wohl auch nichts verraten.« Julia wusste, dass ihr Vater sie nicht ernst nahm, was seine Geschäfte anging. Und Thum würde seinem Töchterchen auch nicht von sich aus verraten, dass er ihren Lover aus der Stadt geprügelt hatte – eher sollte sie wohl den Eindruck haben, dass er sie von einem Tag auf den anderen ohne ein Wort des Abschieds sitzen gelassen und sich davongeschlichen hatte. Der alte Sack! »Mach’s gut solange. Pass auf dich auf. Und denk an mich, wenn du heute Nacht zu Bett gehst.« Er hauchte noch einen Kuss in den Hörer und schnickte das Handy zu.

Dann würde er sich mal an die Arbeit machen.

Die Sklavenmädchen von Wiesbaden

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