Читать книгу Die Sklavenmädchen von Wiesbaden - Arne Hoffmann - Страница 19

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»Das ist ja voll krass, Alder!«

Murat war deutlich anzusehen, dass er diese Worte schon in dem Moment wieder bedauerte, in dem sie seinem Mund entfahren waren. Normalerweise war er viel zu stolz, um zuzulassen, dass er die Erkan-und-Stefan-Parodie eines Türken tatsächlich verkörperte und so dieses Klischeebild weiter am Leben erhielt. Aber andererseits war er auf der GSK, der Ghettoschule Klarenthal, aufgewachsen, und auf deren Schulhof hatten solche Ausrufe zum täglichen Wortschatz gehört. Heute entschlüpften sie Murat noch in Momenten, in denen er seine Gefühle kaum mehr unter Kontrolle hatte. Das erfüllte Ronny ein paar Sekunden lang beinahe mit einem warmen Gefühl im Inneren, denn es zeigte, dass Murat an seinem Schicksal Anteil nahm.

Sie saßen einander im »Chic« gegenüber, einer kleinen Wiesbadener Bar, die von einem sympathischen jungen Syrer namens Abdu geleitet wurde. Sie lag an den citynächsten Ausläufern des Westends, zwischen einer Spielhölle, der Wiesbadener Volksbank und dem Platz der deutschen Einheit, einer größeren Bushaltestelle, an der früher massenweise Drogen vertickt worden waren. Seit dieser Ort allerdings von Kameras überwacht und verstärkt von Polizisten patrouilliert wurde, hatten sich die Drogengeschäfte auf die Nebenstraßen verlagert. Nur im Westend selbst ließen die alten, korantreuen Türken, die dort immer noch das Sagen hatten, solcherlei Handel nicht zu.

»Allerdings!« pflichtete Ronny seinem Kumpel bei. »Ich bin selber noch ganz schön platt.«

Murat ließ eine für Ronny unverständliche Schimpfkanonade auf Türkisch hören, die gelegentlich von einigen deutschen Wörter wie »Spast« und »Missgeburt« unterbrochen wurde. Endlich fing er sich: »Und was geht jetzt?«

Ronny trank von seinem Whisky. Im Hintergrund dudelten Pop-Hits der Achtziger, wie so oft bei Abdu. »Was soll ich machen? Ich werde Wiesbaden verlassen müssen. Kann mich schließlich nicht mit Thum anlegen.«

»Aber … aber du kannst doch nicht einfach abhauen! Hier alles stehen und liegen lassen! Was ist denn mit deiner Tuss, Alder? Das kann der Typ doch nicht mit dir machen!«

Ronny nickte, scheinbar nachdenklich und betrübt. Innerlich freute es ihn, dass zumindest in diesem Gespräch alles sehr gut für ihn lief. Murat war voll auf seiner Seite, schien empörter über Thums Ultimatum als Ronny selbst. Und er schien auch nicht ganz gewillt zu sein, einen guten Kumpel einfach so zu verlieren.

»Es wäre natürlich schon gut, wenn ich mehr als nur ein paar Stunden Zeit hätte«, sagte Ronny langsam, so, als seien ihm diese Gedanken jetzt erst gekommen. »Ich würde gern wenigstens ein paar Geschäfte zu Ende bringen … mich von ein paar Leuten anständig verabschieden … vor allem von Julia.«

Murat packte es immer noch nicht. »Kannst du nicht noch mal mit dem Typ labern? Der checkt doch überhaupt nicht, dass du mit Julia echt was am Laufen hast und dass die nicht nur’n Pony für dich ist.«

»Murat, da läuft nichts mehr. Der Kerl ist echt angefressen. Du siehst ja jetzt noch, wie er mir die Fresse poliert hat.«

»Aber das lässt du dir doch nicht gefallen, Mann! Bist du schwul, oder was? Du kannst dich doch von dem Penner nicht ficken lassen!«

»Was soll ich denn machen, verdammt? Dem Typ gehört die halbe Stadt! Und ich bin ganz allein.« Ronny holte tief Luft. »Darum hab ich mir gedacht …«

»Was?«

»Alleine komm ich gegen den Typ natürlich nicht an. Wenn ich bis morgen Mittag nicht meinen Arsch aus der Stadt habe, reißt der ihn mir auf bis zum Hals. Thum hat bei so was noch nie herumgealbert. Allerdings … wenn er irgendwie abgelenkt wäre … andere, wichtigere Sorgen hätte … Ich könnte wenigstens ein bisschen Zeit gewinnen. Entweder um ein paar Leuten tschüss zu sagen – oder das renkt sich am Ende doch noch alles wieder ein.«

Murat runzelte die Stirn. »Wovon sprichst du, Mann?«

»Ich könnte deine Hilfe gebrauchen.«

»Meine?«

»Klar. Du arbeitest zwar für mich und damit für Thum. Aber viele deiner Kumpels gehören zur türkischen Mafia hier in der Stadt.«

Murat konnte noch nicht ganz folgen. »Und?«

»Wenn es zwischen deinen Leuten und denen von Thum zu kleinen Scharmützeln käme … Nichts Großes, nur gerade genug, dass er sich ein bisschen einen Kopf darum machen muss …«

Murat spuckte fast sein Bier aus. »Geh scheißen, bist du dumm oder was? Jetzt halt mal den Ball flach! Wenn wir dem Thum seine Jungs dissen, kriegen zum Schluss wir eins in die Fresse, aber fett! Das kannst du echt in die Tonne treten, Mann.« Er geriet schon wieder in Rage.

Ronny hatte mit dieser Reaktion gerechnet und wusste, dass er jetzt einfach ruhig und hartnäckig bleiben musste. Dann würde Murat schon wieder runterkommen.

»Es soll ja nicht gleich in einen Bandenkrieg ausarten«, sagte er deshalb. »Nur ein paar Reibereien. Nichts, was wir hinterher nicht wieder kitten könnten.«

Murat schüttelte den Kopf. »Nichts zu machen, Mann.« Er trank mit einem tiefen Schluck den Rest seines Bieres aus. »Wie soll ich denn so was Abgefucktes überhaupt anstellen?«

Die Sklavenmädchen von Wiesbaden

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