Читать книгу Die Sklavenmädchen von Wiesbaden - Arne Hoffmann - Страница 23
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Ronny saß in einem gemieteten Nissan Micra vor der Villa des Paten und wartete in der Dunkelheit.
Er hatte Wiesbaden nach seinem Gespräch mit Murat im »Chic« tatsächlich für einige Tage verlassen. Allerdings hatte er sich nicht weiter zurückgezogen als ins benachbarte Mainz. Von dort aus hatte er weiter seine Strippen gezogen.
Das Gespräch mit Murat war nur ein Dominostein von vielen. Ronny besaß im türkisch-islamischen Lager Kontakte unterschiedlichster Art. Mancher von ihnen schuldete ihm noch etwas, bei anderen besaß Ronny durch sein Wissen Mittel und Wege, sie unter Druck zu setzen. So wie Erdal, mit dem er sich im McDonalds des Mainzer Hauptbahnhofs getroffen hatte, um ihm klarzumachen, was er von ihm verlangte.
»Das gibt Blut«, hatte Erdal ihm prophezeit.
Ronny grinste nur und biss genüsslich in seinen MacRib.
Thum andererseits war natürlich auch nicht bescheuert. Irgendwann steckte es ihm jemand, dass im Türkenviertel die abenteuerlichsten Gerüchte über ihn kursierten: von Übernahmebestrebungen, Feindseligkeiten gegenüber dem Islam und anderen üblen Dinge mehr. Thum reagierte schnell und traf sich mit seinen eigenen Kontakten innerhalb der türkischen Mafia, beruhigte, bekräftigte Bündnisse und erkundete, wer hinter diesen neu aufgekommenen Gerüchten steckte. Er musste kein Genie sein, um Ronny auf die Liste der Hauptverdächtigen zu setzen. Nur dass er nicht wusste, wo seine einstige rechte Hand mittlerweile steckte.
Julia schien von all dem nichts mitzubekommen. Wenn Ronny mit ihr telefonierte und ihr von irgendeinem Auftrag erzählte, über den er nichts Genaueres sagen durfte, nahm sie es gelassen hin, ohne nachzufragen. Ihr war vollkommen klar, in welche Art von Geschäften nicht nur ihr Vater, sondern ein großer Teil ihrer Bekannten verstrickt war, und es war für sie Wiesbadener Business-as-usual.
Ronny sah seine Herausforderung darin, schneller den islamischen Teil der Wiesbadener Unterwelt zum Brodeln zu bringen, als Thum es gelingen konnte, ihn zu befrieden. Gleichzeitig hielt er sich über den aktuellen Zustand dieses Kochtopfs kontinuierlich auf dem Laufenden. Befriedigt stellte er fest, dass er es trotz Thums Beschwichtigungsversuchen schaffte, die Hitze immer höher zu treiben. Irgendwann hatte er den Eindruck, dass der Siedepunkt so gut wie erreicht war.
Diesen Augenblick wählte er aus, um einige Briefe zu lancieren, deren Papier das Wasserzeichen Thums trugen. Sie waren von einem angeblichen Spießgesellen, den Ronny erfunden hatte, direkt an den Paten gerichtet, und teilten diesem mit, dass die geplante »vergnügliche Porno-Reihe«, in welcher der Prophet Mohammed gezeigt würde, wie er nacheinander 72 Jungfrauen und eine Ziege vögelte, so gut wie abgedreht sei, und man jetzt auf weitere Anweisungen warten würde. Ronny war sich sicher, dass das den Coup-de-Grace ausmachen würde. Er hielt sämtliche größeren Religionen für einigermaßen bescheuert, aber der Islam hatte in seiner heimlichen Verachtung mit Abstand den Spitzenplatz inne. Wenn die christliche Kirche scharf kritisiert oder durch den Kakao gezogen wurde, äußerten einige stockkatholische Leutchen vielleicht scharfe Empörung, aber das war’s dann auch. Beim Islam bedeutete dasselbe Wutausbrüche, Morddrohungen, Fatwas und tatsächliche Gewalt. Was Ronny gerade in diesem Moment außerordentlich freute, denn diese leichte Erregbarkeit bei der geringsten Provokation bedeutete für seine Manöver leichtes Spiel.
So wie jetzt. Das Netz, das er gesponnen hatte, hatte wunderbar funktioniert. Er stellte fest, dass ein Teil von Thums Villa mittlerweile in Flammen zu stehen schien. Ab und zu waren Schüsse zu hören. Vielleicht hatte er Glück, und er brauchte selbst gar nicht mehr tätig zu werden.
Plötzlich durchfuhr es ihn wie ein Schlag. Zwei einzelne Menschen erschienen in der Finsternis. Der eine von sehr massigem Körperbau, der andere ein gutes Stück größer als er. Ronny hatte mit seinen Spekulationen, wo sich der Ausgang von Thums Kellertunnel befand, also wenigstens im Groben Recht behalten. 90 Prozent des von ihm ausgearbeiteten Plans klappten wie am Schnürchen. Nur dass er jetzt selbst noch die Sache zu Ende bringen musste. Obwohl ihm auch das eine gewisse Befriedigung verschaffte.
Lautlos stieß er die nur angelehnte Tür seines Wagens auf und ließ sich nach draußen gleiten. Andere geparkte Autos verschafften ihm die nötige Deckung. Wobei Thum und Bruno auf eines von ihnen zurannten, einen Mercedes. Ronny huschte geduckt in ihre Richtung, so lautlos er nur konnte. Bruno war kein Anfänger. Ronny konnte nur hoffen, dass Thums Leibwächter seine Aufmerksamkeit noch immer auf Bedrohungen aus Richtung Villa richtete, statt auf einen unerwarteten Überfall aus den Schatten.
Im nächsten Moment hatte er die beiden direkt vor sich. Er war nur wenige Meter von ihnen entfernt. Keiner von beiden schien ihn wahrzunehmen. Thum schloss die Tür seines Wagens auf, Bruno sicherte mit seiner Waffe in die entgegengesetzte Richtung.
Ronny war hin- und hergerissen zwischen seinem Wunsch nach einem großen Auftritt und einem Finale wie im Kino und seinem Wissen, dass es in solchen Situationen immer darum ging, sich selbst in absolut keine Gefahr zu bringen und jedes Risiko eines fairen Duells zu vermeiden. Was eigentlich bedeutete, dass er handeln musste, bevor sein Gegner auch nur begriff, was gerade geschah. Verdammt schade, wenn er daran dachte, wie Bruno ihn in die Mangel genommen hatte.
Was blieb ihm übrig? Ronny trat mit erhobener Pistole aus den Schatten. Er war noch gar nicht richtig in Brunos Blickfeld, da kreiselte Thums Leibwächter bereits mit seiner eigenen Waffe im Anschlag herum. Ronny drückte ab. Er traf Bruno im Hals, etwas höher als gezielt, aber gut genug. Bruno wurde zurückgeschleudert, er gurgelte, eine kleine dunkle Fontäne schoss in die Höhe. Thum erstarrte, wie vom Blitz getroffen. Dann fuhr seine Hand in die Tasche seines Mantels. Fast mitleidig wurde Ronny klar, dass der Alte noch nicht einmal eine eigene Waffe in der Hand gehalten hatte.
Er richtete seine Pistole in das schreckverzerrte Gesicht von Julias Vater.