Читать книгу Die Sklavenmädchen von Wiesbaden - Arne Hoffmann - Страница 20
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Er hatte sie freigelassen.
Miriam konnte es immer noch nicht ganz fassen.
Kerk hatte sie von den Fesseln befreit, ihr ihre Klamotten vor die Füße geworfen und ihr befohlen, sich wieder anzuziehen. Das hatte sie mit zitternden Händen getan, wobei er sie betrachtete wie jemand, der gerade eine lohnende Erwerbung gemacht hatte.
»Nur zwei Kleinigkeiten, zu unserer Sicherheit«, hatte er gesagt und war hinter sie getreten. Dann legte sich eine blickdichte Binde um ihre Augen. »Nur damit du niemandem verraten kannst, wo du warst«, flüsterte er ihr ins Ohr. Dann ergriff er sie am Arm und geleitete sie aus dem Zimmer, durch den Flur, eine Treppe herab und schließlich in einen Raum, in dem ihre Schritte hallten und der ein wenig nach Motoröl roch. Sie hörte, wie ein Wagenschlag geöffnet wurde, und Kerk befahl ihr, auf der Rückbank Platz zu nehmen.
Miriam hatte es getan. Immer noch war ihr übel vor Angst. Kerk hatte sich neben sie gesetzt, und sie waren losgefahren. Wie lange genau, wusste sie nicht. Ihr Herz schlug die ganze Zeit bis zum Hals. Was hatte dieser Mensch nur mit ihr vor?
Endlich hielt der Wagen. Kerk beugte sich zu ihr rüber, legte eine Hand auf ihre Brust. »Und jetzt die andere Sache, um uns abzusichern«, raunte er. »Wir wissen, wer du bist und wo du wohnst. Wenn du gegenüber irgend jemandem« – er zischte dieses Wort geradezu – »auch nur ein Wort von deinem kleinen Abenteuer verlierst, dann werden wir uns die Menschen vornehmen, die du liebst. Das kann deine Mutti sein oder dein Papa oder deine beste Freundin Steffi. Du willst doch nicht eines Tages nach Hause kommen und euren ganzen schönen Flur voller Blut vorfinden, oder?« Er hauchte dem zu Eis erstarrten Mädchen noch einen Kuss auf die Wange, dann stieß er sie hinaus. Miriam schwankte mit immer noch verbundenen Augen umher, hörte hinter sich die Tür ins Schloss fallen und den Wagen davonbrausen.
Einen Moment lang stand sie nur hilflos da. Dann griff sie langsam nach dem Tuch über ihren Augen, schob es hinauf zur Stirn, zog es sich schließlich ab. Zwinkernd sah sie sich um. Es war mittlerweile später Abend, und sie befand sich an einem Ort, den sie kannte. Der Wiesbadener Schelmengraben; nicht weit von hier war sie zu Hause.
Ein paar Schritte entfernt lag ihre Schultasche.
Miriam versuchte vergeblich, sich darüber klar zu werden, was gerade geschehen war, und die Übelkeit in sich niederzukämpfen. Sie hatte den Eindruck, sie würde mindestens einen Meter neben sich stehen. Schon ihre Entführung konnte sie nicht wirklich verarbeiten, ihre Freilassung direkt danach erst recht nicht. Funktionierte der weiße Sklavenhandel nicht so, dass man Mädchen gefangen nahm, sie längere Zeit einsperrte und so lange misshandelte, bis sie gefügig geworden waren? Stattdessen hatte man sie entführt, auf absonderliche Weise sexuell missbraucht, aber nicht gerade brutal vergewaltigt, und dann bis kurz vor ihre Wohnung gefahren.
Was geschah hier?
Miriam nahm ihre Tasche und ging damit in Trance wie ein Zombie nach Hause.