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Wegwürft und Mozilla – die deutsche Überlieferung

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Verglichen mit der altenglischen und altnordischen Literatur blieben unter den Südgermanen nur wenige Reste vorchristlicher Kultur erhalten, die in den Handschriften fast verschämt auf noch leeren Blättern niedergeschrieben wurden. Der Süden Germaniens umfasste vor allem die später sogenannten deutschen Stämme der Franken, Baiern, Alamannen, Thüringer und Sachsen. Die Erstgenannten dominierten und unterwarfen die anderen von etwa 500 bis 800, als der Frankenherrscher Karl der Große in Rom zum Kaiser des in Westeuropa wiedererstandenen Römischen Reiches gekrönt wurde. Zeitgleich mit den fränkischen Eroberungszügen drang das Christentum vor – insbesondere mit der Hilfe irischer und angelsächsischer Missionare. Die Sachsen im heutigen Nordwestdeutschland, deren Verwandte in England eigene Reiche gegründet hatten, wurden erst in den Jahrzehnten um 800 blutig unterworfen und missioniert. Überall dienten die Klöster als Bildungszentren, so das im 7. Jahrhundert gegründete St. Gallen, später Weißenburg im Nord-Elsass, Echternach in Luxemburg oder das 744 entstandene Fulda in Hessen. Im eroberten Sachsengebiet errichtete man Bischofssitze wie Paderborn und Münster, aber auch Klöster, dessen bedeutendstes das 822 gegründete Corvey an der Weser wurde. Erst in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts entstand im bairischen Freising das erste Buch in deutscher Sprache, der sogenannte Abrogans, ein lateinisch-althochdeutsches Wörterverzeichnis. Ansonsten schrieb man vor allem biblische Texte wie die Evangelienzusammenstellung des Otfried von Weißenburg oder den altsächsischen Heliand aus Corvey, dazu Psalmen, Gebete, Glaubensbekenntnisse, Predigten und Ähnliches. Hinzu kamen Gesetzestexte, Glossare mit Wörterlisten, aber auch Übersetzungen gelehrter Werke, so die der Etymologien des Isidor von Sevilla. Nur wenige poetische Texte besangen Herrscher und Heilige.

Mit diesen Werken christlicher Gelehrsamkeit waren die Schreibstuben anscheinend ausgelastet; Älteres gelangte nicht aufs Pergament. Mit Ausnahmen: Um 830 machten sich zwei Mönche in Fulda daran, ein altes Heldenlied auf die Vorder- und Rückseite einer lateinischen Handschrift mit theologischen Werken zu schreiben. Der kurze Text mit traditionellem Stabreim stammte aus dem oberitalienischen Langobardenreich und stellt anscheinend einen Übersetzungsversuch vom Althochdeutschen ins Altsächsische (das spätere Niederdeutsche) dar. Die Geschichte ist rasch erzählt: Zwei feindliche Heere treffen aufeinander, jeweils angeführt von Hildebrand und dessen Sohn Hadubrand, der seinen Vater für tot hält und ihn deswegen der Lüge bezichtigt. So kommt es zum Zweikampf zwischen Vater und Sohn, worüber der Alte klagt: „Wegwürft skihit“, „Übles Geschick vollzieht sich“. Vor dem tragischen Ende bricht die Handschrift jedoch ab. Eine Jahrhunderte jüngere Saga aus Island erzählt über das Ende, Hildebrand habe seinen Sohn töten müssen. Das „Hildebrandlied“ ist das einzige erhalten gebliebene südgermanische Heldenlied. Die Verbreitung der Heldensagen belegen aber Jahrhunderte später Texte wie der lateinische „Waltharius“ um den Sagenhelden Walther von Aquitanien, das „Nibelungenlied“ und die umfangreichen Dichtungen um den Helden Dietrich von Bern, dessen alter Waffenmeister Hildebrand war.

Schwerer fiel die Überlieferung des heidnischen Glaubens, wenn sie nicht ganz unmöglich war. Gedichte wie das „Mozilla“ oder das „Wessobrunner Gebet“ zeigen immerhin in Form und Wortschatz germanische Anleihen. Einzigartig sind die „Merseburger Zaubersprüche“, die im 10. Jahrhundert im Kloster Fulda niedergeschrieben wurden. Um Lösezauber von Fesseln geht es in ihnen und um die Heilung eines Pferdes. Götternamen wie Wodan werden erwähnt und ein uralter Mythos schimmert aus den wenigen Worten hervor. Götternamen überliefert auch das „Sächsische Taufgelöbnis“, das wohl in der Sachsenmission Verwendung fand. Ihm zufolge sollten die Bekehrten „Donar und Wodan und Saxnot“ abschwören.

Die wirkliche Mittelerde

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