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Das Erbe der Gelehrten

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In den Bücherschrank der wirklichen Mittelerde gehören auch die Werke griechischer und römischer Historiker sowie christlicher Gelehrter des Frühen und Hohen Mittelalters. Aus dem Reigen antiker Geschichtsschreiber seit Herodot ragt die Germania des Cornelius Tacitus (ca. 55–120 n. Chr.) heraus, widmet sie sich doch in vielen Einzelheiten den germanischen Stämmen und ihren Eigenarten. Anscheinend galt vieles noch 700 Jahre später, denn der Geschichtsschreiber Rudolf von Fulda zitiert im 9. Jahrhundert Tacitus, um die Lebensweise der Sachsen zu beschreiben.

Über die Welt der Angelsachsen wüsste man kaum etwas, hätte ihr nicht der Mönch und Gelehrte Beda Venerabilis („der Ehrwürdige“, 673–735) seine Aufmerksamkeit geschenkt. Er selbst stammte aus dem von Angeln besiedelten und geprägten Northumbrien, das er sein Leben lang nicht verlassen hat. Im Kloster Jarrow pflegte er seine vorzüglichen Lateinkenntnisse und eignete sich in der Bibliothek das Wissen seiner Zeit an. Als Lehrer und Verfasser eigener Werke errang er unter den Zeitgenossen großen Ruhm. Sein eine Generation jüngerer Landsmann Alkuin, Leiter der Hofschule Karls des Großen, nannte ihn den „ruhmwürdigsten Magister unserer Zeit“. In der Tat beschäftigen sich seine Schriften mit Grammatik, Zeitrechnung, Kosmografie und überhaupt mit der Naturgeschichte, vor allem natürlich mit biblischen und theologischen Fragen. Hier interessiert sein Geschichtswerk Historia ecclesiastica gentis Anglorum („Kirchengeschichte der Angelsachsen“), das sich nicht nur der englischen Kirche widmet, sondern auch der politischen und kulturellen Geschichte seiner Heimat – und das von Caesars Eroberungsversuchen bis ins Jahr 731. Als „Engländer“ weiß Beda vor allem von der germanischen Landnahme zu berichten und von den unzähligen und verworrenen Kriegen zwischen den diversen Königen der Angeln, Sachsen, Jüten und Kelten. Seine Erwähnungen heidnischer Priester und Tempel gelten als glaubwürdig, weil ihm ein recht genauer Umgang mit seinen Quellen nachgesagt wird. Bei aller christlichen Gelehrsamkeit war Beda ein ernst zu nehmender Zeuge und Chronist Mittelerdes. Was die keltischen Bewohner der Britischen Inseln betrifft, stehen ihm Gildas im 6. und Geoffrey von Monmouth im 12. Jahrhundert zur Seite.

Was Beda für die Angelsachsen, ist Adam von Bremen (um 1040 – um 1081) für Skandinavien. Der Geistliche stammte aus der Maingegend, kam dann aber etwa 1066 zu Erzbischof Adalbert nach Bremen, wo er schließlich die Leitung der Domschule übernahm. Sein einziges Werk, die Gesta Hammaburgensis ecclesiae Pontificum („Bischofsgeschichte der Hamburger Kirche“) widmet sich der Geschichte des Doppelbistums Hamburg-Bremen, dem seit karolingischer Zeit die Missionierung der nordgermanischen Völker oblag. Folgerichtig unternimmt der gelehrte Magister auch eine Landesbeschreibung der „nördlichen Inseln“, die ihm in der modernen Forschung die Bezeichnung eines „Tacitus der Nordgermanen“ eingebracht hat. Und Adam schrieb nicht nur vom Hörensagen; er reiste selbst nach Dänemark zu König Svend Estridsen, der sein wichtigster Berichterstatter wurde. Obwohl damals die Skandinavier zumeist den christlichen Glauben angenommen hatten, weiß das Werk doch noch von heidnischen Opferfeiern zu berichten.

Mehr als ein Jahrhundert später schrieb der dänische Gelehrte Saxo Grammaticus (ca. 1150–1220, Saxo der Grammatiker) am erzbischöflichen Hof zu Lund ein letztes gelehrtes Werk, das bedeutende Nachrichten aus der wirklichen Mittelerde bringt. Seine Gesta Danorum („Taten der Dänen“) ist eine Geschichte der Dänen von den Anfängen bis um 1200. Dabei nutzte er insbesondere die Informationen isländischer Gewährsmänner, durch die er viele Mythen und Heldensagen Skandinaviens kennenlernte. Seine pompöse lateinische Sprache und ein recht freier Umgang mit dem Stoff führten zu erheblichen Veränderungen der Quellen, mit denen die altnordischen Götter- und Heldenlieder der Älteren Edda sowie die Edda des Snorri Sturluson sorgsamer umgingen.

Die wirkliche Mittelerde

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