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Auf der Insel, 22. November 2014

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Es ist Mitternacht. Lech und ich sind kurz zuvor auf die Insel heimgekehrt. Er hatte mich in Arlanda abgeholt, stand mit seinem leisen Lächeln da, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

Ich war in Oslo gewesen und hatte auf einer Konferenz gesprochen. Auf dem Hinflug, als die Maschine gerade eine Höhe von zehntausend Metern erreichte, ging mir durch den Kopf, dass nur eine dünne Metallhülle und dünnes Fensterglas mich von der kalten, eisigen Weite dort draußen trennten. Eine Weite, deren Licht zu uns dringt, doch keine Geräusche. Nicht das Tosen der explodierenden Supernoven. Nicht die Winde, die über die Planeten rasen. Auch nicht der Gesang.

Bevor ich losgefahren war, hatte Lech ihn mir auf dem Computer vorgespielt, den Gesang, den die Raumsonde Philea nach der Landung auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko aufgefangen hatte. Er klang wie der Trauergesang von jemandem, der nicht länger glaubt, jemals gehört zu werden. Und Lech zeigte mir die Fotos, die die Sonde aufgenommen hatte, bevor sie auf dem Kometen gelandet war: ein Steinkopf, dessen Scheitel stark leuchtete, vielleicht ja auch das Gesicht, doch ist es nicht zu sehen, nur die dunkle Rückseite des Kopfes. Wenn man aber den Kometengesang hört, weiß man, wie das Gesicht aussieht.

Als ich meinen Vortrag gehalten hatte, ging ich durch Oslo. Es war kalt. Die Atemzüge der Menschen bildeten flüchtige Nebelwolken. Und plötzlich begriff ich, dass ein Trauergesang verschiedenartig klingen kann, dass er manchmal nur ein leises Klimpern ist. Wie bei der jungen Rumänin, die auf einem Stapel alter Zeitungen saß, eingewickelt in eine schäbige graue Decke. Im Gegensatz zu den anderen Bettlern streckte sie ihren Plastikbecher den Leuten nicht hin. Er steckte festgeklemmt zwischen ihren Knien. Als ich dicht vor ihr stand, begriff ich: Sie zitterte so sehr, dass ihre Knie die im Becher liegenden Münzen zum Klimpern brachten.

Ich hätte sie in ein warmes Café bringen sollen. Das Einzige aber, was ich tat, war, ihr einen Schein in den Becher zu stopfen, einen der beiden, die ich noch besaß. Sie murmelte etwas, das wie danke klang. Während das Klimpern weiterging. Ich nahm ein Taxi zum Flugplatz, das erste freie, das vorüberkam, obwohl noch drei Stunden Zeit war, bis meine Maschine fliegen würde. Ich konnte einfach nicht dortbleiben. Obwohl das Klimpern kaum zu hören war, übertönte es einfach alles.

Auf dem Flughafen fiel es mir schwer, irgendetwas zu tun. Ich hatte ein Buch eingesteckt über den Stalinismus in Rumänien. Ich lese alles, was ich über Rumänien auftreiben kann, als könnte mir das helfen, Bruno zu finden. Jetzt aber war ich nicht imstande, es zu lesen, auch anderes nicht, nicht einmal Paul Celans Gedichte, die ich ebenfalls mitgenommen hatte, er, der sich in der Seine ertränkt hat. Auch zu schreiben vermochte ich nicht, nicht die kleinste Zeile. Alles schmerzte, auch meine Sehnsucht nach Lech.

Goodbye, Bukarest

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