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Auf der Insel, 2. Februar 2015

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Es hat die ganze Nacht geschneit. Die Schneehauben wachsen, Büsche und Bäume biegen sich unter der Fülle, der See ist zum großen weißen Flachland geworden. Wie leben die Fische jetzt ihr Leben? Stehen sie unterm Eis reglos in der Dunkelheit? Oder schwimmen sie umher, als gäbe es kein Eis?

Und ich? Ich gleiche einem Faultier, das sich im Baum festgehakt hat. Ich habe mich an Bruno festgehakt. Und kann meinen Griff nicht lockern, nicht einmal jetzt. Obgleich sich die Annonce als verlorene Liebesmüh erwiesen hat. Nicht eine einzige Antwort war gekommen. Lech fragte mich heute, warum es mir so schwerfiel aufzugeben.

Ich fragte ihn, ob er sich an Elisabeth Costello, den Roman von J. M. Coetzee, erinnerte. Am Ende des Buches will die gealterte Autorin die Grenze zur anderen Seite passieren. Um das tun zu können, muss sie jedoch eine Erklärung abgeben. Und sie schreibt, dass sie Sekretärin des Unsichtbaren sei, eine von vielen Sekretären im Laufe der Jahrhunderte. Sie schreibe nur auf, was sie höre, so genau sie es vermöge. Das sei ihr Beruf: Texte nach Diktat zu schreiben.

Und ich höre Bruno, sage ich. Schon als ich noch ein Kind war und daran dachte, wie er tot im Schnee von Stalingrad lag, redete er zu mir. Und als ich erfuhr, dass er nicht tot war, redete er noch mehr. Er ist jedoch zu weit weg, als dass ich seine Worte vernehmen könnte. Das Einzige, was ich höre, ist seine Stimme, eine Stimme, von der ich mich nicht abwenden kann. Ich muss näher an sie heran, obwohl ich nicht weiß, wie.

Lech fragte, warum gerade Brunos Stimme so zwingend war. Vielleicht geht es um ein Wiedererkennen, sagte ich, so wie man sich von gewissen Menschen angezogen fühlt, auch von gewissen Büchern, gewissen Bildern und gewisser Musik. Man erkennt etwas aus der eigenen tiefsten Tiefe wieder, etwas, was den Boden für all das bildet, was man ist.

Lech sagte, er glaube zu verstehen. Dann erzählte er eine Geschichte, an die er sich ausgerechnet jetzt erinnerte, aus einem Grund, den er nicht begriff. Bevor wir uns begegnet waren, hatte er eine Zeit lang in Österlen gewohnt. Dort hatte er einen langen Spaziergang unternommen, als er an einer umzäunten Wiese vorbeigekommen war, auf der es überall Maulwurfshügel gab. Ein Mann mit Sportmütze war gerade beim Reparieren des Zauns. Als Lech mit ihm sprach, erzählte der Mann, dass er neugeborene Maulwurfjunge in der Hand gehalten hatte. Dass sie nackt und blind waren und nicht größer als eine Puffbohne, hatte ihm nichts ausgemacht. Aber, dass sie zitterten. Auch als er sie weggelegt hatte, war das Zittern in seiner Hand verblieben.

Goodbye, Bukarest

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