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Nula im Bubbelwald


Von Manuela Maurus aus Willofs

Einst lebte ein Mädchen namens Nula in einer kleinen Hütte im Bubbelwald. Dort gab es wundersame Wesen, die durch die Lüfte schwebten, immerzu Geräusche wie ein kleines Kinderkichern von sich gaben und eben aussahen wie kleine Seifenblasen. Nula war mit sich und der Welt zufrieden und machte sich nichts daraus, allein zu sein. Schließlich waren da Moppel, das Eichhörnchen, und Peppo, das Reh. Und es gab noch viele, viele andere Tiere, die Nulas Freunde waren.

Eines Tages klopfte es an der Tür. Nula zuckte zusammen. Keiner ihrer Tierfreunde war dazu fähig, an die Tür zu klopfen. Da hatte Nula dann doch ein bisschen Angst, und als nach einer Weile dann doch ihre Neugier siegte und sie die Tür öffnete, war da weit und breit niemand zu sehen. Sie wollte schon wieder hineingehen, als sie sah, dass etwas auf dem Boden vor der Hütte lag. Etwas, das das Mädchen noch nie zuvor gesehen hatte. Es war klein und golden, rund und hing an einer langen Kette. Schnell steckte sie es in die Tasche ihres Kleidchens und ging ins Innere der Hütte, um es genauer zu begutachten. Auf der Vorderseite des runden Anhängers waren kunstvolle Verzierungen angebracht, die alle zusammen den schönsten Schmetterling zeigten, den Nula bis dahin gesehen hatte. Plötzlich fiel ihr in der Stille des Waldes etwas auf. Irgendetwas hatte sich verändert. Irgendetwas… Wieder schaute sie den kleinen Schmetterling an und – Moment! Sie hielt ihn sich ans Ohr. Das war es! Der Schmetterling tickte langsam, aber in stetem Takt vor sich hin.

Fasziniert begutachtete sie wieder den Anhänger und entdeckte einen kleinen Knopf, den sie langsam und mit Bedacht drückte. Mit einem kleinen Klicken sprang der Anhänger auf. Zum Vorschein kamen zwölf Zahlen, die der Reihenfolge nach in einem Kreis angeordnet waren. Drei Linien, von denen sich eine stetig im selben Takt bewegte und von dem das Geräusch ausging, befanden sich in der Mitte dieses Kreises. Eine Weile rätselte Nula, was das sei und fragte dann ihre Waldfreunde. Doch keines von den Tieren hatte so etwas jemals gesehen. Frustriert, aber immer noch das geheimnisvolle Geschenk bewundernd, legte sich Nula schließlich ins Bett. Draußen war es schon dunkel geworden und im tickenden Rhythmus des Schmuckstücks schlief sie schließlich schnell ein.

Nula schreckte hoch. War da wieder ein Klopfen oder hatte sie das nur geträumt? Draußen war es schon hell und die Vögel zwitscherten; Betty und Mildred gaben sich ganz besonders viel Mühe. Nula stand auf, schlich vorsichtig zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Als jedoch wieder niemand dort war, war sie sich fast sicher, geträumt zu haben, schaute jedoch trotzdem zu Boden. Ihr Herz setzte dabei einen Schlag aus. Denn da am Boden, wo gestern noch die Kette lag, befand sich ein kleiner zusammengefalteter Zettel. Nula hob ihn auf, machte sich diesmal aber nicht die Mühe, zuerst in die Hütte zu gehen. Auf dem kleinen Blatt Papier stand:


„Hallo Nula, ich möchte dir etwas zeigen. Wenn du morgen früh den Schmetterling öffnest und die große und kleine Linie beide nach links zeigen, komm zur großen Eiche!“

Nula hatte Mühe, das Geschriebene zu entziffern, da sie nicht allzu viel Übung im Lesen hatte. Doch als sie fertig war, glühten ihre Wangen. Wer mochte das sein und vor allem, was wollte er ihr zeigen? Diesmal zeigte sie das Papier nicht ihren Freunden, sondern versteckte es unter ihrem Kopfkissen.

Nula konnte es nicht erwarten, dass es Abend wurde. Beim Spielen mit ihren Waldfreunden war sie nicht recht bei der Sache und bekam ein paar Mal einen Tannenzapfen an den Kopf geworfen. Schließlich war es dann aber doch so weit. Nula kuschelte sich in ihr Bett, faltete die Nachricht noch einmal auseinander und begutachtete den Schmetterling. Sie hatte inzwischen gemerkt, dass die Linien sich unterschiedlich schnell bewegten und hoffte sehr, dass sie den beschriebenen Moment nicht verpasste. Während sie noch darüber nachdachte, schlief sie aber schon ein. Diesmal wachte sie von einem anderen Geräusch auf. Es war sehr leise, aber doch auffallend. Nula blickte sich um und traute ihren Augen nicht. Der Schmetterling hatte sich aufgerichtet und drehte sich blitzschnell um die eigene Achse, wobei er ein leises Flirren von sich gab. Doch gerade, als sie ihn anfassen wollte, wurde er langsamer und legte sich schließlich wieder auf den Anhänger, als wäre nichts gewesen. Was sollte das bedeuten?

Nula drückte auf den kleinen Knopf und saß sofort kerzengerade im Bett. Die Linien hatten die Position angenommen, von der der Unbekannte gesprochen hatte. Schnell kämmte sie sich noch die Haare, zog sich an und war auch schon aus der Hütte. Zur großen Eiche war es nicht weit, und als sie dort war, verlangsamte sie ihre Schritte. Doch niemand wartete dort auf sie. Unter der Eiche ließ sich Nula nieder und blickte traurig auf ihren Schmetterling. Da begann er wieder wie von Zauberhand zu tanzen. Und als sie zuerst ihn anschaute und sich dann erhob, stand ihr ein Junge gegenüber. „Hallo Nula, ich bin Atin.“ Nula wusste nicht, was sie sagen sollte, aber sie konnte nicht den Blick von ihm wenden. Dann fiel ihr wieder ein, weshalb sie hier war. „Du wolltest mir etwas zeigen. Woher kennst du eigentlich meinen Namen?“ Und dann sprudelten die Fragen nur so aus ihr heraus. Wo er herkomme und was die geheimnisvolle goldene Kette war.

Der Junge schmunzelte. Konnte ein Mädchen so viel auf einmal reden? „Das Medaillon ist eine Uhr, die die Zeit misst. Ich bin seit einiger Zeit in diesem Wald und beobachte dich. Die Uhr ist von meinem Vater. Seine Worte, als er mir diese schenkte, waren: ‚Sie führt dich zum Glück.‘ Sie hat mich in diesen Wald zu dir geführt, Nula. Er trat einen Schritt auf sie zu, sodass die Luft zwischen ihnen zu vibrieren begann. Nula war etwas schwindelig, jedoch auf angenehme Weise. Und da beugte sich der Junge vor und gab ihr einen Kuss. Zuerst auf die Stirn, dann auf die Nasenspitze und schließlich, sehr zärtlich, auf den Mund. Nula schnappte nach Luft, überwältigt von den Gefühlen, die er in ihr auslöste. Sie flüsterte: „Aber wolltest du mir nicht etwas zeigen?“

Da nahm der Junge die Uhr aus ihrer Hand, legte sie Nula um den Hals, sodass sie sich schließlich an ihren Hals schmiegte. Dann nahm er ihr Gesicht in seine beiden Hände, sah ihr in die Augen und sagte: „Ich will dir zeigen, was Liebe ist.“ Er gab ihr erneut einen Kuss. Und ohne dieses Wort zuvor schon einmal gehört zu haben oder zu wissen, was es war, begann Nula in diesem Moment zu lieben.

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