Читать книгу Gute Nacht Geschichten - Augsburger Allgemeine - Страница 5
Der Wunschbaum Allerlei
ОглавлениеVon Kristina Hofmann aus Sonthofen
Es gab einmal zu einer Zeit, als Wunder noch wahr wurden, wenn man nur ganz fest daran glaubte, einen Zauberbaum und der hieß „Allerlei“. Den Namen „Allerlei“ hatte er bekommen, weil ALLERLEI verschiedene Blätter an seinen Zweigen wuchsen. Manche waren riesengroß und sahen aus wie Flügel, andere hingegen waren winzig klein, wie Tannennadeln. Die Blätter waren grün und gelb, rot und braun und manche waren sogar golden, mit denen hatte es eine besondere Bewandtnis. Der Wunschbaum Allerlei hat nämlich im Laufe seines langen Lebens sämtliche Sternschnuppen, die vom Himmel gefallen sind, aufgefangen und sie in Wünsche verwandelt. Das sind die goldenen Blätter. Die bewahrt er auf für Menschenkinder, die in ihrer Not zu ihm kommen und ihn um Hilfe bitten – oder ihre Fee-Patin zu ihm schicken.
Du weißt doch sicher, dass jedes Kind bei seiner Geburt eine Fee zur Patin bekommt? Und du weißt sicher auch, dass man sich etwas wünschen darf, wenn man eine Sternschnuppe vom Himmel fallen sieht? Allerdings darf man über diesen Wunsch nicht reden, sonst geht er nicht in Erfüllung, das ist Wunschgesetz.
Der Wunschbaum Allerlei ist ein großer, starker Baum und seine Äste reichen bis in den Himmel. Da unterhält er sich dann manchmal mit dem Mond und mit den Sternen, vielleicht sogar mit dem lieben Gott.
Seine Lieblingsbeschäftigung ist es, Geschichten zu erzählen, wenn er nur jemanden findet, der ihm zuhört. Und eine seiner Lieblingsgeschichten ist die vom kleinen Stern Ernst, und die geht so:
Einmal bemerkte der Baum erstaunt, dass auf eines seiner Blätter ein großer, dicker Tropfen plumpste. Der Wunschbaum wunderte sich: Ein Regentropfen ohne eine Wolke am Himmel – wo gab es denn so was? Er fragte den Mond, ob der wisse, woher vom sternenklaren Himmel ein Tropfen kommen könne, und erfuhr Folgendes:
Einer der Sterne war sehr traurig. Er blinkte nicht mehr, er glänzte nicht mehr, er strahlte nicht mehr. Traurig sah er auf die anderen Sterne, die miteinander lachten und fröhlich waren, und wieder lief eine dicke Träne über sein Sternengesicht und tropfte genau auf eines der goldenen Blätter des Wunschbaumes. Der wusste nun, dass es an der Zeit war, mal wieder einen Wunsch zu erfüllen, und fragte den Mond, ob er nicht eine Idee habe, wie man dem Stern helfen könne. Der Mond zog seine Stirn in Falten, sodass fast ein paar Berge verrutscht wären, zog seine Nase kraus und musste erst einmal kräftig nießen – hatschiii… und hatte plötzlich einen Einfall. „Weißt du, lieber Baum“, sagte er, „wir fragen den kleinen Stern gemeinsam, warum er so traurig ist.“ Und das taten sie.
Der kleine Stern sah den Mond mit seinen traurigen Augen an und sagte unter Schluchzen: „Ich möchte anders heißen. Mein Name ist blöd, ich mag diesen Namen nicht: ERNST, so ein doofer Name.“ Der Mond schaute den Stern verdutzt an. „Also so etwas habe ich ja noch nie gehört, dass jemandem sein Name nicht gefällt, nein so was.“
Dann wurde er sehr nachdenklich. „So, so“, sagte er, „dir gefällt dein Name nicht. Da wollen wir doch mal sehen, was man da machen kann.“ Gemeinsam mit dem Wunschbaum überlegten sie, was man da tun könne, und der Baum hatte eine Super-Klasse-Idee:
„Soviel ich weiß, lieber Stern, ist deine Taufpatin die Regenbogenfee.“ Ja, auch Sterne bekommen bei der Geburt eine Fee zur Patin. „Ich werde ihr ein Traumtelegramm schicken, ihr von deinen Nöten erzählen und sie bitten, dir ein paar von ihren Farben vorbeizubringen. Dann malst du deinen Namen um. Du malst das E gelb, das R blau, das N orange, das S rot und das T grün. Dann stellst du das rote S an die erste Stelle, das grüne T an die zweite Stelle, das gelbe E in die Mitte, das blaue R an die vierte Stelle und das orange N an die letzte Stelle. Siehst du, was dabei herauskommt? Du hast den schönsten Namen der Welt, es wurden nur die Buchstaben vertauscht.“
Der Stern strahlte, alle seine Traurigkeit war wie weggemalt. Und als der Mond nach einem Monat, als er wieder mal voll war, nach dem Stern schaute, sah er, dass der heller als alle anderen Sterne strahlte und sogar die Menschen auf der Erde damit ansteckte. Schaut beim nächsten sternenklaren Himmel mal hoch, da seht ihr den kleinen Stern Ernst ganz groß leuchten.