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Der kleine Regenbogen
ОглавлениеVon Klement Prior aus Dietmannsried
Dilara war ein kleines fröhliches Mädchen mit blauen Augen und langen Haaren, die zu einem dicken Zopf geflochten waren. An einem wunderschönen Sommertag wäre Dilara gern mit ihrer Freundin Amelie in den Garten zum Spielen gegangen. Sie lag aber mit einer Grippe krank in ihrem Bett und durfte nicht aufstehen. Die Mutter versorgte sie mit Tee, Obst und Keksen. Und weil Dilara sehr müde war, schlief sie bald ein.
Einige Zeit später wurde sie von einem heftigen Gewitter geweckt. Es blitzte und donnerte. Sie rief nach ihrer Mutter – doch die antwortete nicht. Sie rief noch einmal, so laut sie konnte. Doch es rührte sich nichts im Haus. Niemand war da. Dilara stand auf und schaute aus dem Fenster. Das Gewitter hatte sich inzwischen verzogen und die Sonne kam zum Vorschein. Da Dilara sich wieder fit und gesund fühlte, zog sie sich an, nahm ihren kleinen Rucksack, packte eine Trinkflasche, einen Apfel, die übrigen Kekse, ein Malbuch und Malstifte ein und ging hinaus. Sie wollte ihre Freundin Amelie besuchen, um mit ihr zu malen und zu spielen.
Der Weg führte sie am Bach entlang und über einen schönen Wiesenweg. Viele schöne Blumen standen auf der Wiese, und sie pflückte einen dicken Strauß davon. Diesen Wiesenblumenstrauß wollte sie ihrer Mutter mit nach Hause bringen. Nach einiger Zeit schaute sie sich mitten auf der Wiese plötzlich suchend um. „Wo muss ich denn nur hin?“, dachte sie. Dilara hatte sich verlaufen. Sie wusste nicht mehr, in welche Richtung sie weitergehen musste. Da entdeckte sie eine Bank. Dort wollte sie erst einmal Rast machen. Sie setzte sich hin und holte aus ihrem Rucksack die Brotzeit heraus. Während sie an ihrem Keks knabberte, hörte sie plötzlich hinter sich eine leise, feine Stimme: „Hallo, kannst du mich hören? Hallo!“, sagte die Stimme. Dilara drehte sich um, konnte aber niemanden entdecken. „Da muss ich mich wohl getäuscht haben“, dachte sie und nahm einen Schluck aus ihrer Trinkflasche. Doch schon wieder hörte sie die leise Stimme hinter sich: „Hallo, kleines Mädchen, hörst du mich denn nicht, ich bin hier, hinter der Bank?“
Jetzt stand Dilara auf und schaute genauer nach. Sie konnte kaum glauben, was sie da sah: Ein winzig kleiner Regenbogen, der eigentlich keiner mehr war. Denn der war so klein, dass er nicht einmal über die Bank hinausragte und nur noch zwei Bögen in den Farben Rot und Orange hatte. Dilara konnte nicht anders und musste laut und herzhaft lachen. „Was bist denn du für ein Regenbogen? Deine Bögen müssten doch bis zum Himmel hinaufreichen?“ Der kleine Regenbogen war sehr traurig und erzählte, dass er früher ein sehr schöner, großer Regenbogen und stolz auf seine bunten Bögen war. Aber die Gewitterhexe habe seine bunten Bögen für einen Zaubertrank gebraucht und ihm die Farben Gelb, Grün und Blau gestohlen. Seitdem sei er nun so klein, dass er nicht mehr bis zum Himmel reiche. „Ich bin so traurig, kannst du mir nicht helfen?“, fragte der kleine Regenbogen.
Dilara überlegte und überlegte. Da kam ihr eine gute Idee! Sie holte ihre Farbstifte aus dem Rucksack und begann, dem Regenbogen wieder bunte Bögen zu malen. Sie malte die Bögen in den Farben Blau, Gelb, Grün und Violett. Der Regenbogen wurde größer und größer. Schließlich reichte der Regenbogen wieder bis zum Himmel hinauf. Dilara war stolz auf ihr Werk und der Regenbogen war überglücklich. „Nun bin ich ja noch viel größer und schöner als vorher!“, rief er begeistert. Vielen Dank, dass du mir geholfen hast. Dafür hast du nun einen Wunsch frei!“ Dilara musste nicht lang überlegen. „Ich habe mich verlaufen und wünsche mir, wieder zu Hause zu sein!“, sagte sie. Da machte es „Rum-Bum, Bim-Bam, Blitz-und-Donner“ und – Dilara lag wieder zu Hause in ihrem Bett.
Die Mutter stand vor ihr und sagte: „Na, Dilara. Hast du gut geschlafen? Es hat ein Gewitter gegeben. Schau mal aus dem Fenster. Dort kannst du einen wunderschönen großen Regenbogen sehen.“ Dilara lief schnell zum Fenster und drückte sich daran die Nase platt. Am Himmel entdeckte sie den schönsten Regenbogen, den sie je gesehen hatte. Dabei hatte sie das Gefühl, als zwinkere er ihr zu. Gleich erzählte Dilara ihrer Mutter, was sie erlebt hatte. Die Mutter lachte und meinte, „das wirst du wohl nur geträumt haben!“ Dilara zuckte mit den Schultern und machte einen Schmollmund. Sie fühlte sich nun wieder viel besser, schlüpfte aus dem Bett und ging mit ihrer Mutter in die Küche. Dort stand, mitten auf dem Tisch, ein dicker Strauß mit den schönsten Wiesenblumen.