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Das glückliche Apfelbäumchen

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Von Petra Porstner aus Kaufbeuren

Es war einmal ein Apfelbäumchen. Das stand schon viele Jahre und tief verwurzelt in einem wunderschönen Apfelhain am Stadtrand von Heitertupfering. Alljährlich im Frühjahr trug das Apfelbäumchen die dicksten, schönsten und prächtigsten Blüten, die man sich nur vorstellen kann. Aber es war darüber nicht sehr glücklich. Jedes Jahr im Herbst kam der Bauer mit einem großen, hölzernen Wagen und warf all die Äpfel, die das Apfelbäumchen an seinen dicken Ästen trug, dort hinein. Unsanft rüttelte und schüttelte er das Bäumchen, zerrte an den Zweigen und riss an den Äpfelchen, um eilig seinen Wagen zu füllen. Darüber war das Apfelbäumchen sehr traurig, denn es wünschte sich nichts so sehr, als dass es irgendjemand auf der Welt gab, der einmal staunend vor ihm stand und für sich ganz allein dachte: „Was ist das für ein schönes Apfelbäumchen.“

Direkt an den Apfelhain grenzte ein sehr großes Gebäude. Das Apfelbäumchen verstand nicht viel von Architektur, und so fragte es seinen Nachbarn, ein furchtbar kluges und gescheites Apfelbäumchen: „Was ist das für ein Haus? Ich sehe dort immerzu Kinder ein- und ausgehen.“ „Ach du Dummerchen“, antwortete sein Nachbar, „das ist doch kein gewöhnliches Haus, das ist eine Schule.“ Von einer Schule für Kinder wusste das Apfelbäumchen nichts, aber es hatte schon von den Baumschulen gehört, die von den Birn-Zwetschgen- und Apfelbäumchen der höheren Gesellschaft besucht wurden. Das Apfelbäumchen war sehr interessiert an all den Kindern und beobachtete alles ganz genau.


Dann wurde es Winter. Der war sehr lang und sehr kalt. Auch das Apfelbäumchen fror ganz jämmerlich und freute sich schon auf die ersten wärmenden Sonnenstrahlen. Endlich wurde es Frühling. Der Schnee schmolz, Tulpen und Narzissen standen in den Gärten und ehe man sich versah, stand das Apfelbäumchen in der schönsten Blüte seines Apfelbäumchenlebens. Auch auf dem Spiel- und Pausenhof der Schule gab es jetzt eine Menge zu entdecken. Die Kinder lachten, spielten „Fang mich“, aßen leckere Marmeladenbrote und tranken Kakao aus kleinen Milchtüten. Das gefiel dem Apfelbäumchen und es freute sich jeden Tag aufs Neue über das turbulente Treiben jenseits des Zaunes. Glücklicherweise stand es so nahe am Gatter, dass es alles genau beobachten konnte und schon so manches Kind beim Namen kannte.

Auf den Frühling folgte ein langer, heißer Sommer und leider gab es auch die großen Ferien. Plötzlich war es ganz still in der Schule. Nur der Hausmeister mähte zuweilen den Rasen oder reparierte die Dachrinne im dritten Stock. Zum Glück hatte das Apfelbäumchen nicht viel Zeit, darüber traurig zu sein, denn es hatte alle Zweige voll zu tun, sich um das Wachstum seiner Äpfel zu kümmern. Ihm graute schon ein wenig vor dem Bauern und seinem hölzernen Wagen. Aber zum Glück waren die Ferien vorbei und die Schule mit neuem Leben erfüllt. So war es ganz und gar vertieft, sich alles anzusehen, dass es zuerst nicht bemerkte, dass da jemand am Zaun stand und zu ihm herübersah.

„Was bist du für ein schönes Apfelbäumchen“ – eine Kinderstimme riss das Apfelbäumchen völlig unvorbereitet aus seinen Gedanken, sodass es vor lauter Schreck heftig mit seinen Blättern raschelte. „Ich heiße Nils. Und wer bist du?“, sagte ein kleiner blonder Junge, der am Tor stand. Das Apfelbäumchen war völlig perplex, dass es von jemandem angesprochen wurde. „Nun, äh, ich bin ein Apfelbäumchen und gehöre zur Gattung der Zwick-Zwack, süß und saftige Äpfel.“ „Ich komme wieder“, rief Nils und verschwand im Getümmel, denn die Schulglocke hatte geläutet.

Von diesem Tag an waren Nils und das kleine Apfelbäumchen dicke Freunde. Nils erzählte allen Kindern in der Schule von den herrlichen Äpfeln, die das Apfelbäumchen trug. Als die Apfelernte nahte, schmiedeten sie einen Plan. „Komm morgen“, flüsterte das Apfelbäumchen, „und bring all deine Freunde mit.“ Als tags drauf die Schulglocke zur ersten Pause läutete, stürmten die Kinder, allen voran Nils, Richtung Apfelhain und staunten nicht schlecht, was sie dort sahen. Über Nacht hatte das Apfelbäumchen all seine Früchte abgeworfen und den Kindern vor die Füße gerollt, sodass sie nur noch danach greifen mussten. „Nils“, rief es zu seinem Freund, „für dich habe ich den dicksten und süßesten noch in meinem Blätterdach.“ Und dann ließ es seinen schönsten Apfel direkt in Nils kleine Hände plumpsen. Als das Apfelbäumchen all die Kinder sah, die fröhlich und schmatzend seine Äpfelchen verspeisten, da schloss es für einen Moment die Augen, weinte eine Glücksträne und sprach zu sich selbst: „Ich bin das glückliste Apfelbäumchen der Welt.“

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