Читать книгу Die Weltportale (Band 3) - B. E. Pfeiffer - Страница 15

Kapitel 6

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Wyn, der Anführer der Lunara, verschränkte seine Arme, als Eleonora neben Lucius wieder durch das Portal trat. Er wirkte gereizt und sie fragte sich, wieso.

Während sie darauf warteten, dass auch die anderen, die sie begleiten würden, durch das Portal traten, begann ein Lunara aus dieser Welt, mit Hektor zu sprechen.

»Wie ist die Menschenwelt, außer deutlich wärmer?«

Hektor ließ seinen Blick schweifen. »Nun, es gibt Pflanzen und Jahreszeiten, Meere und Flüsse …«

Er starrte auf ein Symbol, das auch Eleonora bereits aufgefallen war. Die Lunara trugen auf ihrer rechten Schulter eine Art Zeichen, das ein wenig an die Schrift erinnerte, die auf dem Portal aufgeleuchtet hatte. Ob es sich um einen Buchstaben der alten Lunara-Sprache handelte?

»Dieses Symbol kommt mir bekannt vor«, murmelte Hektor.

Der andere Lunara sah ihn verständnislos an. »Das sollte es auch, es steht für die Bestimmung eines Jägers.« Er deutete auf Hektor, dessen Schulter unter der Kleidung und dem Umhang verborgen war. »Und was ist deine Bestimmung?«

»Ich bin Handwerker«, erwiderte Hektor.

Der Jäger hob eine Augenbraue. »Was soll das bitte sein?«

Hektor setzte zu einer Erwiderung an, aber Seratus erklärte, dass sie vollzählig waren. Wyn, der wieder nur ein Grunzen von sich gab, wandte sich um und schritt voran, ohne sich darum zu kümmern, ob die anderen sein Tempo halten konnten.

Eleonora, die im tiefen Schnee immer wieder einsank, kämpfte verbissen darum, Wyn zu folgen. Doch erst als Lucius ihren Arm umfasste und ihr half, voranzukommen, gelang es ihr. Dankbar nickte sie Lucius zu, der starr nach vorn blickte. Er behielt Wyn im Auge und Eleonora wusste, dass er es tat, weil er dem Lunara nicht traute. Der Ritter war immer besorgt und verschaffte sich einen Überblick über die Lage. Vermutlich überlegte er gerade, wie sie am schnellsten fliehen konnten, wenn es nötig werden sollte.

Eigentlich wollte Eleonora sich nicht zu sehr auf ihn verlassen, aber sie konnte nicht anders, als ihm dankbar zu sein. Lucius gab ihr die Sicherheit, die sie jetzt benötigte. Außerdem hatte sie im dichten Schneetreiben, das eingesetzt hatte, längst die Orientierung verloren. Wyn hätte sie die ganze Zeit im Kreis führen können und sie wäre nicht dahintergekommen, Lucius aber mit Sicherheit.

Gerade als sie Wyn fragen wollte, wie lange sie noch würden gehen müssen, erkannte sie schemenhaft ein Gebäude vor sich. Je näher sie kamen, umso klarer wurden die Umrisse eines Palasts, dessen spitze Türme sie an das Schloss auf der Insel der Lunara erinnerten.

Unvermittelt hielt sie inne und betrachtete das Gebäude, das aus Eis errichtet zu sein schien. Der Schneesturm ließ nach, schwaches Sonnenlicht brach durch die dicke Schicht aus Wolken und erhellte die Kristalle, die seltsam zu funkeln begannen.

Eleonora wandte ihren Kopf und entdeckte Hektor, der schweigend neben ihr stand und das Schloss ebenfalls betrachtete.

»Trödelt nicht herum, Erdenwesen«, fuhr Wyn sie an. »Unser Ältester erwartet euch bereits und wir haben seine kostbare Zeit schon genug beansprucht.«

Zielstrebig schritt der Jäger auf das Holztor zu, das sich knarrend öffnete und den Blick in eine riesige Halle freigab, deren Boden mit Teppichen und Fellen ausgelegt war. Ein prasselndes Feuer brannte in einem Kamin und davor stand ein Stuhl aus dunklem Holz, auf dem ein Mann mit schneeweißem Haar und langen hellblauen Gewändern thronte.

Froh darüber, der Kälte entkommen zu sein, atmete Eleonora auf und wartete, bis Wyn sie zu dem Thron führte. Sie hielt inne, als sie das Gesicht des Lunara sah, denn es war von Falten gezeichnet und wirkte nicht so jung, wie sie es bisher gewohnt war. Im Gegensatz zu Wyn schien ihnen der Mann jedoch freundlich gesinnt zu sein, denn er lächelte, als er sich von seinem Thron erhob.

»Willkommen, Portalreisende«, sagte er und breitete seine Hände aus. »Ich freue mich, Abgesandte meines Volkes aus einer anderen Welt zu treffen.« Er betrachtete die Lunara, bis sein Blick an Eleonora hängen blieb. »Und wie ich sehe, ist auch ein Licht unter euch.« Sein Lächeln vertiefte sich. »Mein Name ist Lamir und ich bin der Älteste des Nordens. Ich gehörte einst zu den Lunara, die gegen den Schatten kämpften, und hatte die Ehre, das erste Licht kennenzulernen, bevor wir uns in unsere Welt zurückzogen, um sie zu retten.«

Eleonora schwieg und musterte den Lunara. Sie verstand, dass die Völker aus Furcht vor dem dunklen Königreich geflohen waren. Aber Lamir hatte gegen den Schatten gekämpft und war dennoch in seine Welt zurückgekehrt. Zorn schwoll in ihr an. Wieso hatte er ihre Welt im Stich gelassen?

Seratus trat vor und neigte seinen Kopf leicht zur Ehrerbietung. »Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Lamir. Ich bin Seratus, König der Magier, und wir sind gekommen, um Euch um Hilfe zu bitten.«

»Und wobei können wir Euch helfen, Magierkönig?«, fragte Lamir, der immer noch Eleonora betrachtete.

»Vor wenigen Tagen ist es dem Schatten, den wir nach der Versiegelung der Portale in einem Auronenkristall eingesperrt hatten, gelungen, die magischen Linien zu schwächen«, erwiderte Seratus.

Wyn, der an die Seite von Lamir getreten war, gab ein Schnauben von sich und legte eine Hand auf seinen Schwertgriff. Er setzte zu einer Bemerkung an, da trat Eleonora vor.

»Ältester, die Linien sind immer noch beschädigt und die verbliebenen Lunara in unserer Welt sind nicht mehr stark genug, sie zu läutern«, sagte sie mit fester Stimme. »Wir wurden von einem Splitter des Schattens angegriffen und viele Lunara wurden getötet, bevor wir ihn bezwingen konnten. Bitte helft uns, die Linien zu retten, und steht uns im Kampf gegen den Schatten bei, damit wir ihn diesmal endgültig vernichten können.«

»Den Schatten kann man nicht vernichten«, warf Wyn ungehalten ein. »Er ist das pure Böse, die dunkelste aller Magien, und wird nicht fallen, solange seine Welt mit ihm verbunden ist und er Macht daraus ziehen kann. Noch nicht einmal, als unzählige Völker versuchten, sein Reich zu zerstören, ist es ihnen gelungen. Wieso denkst du, ein kleines Mädchen, das von vier Völkern abstammt, könnte etwas erreichen, das vorher noch nicht einmal den mächtigsten Kriegern gelungen ist?«

Eleonora hielt inne und starrte den Lunara an, während Angst in ihr aufkam. Bisher hatte jeder versucht, ihr Mut zuzusprechen, aber dieser Jäger erklärte ihr gerade, dass sie ohne jeden Zweifel scheitern würde.

»Weil sie das Licht ist«, sagte Lucius und trat neben Eleonora. »Wir glauben an sie und sind bereit, ihr zu helfen, deswegen wird Eleonora gelingen, was bisher unmöglich schien.«

Am liebsten hätte Eleonora nach seiner Hand gegriffen, aber sie wagte es nicht vor dem strengen Blick des Jägers, der jetzt Lucius musterte. Der Ritter verschränkte seine Arme und starrte den Lunara seinerseits an.

»Wenn euer Licht so stark ist«, meinte Wyn schließlich, »wieso braucht ihr dann unsere Hilfe?«

»Weil das Licht die Linien nicht allein reinigen kann«, erklärte Sarina. »Ältester, du weißt, dass die Lunara es sind, welche die magischen Linien der Menschenwelt bewachten. Ohne eure Hilfe wird die Magie versiegen und der Schatten freikommen. Wie lange, denkst du, werden die Siegel in den anderen Welten seinem Zorn standhalten, wenn er sein Portal erst öffnet und über all seine Macht verfügt?«

Lamir nickte, betrachtete sie einen Moment nachdenklich und schritt dann auf Eleonora zu. Er hielt ihr seine Hände entgegen. »Berühre mit deinen Handflächen die meinen«, forderte er sie auf.

Unsicher wandte Eleonora sich zu Sarina um, die kaum merklich mit den Schultern zuckte. Zögerlich hob Eleonora ihre Arme und führte ihre Hände zu denen von Lamir. Kaum berührten ihre Finger seine, ging ein Ruck durch ihren Körper, als würde sie in einen magischen Strudel gerissen, und sie verlor die Kontrolle über ihre Bewegungen. Panik erfasste sie und ihr Herz schlug gegen ihre Brust, als eine fremde Magie sich ihrer bemächtigte und sie in die Erinnerungen eines anderen Bewusstseins eintauchte.

Sie sah einen Lunarakrieger, der gegen eine riesige schwarze Gestalt kämpfte und von ihr niedergeworfen wurde. Ein Arm des Wesens formte sich zu einem Schwert und drang in den Brustkorb des Lunara ein. Eleonora hatte das Gefühl, als würde die Klinge auch sie durchbohren, und sie keuchte, als sie die Zerstörung rund um den Krieger wahrnahm. Lunara, Auronen, Magier, Menschen, Elfen und Wesen, die sie nicht erkannte, lagen auf blutroter Erde, überall loderten Feuer und der Tod schwebte über dem Schlachtfeld.

Ein tiefer Schmerz legte sich über sie und sie kämpfte die Tränen zurück. So viel Leid, so viel Zerstörung …

Als sie endlich wieder in der Lage war, sich zu bewegen, riss sie die Hände von Lamir fort und taumelte rückwärts. Sie wäre gefallen, wenn Lucius sie nicht gestützt hätte. Um Atem ringend lehnte sie an seiner Brust und starrte den Lunara an. »Was war das?«, fragte sie mit zittriger Stimme.

»Das war mein Kampf gegen den Schatten«, erwiderte Lamir ruhig. »Du hast gesehen, was damals mit mir geschehen ist. Der Schatten hat mich verwundet und ich wäre gestorben, wenn die Auronen mich nicht gerettet hätten. Damals verlor ich jedoch all meine Kräfte und einen Teil meiner Unsterblichkeit, aber ich blieb am Leben und führte mein Volk durch unser Portal, um es zu schützen.« Er stieß den Atem aus und strich sich über die langen Gewänder. »Es ist die gleiche Wunde, die dein Vater bei seinem Kampf davongetragen hat.«

»Woher weißt du von meinem Vater?« Eleonora richtete sich auf. »Ich habe kein Wort darüber gesagt …«

»Du hast meine Erinnerungen gesehen und ich die deine«, erklärte der Älteste. »Ich habe deinen Kampf gesehen und weiß, dass ihr die Wahrheit sprecht. Deswegen bin ich überzeugt und bereit, euer Anliegen im Rat vorzutragen.« Er winkte einem Lunara zu, der sich im hinteren Teil der Halle aufgehalten hatte. »Benachrichtige die anderen Ältesten. Ich berufe eine Versammlung ein.«

»Mit Verlaub«, meldete sich Seratus zu Wort. »Die Linien sind sehr schwach. Wir sollten keine Zeit verlieren. Vielleicht könntet Ihr die anderen Lunara gleich zum Portal bitten?«

Lamir winkte ab. »Die Zeit in dieser Welt verstreicht anders als in eurer. Was hier mehrere Tage sind, ist für euch nicht mehr als ein Herzschlag.«

Eleonora sah Wyn verstohlen an, der seine Arme erneut verschränkt hatte und finster vor sich hinstarrte. Hieß das, er hatte tagelang auf sie gewartet, während sie sich in ihrer Welt rasch warme Kleidung angezogen hatten?

Als würde er ihre Gedanken hören, wandte er sich ihr zu und nickte kaum merklich. Kein Wunder, dass er so schlecht gelaunt war.

»Ich gebe euch meine Jäger für den Rückweg in eure Welt mit«, riss Lamir sie aus ihren Überlegungen. »Sie werden mit euch auf unsere Entscheidung warten.«

»Aber …«, versuchte Seratus es erneut.

Doch Sarina legte eine Hand auf seinen Unterarm. »Ihr werdet jetzt nichts ausrichten«, flüsterte sie. »Lasst uns gehen und darauf vertrauen, dass die Lunara uns beistehen werden.«

Wyn schritt an ihnen vorbei und öffnete das hölzerne Tor. Eisiger Wind drang von draußen herein und Eleonora zog ihren Umhang wieder enger vor ihrer Brust zusammen. Sie folgte dem Jäger gemeinsam mit Lucius hinaus in den hohen Schnee und war froh, als sie das Portal schon von Weitem leuchten sah.

Ohne zu zögern, ging Wyn als Erster hindurch und verschwand in silbernem Licht. Als Eleonora das Portal durchquerte, stellte sie fest, dass wirklich kaum Zeit vergangen zu sein schien. Der Schnee, den das Öffnen verursacht hatte, lag immer noch mitten im Hof und war nicht einmal angetaut. Die Magier, die ihnen Kleidung gebracht hatten, starrten sie verwundert an, immer noch einige Mäntel und Stiefel in den Händen. Fast so, als wären sie erst vor einem Wimpernschlag aufgebrochen.

»Erstaunlich«, murmelte Seratus, als er den Hof überblickte. »Wie ist es möglich, dass die Zeit hier anders verläuft als in einer anderen Welt?«

»Für einen Magier wisst Ihr ziemlich wenig«, meinte Wyn, der sich mit seinen Männern vor dem Portal aufbaute, als wollte er jeden daran hindern, noch einmal hindurchzugehen. »Noch dazu, wo ich eine andere Macht in Euch fühle, König.«

»Wenn die Zeit hier so viel langsamer vergeht als bei euch«, sagte Eleonora und nahm ihren Umhang dabei ab, »wieso sind die anderen Lunara dann noch nicht hier?«

Wyn hob eine Augenbraue. »Die vier Räte sind in die Himmelsrichtungen verstreut. Es dauert oft Monate, bis sie zum Versammlungspunkt gelangen, und eine so heikle Sache wie diese wird nicht in einer einzigen Sitzung besprochen. Also seid froh, dass die Zeit hier anderen Gesetzen folgt.«

Eleonora stemmte die Hände in die Hüften, doch Wyn blickte an ihr vorbei zu dem Schloss, das in der Sonne glänzte.

»Mondstein«, murmelte er und räusperte sich.

»Das ist lächerlich«, fauchte Daphne nach einiger Zeit und baute sich nun ihrerseits vor dem Lunara auf. »Wir gehen da jetzt rein und holen die Lunara raus, wenn sie zu stur sind, um den Ernst der Lage zu erkennen.«

Sie machte einen Schritt nach vorn, doch Wyn fing sie mühelos ab. Als Daphne sich wehren wollte, kräuselte sich die silberne Oberfläche des Portals und Eleonora hielt den Atem an.

Die Weltportale (Band 3)

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