Читать книгу Die Weltportale (Band 3) - B. E. Pfeiffer - Страница 20
Kapitel 11
ОглавлениеEs dauerte nicht lange, da fühlte sich der Wind so schneidend an, dass Eleonora es kaum noch aushielt und sich tief über ihr Pferd beugte, um sich ein wenig zu wärmen. Zwar überquerten sie die Wüste nahe von Dragonis, allerdings schien der Winter dennoch in greifbarer Nähe zu sein.
Je länger der Flug dauerte, umso steifer wurden ihre Finger, die sie um die Zügel verkrampfte. Denn mit jedem Flügelschlag kamen sie Lumeno näher und selbst hier, wo noch der zarte Duft des Meeres in der Luft lag, konnte sie bereits die Dunkelheit spüren, die von der Magierhauptstadt auszugehen schien. Das Atmen fiel ihr immer schwerer und sie musste sich zwingen, die Augen offen zu halten. Das Amulett unter ihrer Tunika glühte, wie vorhin, als Nina ihr gegenübergetreten war. Als wollte es sie schützen …
»Lucius«, dachte sie und war erleichtert, als der Ritter seinen Kopf wandte. Wortlos schien er zu verstehen, dass sie ihm etwas sagen wollte, denn er zügelte sein Pferd und ließ sich zu ihr zurückfallen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er. »Hast du … Habe ich dich in meinem Kopf gehört?«
»Es tut mir leid«, brachte Eleonora mühsam hervor. »Aber ich …«
Ihre Hände begannen zu zittern und sie musste gegen die Übelkeit ankämpfen, die sich ihrer bemächtigte.
»Eleonora«, sagte Lucius und griff nach den Zügeln ihres Pferdes.
Sie schaffte es gerade noch, sich im Sattel zu halten, und wusste nicht, wie es Lucius gelang, beide Pferde sicher auf den Boden zu führen, während er auch noch Dano davor bewahrte, hinunterzufallen. Aber kaum hatte ihr Tier seine Hufe auf den Sand gesetzt, schwang der Ritter sich aus dem Sattel und hob Eleonora aus ihrem.
»Was ist los?«, fragte er, als er sich mit ihr auf den Boden setzte.
»Die Dunkelheit … sie ist zu stark«, murmelte Eleonora. »Es fühlt sich so an, als wäre sie ganz nahe …«
»Unmöglich«, erwiderte der Ritter. »Lumeno ist noch einige Flugstunden entfernt.«
»Lucius, ich bilde mir das nicht ein«, sagte sie ernst. »Hier stimmt etwas nicht.«
»Ich glaube dir ja«, meinte Lucius und sah sich um. »Aber wir sind hier mitten in der Wüste und ich entdecke nichts, was auf den Schatten hinweisen könnte.«
Die anderen Pferde landeten neben ihnen, doch noch bevor Daphne, deren Gesicht von der Kälte gerötet war, fragen konnte, was los war, zitterte der Boden unter ihnen.
Die Flügelpferde schnaubten und obwohl Dano noch auf seinem saß, ging es mit ihm durch und lief in die Wüste. Jenes von Eleonora folgte ihm, nur Daphne und Cerim konnten ihre Tiere daran hindern, wegzulaufen.
»Was ist das?«, schrie Daphne, die mit dem riesigen Tier, auf dem sie vor Hektor saß, zu kämpfen hatte.
In dem Moment verschwand die Sonne in dunklem Nebel und es wurde eiskalt.
»Nina«, keuchte Eleonora, als sie auf einer Düne die schmale Gestalt ihrer einstigen Freundin entdeckte. Die Haut ihrer Hände wirkte noch dunkler als am Morgen und mittlerweile sahen auch ihre Arme aus, als hätte sie schwarze Spitzenhandschuhe angezogen. Ob die Dunkelheit sie von innen heraus zerfraß?
»Du bist wirklich dumm«, rief Nina und hob ihren Arm. »Hast du gedacht, ich lasse zu, dass du die Auronen um Hilfe bittest? Es ist Zeit, dass du in die Dunkelheit fällst, wie mein Meister es wünscht. Aber wenn es nach mir geht, überlebst du diesen Kampf nicht. Vielleicht habe ich ja das Glück und du wehrst dich?«
Blitze zuckten über den schwarzen Himmel und Eleonoras Amulett leuchtete golden gegen die Dunkelheit an. Sie erhob sich und baute sich vor ihren Freunden auf, selbst vor Lucius, der gerade dabei war, sich vor sie zu schieben. Der Ritter versuchte, Eleonora aufzuhalten, aber sie schüttelte seine Hand ab.
»Lass sie in Ruhe!«, brüllte sie und breitete ihre Arme aus. »Wenn du kämpfen willst, dann kämpf gegen mich!«
»Wie edelmütig«, meinte Nina und einer ihrer Finger zuckte, ehe ein Blitz die Luft durchriss.
Das Amulett wehrte den Angriff ohne Eleonoras Zutun ab. Es umhüllte die Gruppe mit einem Schild aus Schutzmagie und ließ auch die nächste Attacke von Nina ohne Wirkung bleiben.
»Ich dachte, du willst kämpfen!«, schrie die Magierin und zog etwas aus einer Tasche, die sie um die Hüften trug.
Eleonora erkannte es sofort an dem silbernen Glänzen.
»Der Mondstein«, hauchte die Göttin. »Du musst ihn zurückholen.«
»Wie?«, fragte Eleonora laut.
»Was meinst du?«, wollte Lucius wissen, der neben ihr stand.
»Die Göttin will den Mondstein zurück«, erklärte Eleonora. »Er ist der Grund, weshalb Nina so mächtig ist, obwohl keine Magie in dieser Gegend vorhanden ist.«
»Dann hole ich ihn, wenn du sie ablenkst«, schlug der Ritter vor.
Eleonora packte ihn am Arm und schüttelte den Kopf. »Sie tötet dich, sobald sie dich bemerkt. Und das wird sie. Das kann ich nicht zulassen.«
Lucius wollte etwas entgegnen, als ein lautes Krachen zu hören war. Ein Blick auf die Kuppel aus goldenem Licht, die das Amulett erschaffen hatte, machte deutlich, dass die Angriffe stärker wurden. Feine Risse bildeten sich bereits in dem glasartigen Gebilde und mit jedem Blitz, der darauf traf, wurden sie länger und dicker.
»Wir sollten etwas unternehmen!«, meinte Hektor, der von seinem mittlerweile ruhigen Pferd sprang und ein Schwert aus einer Tasche zog. »Der Mondstein ist zu mächtig in ihren Händen. Wir müssen sie anders bekämpfen.«
Eleonora wollte widersprechen, doch da traf ein gewaltiger Blitz die Kuppel und sie zerbarst in unzählige Splitter. Lucius schlang seinen Arm um sie und bedeckte ihre beiden Köpfe mit seinem Umhang, um sie zu schützen.
»Jetzt wirst du sterben!«, hörte Eleonora Nina ganz nah sagen.
Als sie aufblickte, stand die Magierin vor ihr, den leuchtenden Mondstein in ihrer schwarzen Hand erhoben und in der anderen ein langes Schwert. Sie holte aus und schwang die Waffe nieder, doch Lucius machte eine schnelle Drehung und brachte Eleonora aus der Gefahr. Das Schwert bohrte sich in seine Schulter und er unterdrückte einen Schmerzenslaut.
»Nein«, keuchte Eleonora, als sie das Blut sah, das seinen Umhang sofort tränkte.
Lucius fiel auf die Knie und Eleonora mit ihm, um ihn aufzufangen. Der Ritter sackte schwer gegen sie und es kostete sie alle Kraft, die sie aufbieten konnte, damit sie nicht mit ihm umkippte.
»Irgendwelche letzten Worte, elendes Licht?«, zischte Nina, als sie mit gezückter Klinge auf Eleonora zukam.
Hinter ihr standen Daphne, Cerim und Hektor völlig regungslos, als hätte Nina ihre Körper eingefroren. Hektor hatte das Schwert erhoben und Cerim versuchte, Daphne davon abzuhalten, sich auf Nina zu stürzen.
Ob Nina sie alle töten würde?
»Sieh dich nur an«, meinte die Magierin und legte grinsend den Kopf schief. »Ich wusste, du würdest vor mir im Dreck liegen, wenn ich dich töte. Noch nicht einmal dein tapferer Ritter konnte dich retten. Schade, dass er diese Wunde nicht überleben wird und du keine Magie besitzt, um ihn zu heilen.«
»Ich könnte jetzt Hilfe gebrauchen«, dachte Eleonora und hoffte, die Mondgöttin würde antworten.
»Der Auronenring. Benutze ihn«, flüsterte die Stimme, als wäre sie weit fort.
»Wie?«, fragte Eleonora, aber sie bekam keine Antwort mehr.
Gebannt starrte sie erst zu Nina, die vor ihr stand und zögerte, sie zu töten. Entweder wollte sie diesen Moment auskosten oder sie hatte doch Gewissensbisse bekommen. Dennoch durfte Eleonora nicht noch länger warten.
Sie berührte den Ring an ihrem Finger und rief gedanklich um Hilfe. Sie wusste nicht, ob das Schmuckstück auf diese Weise funktionierte, aber sie hoffte es, denn die Auronen waren vermutlich ihre letzte Hoffnung.
»Also keine Worte?«, fragte Nina und hob das Schwert. »Dann umarme die Dunkelheit, in die ich dich jetzt werfe!«
Obwohl Lucius’ Körper zwischen ihnen war, ließ Nina das Schwert herabfahren. Eleonora sammelte all ihre verbliebene Kraft, die sie noch fühlte, und wehrte den Streich mit Magie ab, um vor allem Lucius zu schützen.
Nina fluchte, als sie von der Wucht zurückgeworfen wurde und dabei das Schwert aus der Hand verlor, ebenso wie den Mondstein. Eleonora versuchte, Lucius abzulegen, um an den Stein zu gelangen, doch Nina war schneller, hob ihn auf und presste ihre Finger darauf.
»Du zögerst das Unvermeidliche nur hinaus«, zischte sie.
Eleonora wünschte, sie hätte das Schwert der Lorana bei sich, das Lady Graie ihr geschenkt hatte. Damit würde sie Nina zumindest im Kampf ohne Magie die Stirn bieten können. Denn ihre ehemalige Freundin war nicht besonders geschickt im Umgang mit Waffen, während das besondere Schwert Eleonoras Bewegungen durch seinen eigenen Zauber führte. Doch sie hatte noch nicht einmal ein gewöhnliches Schwert bei sich, weil alles in der Satteltasche ihres Pferdes verstaut war.
Trotzdem würde sie sich nicht kampflos ergeben. Nicht, wenn sie ihre Freunde retten konnte.
Ihr Blick fiel auf Ninas Schwert und sie stürzte darauf zu, packte den Griff, wirbelte herum und stellte sich der Magierin mit erhobener Waffe.
»Als ob du mir nahe genug kommen würdest«, meinte Nina verächtlich.
Schwarzer Nebel umfloss ihren Körper und schlängelte sich auf Eleonora zu. Angst machte sich in ihr breit. Sie konnte kaum noch Magie in sich fühlen, nur ihr Licht, das leise pulsierte, als wollte es ihr etwas sagen.
Eleonora konzentrierte sich darauf, ihre Waffe mit Lichtmagie zu verbinden. Dann hatte sie vielleicht eine Chance gegen Ninas Dunkelheit.
Als ihre Klinge golden leuchtete, stürmte sie auf die Magierin zu. Der Nebel wich vor ihr zurück, als das Schwert ihn berührte, und für einen kurzen Moment hatte Eleonora Hoffnung, dass sie gegen ihre ehemalige Freundin gewinnen könnte.
Doch dann fühlte sie, wie etwas ihren Lauf verlangsamte, und kurz bevor sie Nina erreichte, konnte sie nicht mehr vor oder zurück, als der Druck auf ihren Körper immer stärker wurde.
Sie blickte an sich herab und entdeckte schwarze Ranken, die sich um ihren Körper wanden und immer fester zogen, je mehr sie sich bewegte. Sie schnürten ihr die Luft ab und Eleonora keuchte, versuchte, gegen den Druck zu atmen.
»Das ist dein Ende«, verkündete Nina siegessicher.
Eleonora blickte zu Lucius, dessen Blut den Sand tränkte und der sich nicht mehr bewegte. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle und eisige Kälte umklammerte ihr Herz. Sie würde ihn verlieren, wie Aestus, nur dass sie Lucius niemals würde retten können. Aber zumindest würde sie nicht gegen ihn kämpfen müssen, falls Nina sie wirklich nur in die Dunkelheit stürzte. Denn davor fürchtete sie sich noch mehr. Niemals wollte sie gegen den Ritter kämpfen, ihn selbst verletzen.
Alle Kraft wich aus ihrem Körper und ihre Augen wurden schwer. Sie hatte versagt.
»Lumen!«, erklang eine Stimme, als Eleonora gerade das Bewusstsein verlor.