Читать книгу Der deutsche Napoleon-Mythos - Barbara Beßlich - Страница 11

3. Quellen und Vorgehen

Оглавление

Vorliegende Untersuchung ist eine germanistische Abhandlung, deren Textkorpus sich vornehmlich aus fiktionaler deutscher Literatur über Napoleon zusammensetzt. Diese literaturwissenschaftliche Hierarchisierung der Quellen versteht sich aber nicht als Produkt eines philologischen Dogmas, sondern als Konsequenz aus dem Quellenbefund, da, wie oben angedeutet, der deutsche Napoleon-Mythos ganz wesentlich in der Literatur konstruiert, inszeniert und verhandelt wird. Der Napoleon-Mythos exiliert im 19. Jahrhundert nach 1821 in Deutschland regelrecht in das literarische Medium, um erst wieder nach 1890 weitere Medien zurückzuerobern.

Trotz dieser Fokussierung auf die Fiktion erachte ich dennoch einen extensiven Literatur- und weiten Kulturbegriff für notwendig,72 um gerade auch die Zeit vor 1821 und nach 1890, die Befreiungskriege und die Epoche der Weimarer Republik angemessen berücksichtigen zu können. Die Flugschriftenliteratur der Befreiungskriege wurde ebenso einbezogen wie die literarischen Biographien und die zeitkritische Essayistik der 1920er und 1930er Jahre. Nietzsches Auseinandersetzung mit Napoleon „comme poète-philosophe“ in den 1880er Jahren initiiert in Deutschland diese breitere Beschäftigung mit Napoleon zwischen Wissenschaft und Kunst in der Weltanschauungsliteratur. Napoleon wird zum Argument in zivilisationskritischen Selbstverständigungen der Moderne.

Bei der Durchsicht deutscher Filme bis 1945 zur napoleonischen Epoche mußte festgestellt werden, daß es zwar viele nationalistisch enthusiasmierte Filme über die Befreiungskriege oder über Gegner Napoleons (bereits vor 1914) gibt,73 aber daß diese Filme Napoleon wiederum auffällig aussparen und sehr viel mehr die „nationale Erhebung“ darstellen als den Feind Napoleon profilieren, der nur im Hintergrund als drohende Geschichtsmacht eher unkenntlich bleibt als deutlich wird.74 Deutsche Filme, in denen Napoleon den Protagonisten darstellt, sind bis 1945 die absolute Ausnahme.75 In den späten 1920er und frühen 1930er Jahren wurden Befreiungskriegsfilme genutzt, um gegen den Versailler Vertrag Stimmung zu machen, aber auch hier wieder mit mehr antifranzösischen als antinapoleonischen Tönen.76 Damit ergibt sich der medienwissenschaftliche Befund, daß zwar nicht der Befreiungskrieg gegen Napoleon, aber Napoleon selbst im deutschen Film bis 1945 eher eine Lücke darstellt.77 Das deutsche ‚Vaterland der Feinde‘ schließt sich in Befreiungskriegsfilmen gegen Frankreich, aber kaum gegen Napoleon zusammen. Einen Napoleon-Enthusiasmus, wie ihn zeitgleich die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts thematisierte, findet sich hingegen nicht im deutschen Film bis 1945.78

Die deutsche Historiographie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu Napoleon wurde jeweils dann ausführlicher in die Untersuchung integriert, wenn sie sich über ihre akademischen Fachgrenzen hinaus einem weiteren Publikum öffnete und eine Wechselwirkung von Literatur und Geschichtsschreibung festzustellen war.79 Welche Wissensbestände der Historiographie dann wie in die Literatur transferiert wurden und umgekehrt welche literarischen Résumés in der Historiographie nachwirkten und wie das hybride Genre der literarischen Biographie gezogene Grenzen zwischen Wissenschaft und Kunst bewußt öffnet, ist von besonderem Interesse. Die Napoleon-Texte des George-Kreises etwa lassen sich auch als Abwehr-Reaktion gegen eine zunehmend gesellschaftsgeschichtlich ausgerichtete französische Napoleon-Biographik lesen. Gegen Alphonse Aulards Bemühen, Napoleon aus sozialen Bedingungen und postrevolutionären Strukturen heraus verständlich zu machen, versucht der George-Kreis, Napoleon als einen von äußeren Einflüssen der Zeit unabhängigen Heros zu enthistorisieren.

Daß eine solche Untersuchung nicht ohne einen komparatistischen Zugriff auf die europäische Napoleon-Literatur auskommt, ist selbstverständlich.80 Die vergleichende Analyse (etwa von Byron und Grillparzer, Manzoni und Goethe) hat sich bemüht, solche komparatistischen Ansprüche zu berücksichtigen. Wie sehr gerade in den 1820er Jahren der deutsche Napoleon-Mythos in der Auseinandersetzung mit französischer und englischer Literatur modelliert wird, soll exemplarisch in der Analyse von Wilhelm Hauffs Napoleon-Erzählung diskutiert werden, in der Napoleon-Texte von Scott, Béranger, Lamartine, Delavigne, Ségur und Gourgaud intertextuell verhandelt werden.

Wenn man auf die Gattungspräferenzen der deutschen Napoleon-Literatur blickt, so ergibt sich folgender Befund: Lyrik zu Napoleon entsteht kontinuierlich von 1800 bis 1945, hat aber vielleicht ihren deutlichsten Schwerpunkt zu Lebzeiten Napoleons, auch im propagandistischen Kampf der Befreiungskriege, und dann noch zwischen 1821 und 1840 in poetischen Wallfahrten zum Grab nach St. Helena und lyrischen Wiedergänger-Texten. Zahlreiche Anthologien führen in dieser Zeit die Gedichte zu regelrechten ‚Napoleon-Bibeln‘ zusammen. Im frühen 20. Jahrhundert erlebt die Napoleon-Lyrik noch einmal mit Georg Heym und Gertrud Kolmar einen zweiten Höhepunkt.

Nach der Lyrik ist das Drama die bevorzugte und ästhetisch besonders avanciert genutzte Gattung der Napoleon-Literatur.81 Das beginnt mit den verschlüsselten Schicksalsdramen zu Lebzeiten Napoleons (die über Attila oder Soliman schreiben, aber Napoleon meinen) und führt 1831 zu Grabbes Drama, das die geschlossene Form entschlossen sprengt und die (A-)Tektonik dem gigantomanischen Gegenstand anpaßt. Zwischen Expressionismus und Exil wird das Drama im 20. Jahrhundert zur zentralen Gattung, in welcher der Napoleon-Mythos diskutiert wird. Dabei bilanzieren vormals expressionistische Autoren im Exil das expressionistische Verkündigungsdrama kritisch und verbinden in dieser Selbstkritik ein poetologisches mit einem politischen Fazit. Bevorzugtes Sujet dieser Dramen ist die Ermordung des Herzogs von Enghien, ein Thema, an dem sich Dämonie und Legitimität der Macht besonders eindrücklich problematisieren lassen.

Deutsche Napoleon-Romane sind fast durchweg nicht als anspruchsvolle ‚Höhenkamm‘-Literatur konzipiert,82 sondern blühen vor allem nach 1850 als Unterhaltungsromane, die zum einen als Abenteuer- und Kriegsromane Napoleon aus dem Blick eines mittleren Helden bespiegeln und zum anderen amouröse Arabesken um das Thema Napoleon und die Frauen arrangieren. Napoleon-Erzählungen fallen quantitativ im Vergleich mit den Dramen eher nicht ins Gewicht, aber einige der außergewöhnlichsten Napoleon-Texte entstammen dieser Gattung.83 Narrative Sonderformen wie Heines Reisebilder und Nietzsches essayistisch-literarische Philosophie zeigen, wie sich die erzählerische Auseinandersetzung mit Napoleon zunehmend pluralisiert. Im 20. Jahrhundert wird schließlich die literarische Biographie (neben den expressionistischen Dramen) zur wichtigen Textsorte, in der die Relevanz Napoleons für die deutsche Gegenwart problematisiert wird. Die Biographien Emil Ludwigs, Werner Hegemanns und des George-Kreises treten dabei in einen intertextuellen Streit um die richtige Deutung Napoleons als Herold oder Gegner der Moderne. Die nationalsozialistischen Napoleon-Biographien von Rudolf Hohlbaum, Wulf Bley und Philipp Bouhler knüpfen an diese Diskussionen an und entwickeln in Auseinandersetzung mit Napoleon unterschiedliche Vorstellungen von nationalsozialistischer Herrschaft. – Daß den Gattungsdifferenzen und unterschiedlichen ideologischen und ästhetischen ‚Brechungen‘ im jeweiligen Medium in der Analyse Rechnung getragen werden muß und also ein Gedicht Hölderlins nach anderen Maßgaben zu lesen ist als die Napoleon-Biographie des ‚Leiters der Kanzlei des Führers der NSDAP‘, betrachte ich als Vorbedingung der literaturwissenschaftlichen und kulturgeschichtlichen Arbeit am Napoleon-Mythos.

Da hier ein relativ großer Zeitraum von etwa 150 Jahren zur Untersuchung ansteht, kann das Korpus keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Die hier berücksichtigten rund 250 deutschen literarischen Napoleon-Texte werden auch nicht gleichmäßig einläßlich analysiert, sondern die Abhandlung verbindet intensive Analysen repräsentativer Napoleon-Texte mit extensiven Überblicksdarstellungen. Denn die angedeutete Entwicklung vom Nationalfeind 1813 zum Nationalhelden 1933 und vom perhorreszierten Fremdbild zum anverwandelten Selbstbild ist zu wichtig, als daß eine Beschränkung etwa auf Napoleon in der Romantik sinnvoll gewesen wäre. Die gedächtnisgeschichtliche Brisanz entfaltet das hier gewählte Thema erst, wenn man bereit ist, die Entwicklung von 1800 bis 1945 insgesamt in den Blick zu nehmen.

Welche Napoleon-Texte detailliert analysiert werden, habe ich nicht nach der poetischen Qualität entschieden, sondern nach dem gedächtnisgeschichtlichen Aussagegehalt. So erweisen sich in manchen Fällen Texte ‚zweiten‘ oder ‚dritten‘ Ranges als einschlägiger, weil sie in ihrer mythenformenden und erinnerungsgeschichtlichen Symptomatik den ‚zeitüberragenden‘ Werken überlegen sind. Daß gleichwohl einigen der intellektuell und ästhetisch besonders bemerkenswerten Texte eigene Kapitel gewidmet werden, illustriert, wie etwa bei Heine, Grabbe und Nietzsche ästhetischer Anspruch und gedächtnisgeschichtliche Bedeutung koinzidieren.

Diese Untersuchung gliedert sich, chronologisch aufgebaut, in drei Teile. Ein erster Teil beschäftigt sich mit der Literatur zu Lebzeiten Napoleons (1796–1821), ein zweiter Teil widmet sich dem 19. Jahrhundert, und ein dritter perspektiviert die deutschen Napoleon-Texte im 20. Jahrhundert bis 1945.84 Aus dieser Gliederung ergibt sich im Unterschied zur geläufigen geschichtswissenschaftlichen Konzeption vom langen 19. Jahrhundert (1789–1914) ein eher ‚kurzes‘ 19. Jahrhundert (1821–1890), in dem Napoleon nicht mehr der Nationalfeind und noch nicht ein deutscher Nationalheld ist, sondern als erinnerte Größe in kleinen Zeiten die Literatur zu epigonalen Selbstbestimmungen motiviert.

Der erste Teil setzt ein mit der frühen Verehrung für den Revolutionsgeneral der Italienfeldzüge. Besonders Hölderlins und Wielands Begeisterung gilt es hier zu berücksichtigen. Wie dann aus dem zunehmend kritisch beäugten Revolutionsbändiger ein Nationalfeind konzipiert wird und sich so die Wahrnehmungsparameter aus dem Politischen ins Nationale verschieben, wird an Frontverschiebungen in der Publizistik von Arndt, Kleist und Görres untersucht. Die deutschen verschlüsselten Schicksalsdramen von Werner, Körner, Kotzebue, Rückert und Müllner versuchen, in Alternativgeschichten von Attila oder Soliman Napoleons Untergang prophetisch vorwegzunehmen. Inwiefern Religion und Nationalismus in ein Wechselverhältnis treten und apokalyptische Narrative in Aporien getrieben werden, soll exemplarisch an einer Erzählung E. T. A. Hoffmanns deutlich gemacht werden. Auf welche Weise die Befreiungskriegslyrik zu nationalem Zweck einen religiösen Abwehrzauber mit hyberbolischen Mythenkatalogen entfaltet, wird dann genauer in den Blick genommen. Mit der geographischen Entfernung Napoleons nach Elba und St. Helena verbindet sich auch eine zunehmende ästhetische Entrückung ins Ungefähre, wie dies an der Lyrik von Rückert, Platen und Heine sichtbar gemacht werden kann. Der erste Teil wird beschlossen mit der Analyse der literarischen Reaktion auf Napoleons Tod 1821. In der Untersuchung von Texten von Grillparzer, Byron, Manzoni, Goethe, Fouqué und Chamisso wird deutlich, daß der 5. Mai 1821 als Epochenschwelle inszeniert wird, jenseits derer nur noch eine epigonale Selbstbestimmung möglich ist. In diesem Zusammenhang wird Goethes Auseinandersetzung mit Napoleon genauer berücksichtigt.

Der zweite Teil beginnt mit Hauffs Napoleon-Erzählung, die eine kritische poetologische Abrechnung mit der Romantik koppelt mit perspektivisch pluralisierten Erinnerungen an Napoleon. Bei Hauffs Erzählung wie bei den lyrischen Wallfahrten zum Grab nach St. Helena und den Wiedergänger-Gedichten (von Platen, Immermann und Zedlitz) wird die napoleonlose Gegenwart nur noch durch die Erinnerung einzelner Figuren mit der Vergangenheit verbunden. Diese Texte inszenieren nach 1821 nicht die napoleonische Zeit als Gegenwart, sondern schauen mit einem epigonalen Blick erinnernd zurück und betonen so den Kontrast zwischen erinnerter Größe und gegenwärtig erlebter Nichtigkeit. Auch Heines Napoleontexte werden hier als Erinnerungsdokumente gelesen, in denen im Kontrast zur Gegenwart der Restauration Kindheitserinnerungen an Napoleon imaginiert werden. Wie sehr dabei Heines Texte auch dialogisch auf die Befreiungskriegsliteratur antworten, ist meines Erachtens bisher von der Heine-Philologie zu wenig berücksichtigt worden. Nach der Juli-Revolution in Frankreich stellen sich auch in Deutschland die Intellektuellen immer dringlicher der Frage, wer oder was eigentlich Geschichte macht: soziale Massen in Revolutionen, große Männer in Schlachten oder ethnische Einheiten im nationalen Zusammenschluß. Wie Grabbes Napoleon-Drama die Fragen nach dem Subjekt und Sinn der Geschichte eindringlich stellt, aber unbeantwortet läßt, soll analysiert und im Anschluß daran ein Blick auf Hebbels napoleonischen Dramen-Plan geworfen werden. Ab 1850/60 wächst die Zahl der Napoleon-Dramen und Romane. Hier kann exemplarisch untersucht werden, wie biographisch nicht mehr direkt involvierte Autoren den Napoleon-Stoff dem Trivialen öffnen und geschlechtsspezifisch aufbereiten zu Abenteuerromanen für heranwachsende Jungen und süßlichen St. Helena-Dramen. Einige der hier zu untersuchenden Texte sind durchaus aus einem deutschnationalen Impuls geschrieben, aber es wird zu zeigen sein, daß auch in den konservativsten Texten Napoleon als Katalysator des deutschen Nationalismus 1813 eher gemäßigter Respekt als Haß gezollt wird. Hier bereitet sich ein Deutungsmuster des 20. Jahrhunderts vor, das den großen Feind ehrt, weil er Deutschland seine zentrale Lektion in Nationalismus und heroischer Härte erteilt habe. Nietzsches Napoleondeutung gilt ein eigenes Unterkapitel, in dem die fundamentale Uminterpretation von der bürgerlichen Vorbildfigur zum atavistischen Anti-Bürger nachgezeichnet werden soll. Daß Nietzsches Arbeit am Napoleon-Mythos eine unmittelbare Wirkung auf die deutsche Napoleon-Literatur hatte, zeigt sich an den postnaturalistischen Dramen von Bleibtreu und Carl Hauptmann, denen an Napoleon die naturalistische Vorstellung von der Determination des Menschen durch race, milieu und histoire problematisch wird.

Der dritte Teil setzt ein mit Georg Heyms expressionistischer Lyrik, in der Napoleon als kinetische Versprechung gegen wilhelminische Langeweile instrumentalisiert wird. Die Gegenwartswut Heyms und die apokalyptische Szenerie signalisieren hier, daß es zusehends nicht mehr um eine kontemplative Betrachtung vergangener Größe, sondern vielmehr um steile und schrille Rufe nach kriegerischer Wiederkehr geht. Auch Gertrud Kolmar sucht in ihren Napoleon-Gedichten eine vergangene Lebensintensität, welche die Gegenwart nicht mehr zu geben vermag. Wie dann aus einem unpolitischen Dämon eine politische Abwehr-Chiffre wird, kann an Napoleon-Dramen zwischen Expressionismus und Exil verdeutlicht werden. An den Dramen von Essig, Unruh, Hasenclever und Kaiser läßt sich zeigen, wie in den 1920er Jahren der Napoleon-Stoff zusehends konkreter auf die aktuelle politische Situation in Deutschland bezogen wird und bereits eine Gegenreaktion darstellt zu einem immer artikulierteren Ruf nach einem napoleonischen Retter. Wie die deutsche Literatur einen solchen napoleonischen Retter ästhetisch beschwört, charismatisch auratisiert und politisch funktionalisiert, soll einerseits an der Napoleon-Literatur des George-Kreises gezeigt und andererseits an Emil Ludwigs Napoleon-Biographie verdeutlicht werden. Dabei wird offensichtlich, daß Napoleon gleichermaßen als atavistischer Gegner der Moderne im George-Kreis und als demokratisches Vorbild für ein pazifistisches Paneuropa von Ludwig gefeiert wird. Ein letztes Unterkapitel schließlich widmet sich dem zeitgenössischen literarischen Vergleich von Hitler und Napoleon und wendet sich zuerst mit Thomas Mann, Arnold Zweig und Joseph Roth denjenigen zu, welche die Unterschiede in pronapoleonischer Absicht betonen. An nationalsozialistischen Napoleon-Biographien von Hohlbaum, Bley und Bouhler läßt sich zeigen, wie einerseits Napoleons Lebenslauf typologisch auf Hitler zugeschrieben und andererseits mit Napoleon die Republik-Demontage legitimiert und eine heldische Anthropologie entworfen wurde. Wie schließlich mit Napoleon gegen Hitler angeschrieben wurde, soll abschließend erörtert werden an einem Napoleon-Drama des vormaligen Nationalsozialisten Arnolt Bronnen, an einem Exil-Drama Ferdinand Bruckners und an der in Deutschland geschriebenen und 1943 veröffentlichten Napoleon-Erzählung Der Oberst von Heinrich Frank, die im antinapoleonischen Gewand zum Widerstand auffordert und den Tyrannenmord diskutiert.

Die bisherige Konzentration der Forschung auf die Zeit bis 1848 verlor die national identifikatorische Perspektive des deutschen Napoleon-Mythos im 20. Jahrhundert aus den Augen. Dabei entfaltet nach 1890 der deutsche Napoleon-Mythos in der Konstruktion eines ‚napoleonischen Nationalcharakters‘ erst seine größte identifikationsstiftende Reichweite. In Zeiten beschleunigter Modernisierung und kultureller Krisenerfahrung fungiert der Napoleon-Mythos in Deutschland als Interpretationsschlüssel, um die rasanten, unbegriffenen Veränderungen in der Gegenwart mit einer mythischen Gestalt der Moderne zu deuten.

1 Heinrich Heine: Ideen. Das Buch Le Grand, in: Ders.: Historisch-Kritische Gesamtausgabe der Werke, hg. v. Manfred Windfuhr, Bd. 6: Briefe aus Berlin, Über Polen, Reisebilder I/II (Prosa), bearbeitet v. Jost Hermand. Hamburg 1973, S. 195. Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, in: Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens (Münchner Ausgabe), hg. v. Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller u. Gerhard Sauder, Bd. 19, hg. v. Heinz Schlaffer. München 1986, S. 159 (16. Februar 1826). Friedrich Hebbel: Tagebücher, in: Ders.: Sämtliche Werke. Historisch-Kritische Ausgabe, besorgt v. Richard Maria Werner, Zweite Abteilung, Bd. 1: 1835–1839. Hamburg 1903, S. 230 (27. März 1838). Friedrich Nietzsche: Zur Genealogie der Moral, in: Ders.: Kritische Studienausgabe, hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, Bd. 5. München 1988, S. 288. Hugo von Hofmannsthal: Napoleon. Zum 5. Mai 1821, in: Ders.: Gesammelte Werke in Einzelbänden, Prosa IV. Frankfurt a. M. 1966, S. 59.

2 Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 41987, S. 11.

3 Golo Mann: Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1955, S. 64.

4 Friedrich Sieburg: Napoleon. Die hundert Tage. Stuttgart 1956, S. 415 u. 436.

5 Friedrich Stählin: Napoleons Glanz und Fall im deutschen Urteil. Wandlungen des deutschen Napoleonbildes. Braunschweig 1952, S. 5.

6 Jeannot Emil Freiherr von Grotthuss: Türmers Tagebuch: Wie wir feiern, in: Der Türmer. Monatsschrift für Gemüt und Geist 15 (1912/1913), Bd. II, S. 68–86, hier S. 83f. (Hervorhebungen im Original). Zu dieser Entgegensetzung von Napoleon und Bismarck nach 1870 vgl. Rolf Parr: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“. Strukturen und Funktion der Mythisierung Bismarcks (1860–1918). München 1992.

7 Vgl. Gustav Stresemann: Napoleon und wir. Rede im Preußischen Abgeordnetenhaus 1917, in: Ders.: Reden und Schriften. Politik, Geschichte, Literatur 1897–1926. Dresden 1926, Bd. 2, S. 329–350.

8 Berthold Vallentin: Napoleon und die Deutschen. Berlin 1926, S. 9.

9 Werner Hegemann: Napoleon oder „Kniefall vor dem Heros“. Hellerau 1927, unpaginierte Widmungsseite.

10 Jakob Burckhardt: Weltgeschichtliche Betrachtungen. Erläuterte Ausgabe hg. v. Rudolf Marx. Stuttgart 1978, S. 209.

11 Vor allem Jean Tulard begreift den Napoleon-Mythos als Produkt einer strategischen Selbstinzenierung Napoleons seit 1796; vgl. Jean Tulard: Le Mythe de Napoléon. Paris 1971.

12 Vgl. hierzu schon Georges Lefebvre: Napoleon, hg. v. Peter Schöttler, mit einem Nachwort v. Daniel Schönpflug. Stuttgart 2001, S. 569.

13 Dies betont Jean-Marie Lucas-Dubreton: Le Culte de Napoléon 1815–1848. Paris 1960.

14 Vgl. auch Johannes Willms: Napoleon. Verbannung und Verklärung. München 2000.

15 Besonders hilfreich waren hierbei neben Lefebvres klassischer Monographie (Anm. 12), Jacques-Olivier Boudon: Histoire du Consulat et de l’Empire. Paris 2000. Ders.: Napoléon Ier et son temps. Paris 2004. Annie Jourdan: Napoléon. Héros, imperator, mécène. Paris 1998. Eckart Kleßmann: Napoleon. Ein Charakterbild. Weimar 2000. Jean Tulard: Napoleon oder Der Mythos des Retters. Eine Biographie. Aus dem Französischen v. Caroline Vollmann. Tübingen 1978. Volker Ullrich: Napoleon. Eine Biographie. Reinbek 2004.

16 Vgl. hierzu für Frankreich Bernard Ménager: Les Napoléon du peuple. Paris 1988.

17 Frédéric Bluche: Le Bonapartisme. Aux origines de la droite autoritaire (1800–1850). Paris 1980. Eine erhellende Diskussion dieser Begriffe unternimmt Sudhir Hazareesingh: The Legend of Napoleon. London 2004, S. 5f., der darlegt, daß gleichwohl Äußerungen des ‚Napoleonismus‘ bonapartistisch funktionalisiert werden können und umgekehrt in bonapartistischer Agitation immer auch die ‚napoleonistische‘ Verehrung für Napoleon I. mitschwingt. Insofern seien diese Begriffe auch hier nur als typologische Näherungen begriffen.

18 Einen europäischen Überblick vermittelt Jean Tulard: Le Mythe de Napoléon (Anm. 11). Für Frankreich im 19. Jahrhundert vgl. Sudhir Hazareesingh: The Legend of Napoleon (Anm. 17), (trotz des allgemeinen Titels beschränkt sich diese glänzend geschriebene Monographie auf den Napoleon-Mythos im Frankreich des 19. Jahrhunderts). Gérard Gengembre: Napoléon. La vie, la légende. Paris 2001. Jean-Marie Lucas-Dubreton: Le Culte de Napoléon (1815–1848) (Anm. 13). Jules Dechamps: Sur la légende de Napoléon. Paris 1921. Für England und Rußland vgl. Stuart Semmel: Napoleon in the British Imagination. New Haven 2004. Molly W. Wesling: Napoleon in Russian Cultural Mythology. Frankfurt a. M. 2001. – Speziell zum Napoleon-Mythos in der französischen, englischen, italienischen und russischen Literatur vgl. Maurice Descotes: La légende de Napoléon et les écrivains au XIXe siècle. Paris 1967. Elfriede Kreihanzl: Napoleon im französischen Drama des 19. Jahrhunderts. Diss. masch. Wien 1953. K. Lehmann: Die Auffassung und Gestaltung des Napoleon-Problems im englischen Drama. Diss. masch. Erlangen 1931. Simon Bainbridge: Napoleon and English Romanticism. Cambridge 1995. Maria dell’Isola: Napoléon dans la poésie italienne à partir de 1821. Paris 1927. Eileen Anne Millar: Napoleon in Italian literature 1796–1821. Rom 1977. Dimitri Sorokine: Napoléon dans la littérature russe. Paris 1974. Eine Anthologie europäischer Napoleon-Texte mit Schwerpunkt auf der französischen Literatur präsentiert Christiane Bénardeau: Napoléon dans la littérature. Paris 2004.

19 Friedrich Stählin: Napoleons Glanz und Fall im deutschen Urteil (Anm. 4). Michael Freund: Napoleon und die Deutschen. Despot oder Held der Freiheit? München 1969.

20 Hans Schmidt: Napoleon in der deutschen Geschichtsschreibung, in: Francia 14 (1986), S. 530–560. Heinz-Otto Sieburg: Napoleon in der deutschen Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 21 (1970), S. 470–486. Zu populärhistorischen Darstellungen Napoleons im frühen 19. Jahrhundert vgl. Karin Hunn: Deutsche Napoleonbilder im Spannungsfeld von Restauration und Revolution (1815–1848). Zur Funktion historischer Mythisierung. Magisterarbeit masch. Freiburg 1997.

21 Zu den textuellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen literarischen und historiographischen Werken und zur Frage nach der literarischen Dimension der Geschichtsschreibung vgl. Daniel Fulda: Wissenschaft aus Kunst. Die Entstehung der modernen deutschen Geschichtsschreibung 1760–1860. Berlin, New York 1996. Hayden White: Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses. Stuttgart 1991. Patrick Bahners: Die Ordnung der Geschichte. Über Hayden White, in: Merkur 46 (1992), S. 506–521. Gerhild Scholz Williams: Geschichte und die literarische Dimension. Narrativik und Historiographie in der anglo-amerikanischen Forschung der letzten Jahrzehnte, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 63 (1989), S. 315–392.

22 Vgl. Ansgar Nünning: Von historischer Fiktion zu historiographischer Metafiktion. 2 Bde., Trier 1995. Paul Michael Lützeler: Klio oder Kalliope? Literatur und Geschichte. Berlin 1997. Lionel Gossman: Between History and Literature. Cambridge, Mass. 1990. Suzanne Gearhart: The Open Boundary of History and Fiction. A critical approach to the French Enlightenment. Princeton 1984.

23 Grundlegend ist hier Nathalie Petiteau: Napoléon. De la mythologie à l’histoire. Paris 1999.

24 Eduard Niemeyer: Die Schwärmerei für Napoleon in der deutschen Dichtung, in: Archiv für Litteraturgeschichte 4 (1875), S. 507–517. Carl von Reinhardstoettner: Napoleon I. in der zeitgenössischen Dichtung, in: Ders.: Aufsätze und Abhandlungen, vornehmlich zur Litteraturgeschichte. Berlin 1887, S. 71–109. Carl Voretzsch: Gaudys Kaiserlieder und die Napoleondichtung, in: Preußische Jahrbücher 95 (1899), S. 412–496. Fritz L. Cohn: The Worship of Napoleon in German Poetry, in: Modern Language Quarterly 1 (1940), S. 539–549. Lediglich Inhaltsangaben liefert Hermann Gaethgens: Napoleon I. im deutschen Drama. Liebesdramen. Frankfurt a. M. 1903. Hermann Gaethgens zu Ysentorff: Napoleon I. im deutschen Drama. Ein Beitrag zur Technik des historischen Dramas. Frankfurt a. M. 1903.

25 Paul Holzhausen: Bonaparte, Byron und die Briten. Ein Kulturbild aus der Zeit des ersten Napoleon. Frankfurt a. M. 1904. Ders.: Die deutsche Dichtung an Napoleons Grabe. O. O. 1921. Ders.: Heinrich Heine und Napoleon I. Frankfurt a. M. 1903. Ders.: Napoleons Tod im Spiegel der zeitgenössischen Presse und Dichtung. Frankfurt a. M. 1902.

26 Wilhelm Hauffs Erzählung Das Bild des Kaisers wird nicht einmal erwähnt, und ausgerechnet Berthold Vallentins Napoleon-Hagiographie aus dem George-Kreis ist nicht Gegenstand der Untersuchung, sondern wird im Literaturverzeichnis der wissenschaftlichen Sekundärliteratur zugerechnet; vgl. Milian Schömann: Napoleon in der deutschen Literatur. Berlin und Leipzig 1930. Stolz vermerkt Schömann, daß Deutschland „die meisten und größten Verehrer des Kaisers aufzuweisen hat“ (S. 2). Hans Schmidt urteilt zu Recht, daß „der – seiner Diktion nach offenbar dem George-Kreis entstammende – Autor [sein Thema] recht unadäquat behandelt.“ (Hans Schmidt: Napoleon in der deutschen Geschichtsschreibung [Anm. 20], hier S. 530, Anm. 2).

27 Selbstverständlich kann die 1930 erschienene Studie dem 20. Jahrhundert nur noch wenige, genau 18, Seiten widmen. Eckart Kleßmanns erhellender Vortrag über Napoleon in der deutschen Literatur stellt meines Wissens nach Schömann den einzigen Versuch dar, die deutsche Napoleon-Literatur insgesamt zu fokussieren (Eckart Kleßmann: Das Bild Napoleons in der deutschen Literatur. Stuttgart 1995 [Akademie der Wissenschaften und der Literatur; Abhandlungen der Klasse der Literatur]).

28 Jens Flemming: „Held der Weltgeschichte“ und „Geißel Gottes“. Napoleon und die Deutschen im Zeitalter der Befreiungskriege, in: Napoleon. Spiegelungen in Mythos, Geschichte und Karikatur, hg. v. Ekkehard Eggs u. Hubertus Fischer. Frankfurt a. M. 1986, S. 57–79. Christoph Priegnitz: „Vive l’Empereur“. Zum Napoleon-Bild der Deutschen zwischen Spätaufklärung und Freiheitskriegen, in: Schreckensmythen – Hoffnungsbilder. Die Französische Revolution in der deutschen Literatur, hg. v. Harro Zimmermann. Frankfurt a. M. 1989, S. 109–121.

29 Jost Hermand: Napoleon im Biedermeier, in: Ders.: Von Mainz nach Weimar (1793–1919). Studien zur deutschen Literatur. Stuttgart 1969, S. 99–128. Paul Michael Lützeler: Napoleon-Legenden von Hölderlin bis Chateaubriand (1798–1848), in: Ders.: Geschichte in der Literatur. Studien zu Werken von Lessing bis Hebbel. München, Zürich 1987, S. 264–299. Ders.: The Image of Napoleon in European Romanticism, in: European Romanticism. Literary cross-currents, modes, and models, ed. by Gerhart Hoffmeister. Detroit 1990, S. 211–228. Wulf Wülfing: „Heiland“ und „Höllensohn“. Zum Napoleon-Mythos in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: Mythos und Nation. Studien zur Entwicklung kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit, hg. v. Helmut Berding. Frankfurt a. M. 1996, S. 164–184. Ders.: Napoleon-Bibeln. Anthologien als Medien der Mythisierung von Figuren der Geschichte, in: Wege der Literaturwissenschaft, hg. v. Jutta Kolkenbrock-Netz. Bonn 1985, S. 184–204. Ders.: Zum Napoleon-Mythos in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts, in: Mythos und Mythologie in der Literatur des 19. Jahrhunderts, hg. v. Helmut Koopmann. Frankfurt a. M. 1979 (Studien zur Philosophie und Literatur des neunzehnten Jahrhunderts, 36), S. 81–108.

30 Auch Wulf Wülfing: „Eine der größten Verwirklichungen des Individuums im okzidentalen Sinn“. Zum Napoleon-Mythos von Goethe bis Hofmannsthal als einem Weg aus der Provinzialität, in: Internationalität nationaler Literaturen. Beiträge zum ersten Symposium des Göttinger Sonderforschungsbereichs 529, hg. v. Udo Schöning. Göttingen 2000, S. 222–238, hat den deutlichen Schwerpunkt im frühen 19. Jahrhundert.

31 Tom Kuhn: „Napoleon greift daneben“. Antifaschistische Dramen im Umgang mit der Geschichte, in: Exiltheater und Exildramatik 1933–1945. Tagung der Hamburger Arbeitsstelle für deutsche Exilliteratur 1990, hg. v. Edita Koch u. Frithjof Trapp unter Mitarbeit v. Anne-Marie Brenker. Maintal (Exil – Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse, 2), S. 251–267. Bernd Temann: Napoleon I. und seine Zeit im bürgerlichen deutschen Drama seit 1918. Diss. masch. Jena 1974.

32 Vgl. Wulf Wülfing, Karin Bruns, Rolf Parr: Historische Mythologie der Deutschen 1798–1918. München 1991, S. 58.

33 Roger Dufraisse: Die Deutschen und Napoleon im 20. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 252 (1991), S. 587–625, hier S. 589. Hans Schmidt: Napoleon in der deutschen Geschichtsschreibung (Anm. 20), S. 546.

34 Vgl. hierzu auch Gerhard Bauer: Der große Schatten. Der Mythos Napoleons und sein Einfluß auf cäsaristische Strömungen in Deutschland und Frankreich mit besonderer Berücksichtigung der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, hg. v. Thomas Specht. Erlangen 1998. Michael Freund: Napoleon und die Deutschen (Anm. 19).

35 Vgl. Hagen Schulze: Napoleon, in: Deutsche Erinnerungsorte, hg. v. Etienne François u. Hagen Schulze. München 2001, Bd. 2, S. 28–46, hier S. 43.

36 Eine Ausnahme bildet Jochen Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750–1945. Darmstadt 21988, Bd. 2, S. 166f.

37 Allein Helmut Scheuer: Biographie. Studien zur Funktion und zum Wandel einer literarischen Gattung vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Stuttgart 1979, berücksichtigt auch Emil Ludwigs seinerzeit enorm erfolgreiche Napoleon-Biographie.

38 Mit Jörg Schönert bin ich der Meinung, daß „literarische Texte nicht ‚rückstandslos‘ auf soziale, kulturelle oder psychische Phänomene reduziert werden können und daß das Plädoyer für die Korrelation literarischer und nichtliterarischer Prozesse in der Literaturgeschichtsschreibung nicht ‚Gleichschritt‘ und ‚Gleichförmigkeit‘ im Ablauf der Prozesse voraussetzt.“ (Jörg Schönert: Möglichkeiten und Probleme einer Integration von Literatur in Gesellschafts- und Kulturgeschichte, in: Vom Umgang mit Literatur und Literaturgeschichte. Positionen und Perspektiven nach der „Theoriedebatte“, hg. v. Lutz Danneberg u. Friedrich Vollhardt in Zusammenarbeit mit Hartmut Böhme u. Jörg Schönert. Hamburg 1992, S. 337–348, hier S. 339).

39 Zur initiierenden Rolle der Intellektuellen im Prozeß des mythmaking vgl. Herfried Münkler: Politische Mythen und nationale Identität. Vorüberlegungen zu einer Theorie politischer Mythen, in: Mythen der Deutschen. Deutsche Befindlichkeiten zwischen Geschichten und Geschichte, hg. v. Wolfgang Frindte u. Wolfgang Pätzoldt. Opladen 1994 (Politische Psychologie, 3), S. 21–27.

40 Im Konzept, literarische Texte als Gegenstände der kulturellen Selbstwahrnehmung zu lesen, orientiere ich mich an Wilhelm Voßkamp: Die Gegenstände der Literaturwissenschaft und ihre Einbindungen in die Kulturwissenschaften, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 42 (1998), S. 503–507.

41 Dies hat bereits Jean Tulard: Napoleon oder der Mythos des Retters (Anm. 15), S. 515ff., dargelegt und etwa Maurice Agulhon für die Inszenierungen de Gaulles nachgewiesen; vgl. Maurice Agulhon: De Gaulle. Histoire, symbole, mythe. Paris 2000.

42 Vgl. das in Anm. 4 nachgewiesene Zitat.

43 Friedrich Sieburg: Unter dem Triumphbogen, in: Ders.: Blick durchs Fenster. Frankfurt a. M. 1939, S. 46–64, hier S. 48, unter der Zwischenüberschrift Frankreich gegen das Heroische.

44 „Den Aktanten werden bestimmte semantische Merkmale zugesprochen. […] Diese Mytheme – also sprachliche oder ikonische Zeichen, die gleichsam auf Designate ohne Denotate referieren – werden zu Paradigmen gesammelt, die dann das Reservoir darstellen für jeweils syntagmatisch realisierte Narrationen.“ Wulf Wülfing: Mythen und Legenden, in: Geschichtsdiskurs, Bd. 3: Epochen der Historisierung, hg. v. Wolfgang Küttler, Jörn Rüsen u. Ernst Schulin. Frankfurt a. M. 1997, S. 159–172, hier S. 159.

45 Roland Barthes spricht in diesem Zusammenhang davon, daß der Mythos die Geschichte naturalisiert, still und auf Dauer stellt; vgl. Roland Barthes: Mythen des Alltags. Frankfurt a. M. 1991, S. 97: „Wir sind hiermit beim eigentlichen Prinzip des Mythos: er verwandelt Geschichte in Natur.“

46 Zu diesem Prozeß des Mythenmachens als bricolage vgl. Claude-Lévi Strauss: Das wilde Denken. Frankfurt a. M. 1968, S. 29.

47 Zur sich daraus ergebenen Relation des Mythos (begriffen lediglich als Mythisierung historischer Personen) zur Ideologie vgl. Christopher G. Flood: Political Myth. A Theoretical Introduction. New York, London 1996. MythenMächte – Mythen als Argument, hg. v. Anette Völker-Rasor u. Wolfgang Schmale. Berlin 1998.

48 Bei der Begriffsklärung äußerst hilfreich ist Walter Burkert: Mythos – Begriff, Struktur, Funktionen, in: Mythos in mythenloser Gesellschaft. Das Paradigma Roms, hg. v. Fritz Graf. Stuttgart u. Leipzig 1993 (Colloquium Rauricum, 3), S. 9–24. Burkert betont, „daß es noch immer keine anerkannte Definition von ‚Mythos‘ gibt. Eine gewisse Einigkeit besteht allenfalls darüber, daß ‚Erzählungen über Götter‘ in eine Mythosdefinition eingeschlossen sein sollten, ebenso wohl ‚Erzählungen vom Ursprung‘, aber auch ‚Erzählungen in Verbindungen mit Ritual‘“ (S. 9). Vgl. auch Wilfried Barner, Anke Detken, Jörg Wesche: Einleitung. Mythos und Mythentheorie, in: Texte zur modernen Mythentheorie, hg. v. Wilfried Barner, Anke Detken u. Jörg Wesche. Stuttgart 2003, S. 8–19.

49 Aleida und Jan Assmann unterscheiden sieben Mythos-Begriffe: 1. einen polemischen Mythos-Begriff; 2. einen historisch-kritischen Begriff; 3. einen funktionalistischen Begriff, der den Mythos als kulturellen Leistungswert in fundierender, legitimierender oder weltmodellierender Hinsicht versteht (vor allem in schriftlosen Kulturen); 4. einen Alltags-Mythos, der mentalitätsspezifische Leitbilder des kollektiven Handelns (etwa den american dream) bereitstellt; 5. einen narrativen Mythos-Begriff als strukturierte Rede und erfundene, fiktive Geschichte; 6. einen literarischen Mythos-Begriff, der sich definiert aus der permanenten Umschreibung und spielerischen Variation; 7. holistische Weltentwürfe wie Hegels „Weltgeist“ oder Spenglers „Untergang“; vgl. Aleida und Jan Assmann: Mythos, in: Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe unter Mitarbeit v. Hildegard Cancik-Lindemaier, Günter Kehrer, Hans G. Kippenberg, Matthias Laubscher hg. v. Hubert Cancik, Burkhard Gladigow u. Karl-Heinz Kohl, Bd. IV: Kulturbild – Rolle. Stuttgart, Berlin, Köln 1998, S. 179–200.

50 In dieser Hinsicht folge ich Odo Marquard, der vor einer solchen ideologischen Demontage warnte als der irrigen „Vorstellung der spätweltgeschichtlichen Aufklärung als Mythen-Striptease“; vgl. Odo Marquard: Lob des Polytheismus. Über Monomythie und Polymythie, in: Ders.: Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien. Stuttgart 1987, S. 91–116, hier S. 96.

51 Vgl. Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos. Frankfurt a. M. 1979, der erläutert, daß der Mythos zwischen dem Menschen und der ihn beängstigenden Wirklichkeit vermittelt, symbolische Ordnungen stiftet und die bedrängende Wirklichkeit distanziert. Zum Mythos als symbolischer Form vgl. Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, Bd. 2: Das mythische Denken. Berlin 1925.

52 Vgl. Gerhart von Graevenitz: Mythos. Zur Geschichte einer Denkgewohnheit. Stuttgart 1987, S. 191.

53 Blumenbergs entsprechendes Kapitel lautet „Prometheus wird Napoleon, Napoleon Prometheus“; vgl. Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos (Anm. 51), S. 504–566.

54 Zu den topischen Strukturen solcher mythischen Muster vgl. Gerhart von Graevenitz: Mythos (Anm. 52), S. 171ff.

55 Vgl. den sechsten Mythos-Begriff bei Aleida und Jan Assmann (Anm. 49).

56 Zu einem solchen spezifisch modernen literarischen Umgang mit den tragischen Götter- und Heroengeschichten der griechischen Antike vgl. Werner Frick: „Die mythische Methode“. Komparatistische Studien zur Transformation der griechischen Tragödie im Drama der klassischen Moderne. Tübingen 1998.

57 Gérard Genette: Palimpsestes. La littérature au second degré. Paris 1982. In der intertextuellen Analyse beziehe ich mich auf Kriterien, die Manfred Pfister und Ulrich Broich aufgestellt haben. Sie vermitteln zwischen einem globalen poststrukturalistischen Intertextualitätsmodell, in dem jeder Text als Teil eines universellen Intertexts erscheint, und kleinteiligeren strukturalistischen oder hermeneutischen Modellen, in denen Intertextualität als intentionaler Bezug zwischen einem Post- und mehreren Prätexten verstanden wird. Darüber hinaus präsentiert Pfister mehrere analytische Kategorien, die es erlauben, den Grad der Intertextualität zu skalieren. Vgl. Manfred Pfister: Konzepte der Intertextualität, in: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, hg. v. Ulrich Broich u. Manfred Pfister. Tübingen 1985 (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft, 35), S. 1–30.

58 In der vorliegenden Arbeit wird exemplarisch der Einluß Byrons auf Grillparzer und der Manzonis auf Goethe und Chamisso komparatistisch analysiert; vgl. Kapitel I. 7 (Der 5. Mai 1821. Ende der Geschichte und Beginn des Epigonentums).

59 Hagen Schulze: Napoleon (Anm. 35).

60 Etienne François, Hagen Schulze: Einleitung, in: Dies.: Deutsche Erinnerungsorte (Anm. 35), Bd. 1. München 2001, S. 9–24, hier S. 18. Vgl. dort auch die Abgrenzung der ‚Erinnerungsorte‘ von Pierre Noras Konzept der ‚lieux de mémoire‘.

61 Zu den Medien des Erinnerns und der Rolle der Literatur bei den Inszenierungen des kulturellen Gedächtnisses vgl. Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999. Inszenierungen des Erinnerns, hg. v. Erika Fischer-Lichte u. Gertrud Lehnert. Berlin 2000 (Paragrana 9, 2). Uwe C. Steiner: Können die Kulturwissenschaften eine neue moralische Funktion beanspruchen? Eine Bestandsaufnahme, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 71, 1 (1997), S. 3–38, hier S. 18f. Astrid Erll: Literatur und kulturelles Gedächtnis. Zur Begriffs- und Forschungsgeschichte, zum Leistungsvermögen und zur literaturwissenschaftlichen Relevanz eines neuen Paradigmas der Kulturwissenschaft, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 43 (2002), S. 249–276. Medien des kollektiven Gedächtnisses. Konstruktivität – Historizität – Kulturspezifität, hg. v. Astrid Erll u. Ansgar Nünning. Berlin, New York 2004 (Media and Cultural Memory/Medien und kulturelles Gedächtnis, 1). Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft. Theoretische Grundlagen und Anwendungsperspektiven, hg. v. Astrid Erll u. Ansgar Nünning. Berlin, New York 2005 (Media and Cultural Memory/Medien und kulturelles Gedächtnis, 2).

62 Zu einem offiziellen Einsatz von Mythen als Medien staatlicher Erinnerungspolitik, politischer Sinnkonstruktion und nationaler Identitätsstiftung vgl. Andreas Dörner: Politischer Mythos und symbolische Politik. Der Hermannmythos: Zur Entstehung des Nationalbewußtseins der Deutschen. Hamburg 1996. Christopher G. Flood: Political Myth (Anm. 47). Adelheid von Saldern: Mythen, Legenden und Stereotypen, in: Mythen in Geschichte und Geschichtsschreibung aus polnischer und deutscher Sicht, hg. v. Adelheid von Saldern. Münster 1996 (Politik und Geschichte, 1), S. 13–26.

63 Zu den klassischen Kollektivritualen eines politischen Mythos vgl. Yves Bizeul: Theorien der politischen Mythen und Rituale, in: Politische Mythen und Rituale in Deutschland, Frankreich und Polen, hg. v. Yves Bizeul. Berlin 2000 (Ordo Politicus, 34), S. 15–39. Zu den quasireligiösen Strukturen dieser politischen Rituale vgl. schon Emile Durkheim: Die elementaren Formen des religiösen Lebens. Frankfurt a. M. 1981.

64 Zur Unterscheidung zwischen einem passiven Speichergedächtnis (ars) und einem aktiven, sinnstiftenden und die Gedächtnisinhalte transformierenden Funktionsgedächtnis (vis) vgl. Aleida Assmann: Erinnerungsräume (Anm. 61), S. 134f. Zur Bedeutung des Vergessens für das Erinnern vgl.: Vom Nutzen des Vergessens, hg. v. Gary Smith u. Hinderk M. Emrich. Berlin 1996. Harald Weinrich: Lethe. Kunst und Kritik des Vergessens. München 1997. Hartmut Böhme, Peter Matussek, Lothar Müller: Orientierung Kulturwissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbek 2000, S. 149.

65 Bezeichnenderweise taucht in Michael Jeismanns Untersuchung Napoleon als nationale Identität begründender Feind auch nur im Kapitel zu den Befreiungskriegen auf; vgl. Michael Jeismann: Das Vaterland der Feinde. Studien zum nationalen Feindbegriff und Selbstverständnis in Deutschland und Frankreich 1792–1918. Stuttgart 1992.

66 Die Imagologie untersucht im Rahmen der Komparatistik nationenbezogene Fremd- und Selbstbilder in der Literatur.

67 Dies ließe sich auch als ein Wechselspiel von Alienisierung und Alterisierung beschreiben. Während in den Befreiungskriegen Napoleon aggressiv national alienisiert wird, erfolgt nach 1821 eine ästhetisch-poetische Alterisierung, die eine spätere nationale Alterisierung des alienen Napoleon ermöglicht. Zu den Begriffen Alienität (Fremdheit) und Alterität (Andersheit) vgl. Horst Turk: Alienität und Alterität als Schlüsselbegriffe einer Kultursemantik, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik 22,1 (1990), S. 8–31. Unter Alienität versteht Turk die fremde Zugehörigkeit, im Unterschied zur Alterität, die innerhalb einer Zugehörigkeit den anderen von zweien meint.

68 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1992, S. 51. Vgl. auch schon Maurice Halbwachs: Das kollektive Gedächtnis. Stuttgart 1967, S. 35f.

69 Nach Jan Assmann entsteht das kommunikative Gedächtnis durch mündliche Alltagsinteraktion, hat die Geschichtserfahrungen der Mitlebenden zum Inhalt und bezieht sich auf einen begrenzten Zeithorizont von 80–100 Jahren. Das kulturelle Gedächtnis ist hingegen an feste Objektivationen gebunden, gestiftet und zeremonialisiert und wird im Fest vergegenwärtigt. Vgl. Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis (Anm. 68), S. 56.

70 Zu dieser Unterscheidung zwischen einer erklärenden und dynamischen Funktion des Mythos vgl. Raoul Girardet: Mythes et mythologies politiques. Paris 1990. Diese Unterscheidung entspricht in etwa der Assmanns zwischen einer ‚fundierenden‘ und ‚kontrapräsentischen‘ Funktion des kulturellen Erinnerns; vgl. Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis (Anm. 68), S. 78–83.

71 Wulf Wülfing: „Eine der größten Verwirklichungen des Individuums im okzidentalen Sinn“ (Anm. 30).

72 Vgl. auch Georg Bollenbeck: Vom Nutzen eines weiten Kulturbegriffs für eine Gegenstandsbestimmung der Literaturwissenschaft, in: Das Argument 26 (1984), S. 254–269.

73 Andreas Hofer, Theodor Körner und Königin Luise galten etwa einige Filme bereits vor 1914. Vgl. Preußen im Film. Eine Retrospektive der Stiftung Deutsche Kinematik, hg. v. Axel Marquardt u. Heinz Rathsack. Hamburg 1981 (Preußen. Versuch einer Bilanz. Katalog der Ausstellung in Berlin, 5). Auch Michael Curtiz’ Verfilmung von Arthur Schnitzlers Drama Der junge Medardus beleuchtet den Widerstand gegen Napoleon, aber nicht Napoleon selbst.

74 Eine Ausnahme ist die Komödie Napoleon ist an allem schuld (1938) von Curt Goetz, die den Napoleon-Enthusiasmus des 20. Jahrhunderts persifliert. Dies ist Curt Goetz zu dieser Zeit, bevor er 1939 in die USA emigriert, aber nur möglich, indem er seinen komisierten, napoleonverehrenden Protagonisten zum Engländer macht. So wird aus einem heroisch identifikatorisch deutschen Napoleon-Enthusiasmus (über den sich Goetz eigentlich lustig macht) ein englischer Spleen.

75 Vgl. etwa von Lupu Pick Napoleon auf St. Helena (1929) mit Werner Krauss als Napoleon, vermerkt in: Jean Tulard: Dictionnaire du Cinéma, Bd. 1: Les réalisateurs. Paris 1982, S. 448. Waterloo (1928) von Karl Grüne konzentriert sich hingegen auf Blücher, gespielt von Otto Gebühr. Einen internationalen Überblick über Napoleon-Filme vermittelt: Napoléon & le Cinéma. Un siècle d’images. Ouvrages publié avec le concours de la Direction Régionale des Affaires de Corse, de la Collectivité Territoriale de Corse, du Conseil Général des Hauts-de-Seine et de la municipalité d’Ajaccio. Ajaccio 1998.

76 Vgl. etwa Die letzte Kompagnie (1930), Yorck (1931), Die elf Schillschen Offiziere (1932), Theodor Körner (1932), Marschall Vorwärts (1932), Der Rebell (1932). Auch im nationalsozialistischen Film Kolberg (1944) von Veit Harlan steht der Widerstand der Festung Kolberg 1806/07 gegen die französische Armee im Vordergrund.

77 Wenn es deutsche Napoleon-Filme in ausreichendem Maße vor 1945 gegeben hätte, hätte sich die medienwissenschaftliche Analyse an Jörg Schönerts Perspektive, Philologie als (Medien-)Kulturwissenschaft zu betreiben, orientieren können; vgl. Jörg Schönert: Warum Literaturwissenschaft heute nicht nur Literatur-wissenschaft sein soll, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 42 (1998), S. 491–494.

78 Einen Sonderfall (der in der Untersuchung berücksichtigt wird) stellt die nationalsozialistische Verfilmung von Mussolinis Napoleon-Drama Campo di Maggio dar, unter dem Titel Hundert Tage (1935) unter der Regie von Franz Wentzler, mit Werner Krauss als Napoleon und Gustav Gründgens als Fouché.

79 Dies gilt insbesondere für die populären Biographien der Jahrhundertwende: Max Lenz: Napoleon. Bielefeld, Leipzig 21908 (Monographien zur Weltgeschichte, 24). Gustav Roloff: Napoleon I. Berlin 1900 (Vorkämpfer des Jahrhunderts, 3). Theodor Bitterauf: Napoleon I. Leipzig 1908 (Aus Natur und Geisteswelt, 195). Zum hybriden Genre der literarischen Biographie zwischen Literatur und Historiographie vgl. die Ausführungen weiter oben bei der Diskussion der Forschungsliteratur.

80 Gleichwohl hätten eigenständige Kapitel zu Napoleon bei Lord Byron oder Victor Hugo den Rahmen dieser Arbeit gesprengt.

81 Napoleons an dramatischen Situationen reiches Leben bot sich einerseits für die Gattung Drama an, implizierte aber andererseits die Schwierigkeit der repräsentativen Auswahl eines dramatischen Moments. Die Ermordung des Herzogs von Enghien, die 100 Tage-Herrschaft und Napoleon auf St. Helena bilden in der deutschen Napoleon-Dramatik bevorzugte Sujets.

82 Eine Ausnahme bildet im 20. Jahrhundert Joseph Roths Roman Die hundert Tage (1936).

83 Wilhelm Hauffs Erzählung Das Bild des Kaisers (1827) und Heinrich Franks Erzählung Der Oberst (1943) werden dementsprechend ausführlich in dieser Untersuchung gewürdigt.

84 Einen genaueren Überblick über die einzelnen Unterkapitel vermitteln die den drei Teilen jeweils vorgeschalteten Bemerkungen.

Der deutsche Napoleon-Mythos

Подняться наверх