Читать книгу Green Mamba - Barry Stiller - Страница 13
21:32 uhr
ОглавлениеSie brauchten eine scheinbare Ewigkeit, um den russischen Geländewagen aus dem Schlammloch zu befreien, in das Fassbender ihn unbeabsichtigt manövriert hatte. Arno Steiner hatte den Platz hinter dem Steuer eingenommen, und Fassbender hantierte im Dunkeln allein mit dem Spaten und den Lochblechen. Er schimpfte leise vor sich hin, zu zweit wäre das alles schneller gegangen, aber er wusste, dass Steiner ihm keine Hilfe mehr sein konnte. Der war nach ihrem Gang durchs Moor völlig am Ende, keuchte und hyperventilierte, auch wenn er das so gut wie möglich vor ihm zu verbergen suchte. Beim Schein der Wagenleuchten kroch Fassbender auf den Knien an die Hinterreifen heran und brachte die Bleche erneut in Position. Dann gab er seinem Kollegen ein Zeichen, und der trat beherzt auf das Gaspedal des UAZ. Der Motor röhrte, Schlamm spritzte hinter allen vier Reifen in die Luft. Es gab einen Ruck, und der Wagen hüpfte aus den Löchern.
»Na also, endlich.« Erleichtert, dass er in der baumlosen Senke nicht erst umständlich eine Verankerung für die Winde hatte suchen müssen, stieg Fassbender auf den Beifahrersitz, schlug die Hacken einige Male zusammen, um die Stiefel vom gröbsten Dreck zu befreien, und schloss die klapprige Tür. Steiner brummte etwas Unverständliches und blickte anklagend auf seine Gummistiefel. »Ist ja gut, Arno, du hast ja vollkommen recht. Das nächste Mal bürste ich die Dinger wieder sorgfältig ab. Ich ärgere mich gerade am meisten, dass ausgerechnet bei mir die Sorgfalt nachgelassen hat. Zum Glück wird die Karre nachher noch dekontaminiert. Ich sag den Dekonheinis gleich auch noch Bescheid, dass sie den Fußraum besonders sauber machen. Entschuldige.«
Steiner wendete auf der kleinen Sandfläche, die ihnen als Ausgangspunkt für ihre Exkursionen ins Moor gedient hatte, und schlug dann den ausgefahrenen Sandweg ein. Die mit Schlitzblenden versehenen Scheinwerfer beleuchteten die kahlen Äste der Büsche und Sträucher beiderseits der Piste nur spärlich. Sie waren den Weg mittlerweile oft genug gefahren, sodass Steiner zügig durch die Dunkelheit steuern konnte, obwohl sie nicht wirklich sahen, wohin sie fuhren. Durch den welligen Untergrund leuchteten die Lampen abwechselnd hinauf in die Nacht und hinunter in Pfützen. Sie mussten nicht sehr weit fahren, bis sie die besser ausgebaute Panzerstraße erreichten, die im letzten Krieg aus zahllosen Betonplatten mäßiger Qualität quer durch die flache Landschaft gezogen worden war.
Steiner bretterte routiniert über die kilometerlange Piste mit ihrem Plunk-Plunk-Plunk und wich geschickt den vielen Schlaglöchern aus, die durch den Frost jedes Winters zunahmen, weil nichts ausgebessert wurde. Es war beinahe zehn Uhr, als sie schließlich auf den hohen Gitterzaun trafen, der die gesamte innere Sperrzone umgab. Steiner bog nach rechts ab und beschleunigte wieder etwas. Sein Atem stockte. Er sog hektisch Luft ein, ein rasselndes Geräusch war aus seinem Mund zu hören. Fassbender griff ins Lenkrad und hielt den Wagen auf der Straße, während Steiner von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt wurde.
»Es geht schon wieder.«
Fassbender nahm die Hand vom Steuer und verkniff sich einen Kommentar. Die Militärstraße machte nun einen scharfen Linksknick und führte noch ein paar hundert Meter an der Befestigung entlang, bis sie an einem hell beleuchteten Tor endete. Vier Männer mit Kalaschnikows beobachteten ihre Ankunft. Einer näherte sich dem Fahrerfenster.
»Wo wart ihr so lange? Es hieß schon, man müsste einen Suchtrupp nach euch schicken.«
Als die wachhabenden Soldaten den Schlagbaum hochschwenkten, trat Steiner wortlos aufs Gas. Dieses Sperrgebiet unterschied sich kaum von anderen militärischen Anlagen sowjetischer Machart. In einigem Abstand von der Sicht- und Annäherungssperre, die der Drahtzaun bildete, standen stahlgrau gestrichene Gebäude in losen Gruppen beieinander, die durch farbliche Markierungen auf den Zugängen verrieten, dass sie verschiedenen Bereichen zugeordnet waren und unterschiedliche Funktionen erfüllten. Steiner fuhr eine Schleife über den staubigen Platz zwischen drei besonders großen Flachbauten. Die Gebäude waren aus Wellblech und Gasbetonblöcken konstruiert, ebenfalls Militärstandard. Einige wenige hohe Lampen verbreiteten ein gelbstichiges Natriumlicht. Steiner brachte den UAZ vor einer der rohen Gebäudewände zum Stehen. Er bewegte sich nicht, sah durch die Frontscheibe und hielt weiterhin das Lenkrad fest, als führe der Wagen noch.
»Gut, ruh dich noch ein wenig aus, ich hole schon einmal das Zeug aus der Karre.«
Sein Kamerad zeigte keinerlei Regung.
Fassbender stieg aus und wuchtete die großen Kisten mit ihren Proben und den kleineren Werkzeugen und Geräten, die heute noch dekontaminiert werden mussten, von der Ladefläche.
»Na los, bringen wir die Sachen rein, dann ist endlich Feierabend für heute«, sagte er, als Steiner noch immer keine Anstalten machte auszusteigen. Erst nach einigen weiteren Sekunden sah er durch die Seitenscheibe und erkannte, dass Steiner ganz offensichtlich keine Luft bekam. Er röchelte erstickt, hatte eine Hand um das Lenkrad gekrampft und fingerte mit der anderen an der Plexiglasscheibe seines Schutzanzuges herum.
Fassbender riss die Fahrertür auf, zerrte Steiner aus dem Wagen und zog die Schutzhaube vom Kopf des jüngeren Mannes. Als er um Hilfe rief, wurde die unscheinbare Tür aufgestoßen, neben der sie den Wagen abgestellt hatten.
»Ach du Scheiße. Sieh zu, dass du ihn reinbringst«, kommandierte der wachhabende Unteroffizier ohne echte Aufregung. Auch er sah das nicht zum ersten Mal.
Fassbender schob seine Schulter unter Steiners Achsel und brachte ihn wieder auf die Beine. Erschrocken stellte er fest, dass sein Kollege in den vergangenen Wochen massiv an Gewicht verloren haben musste. Sie wankten durch die Tür und die erste Schleuse in den rundum weiß gekachelten Raum dahinter, der Fassbender immer an eine Metzgerei erinnerte. Er schälte Steiner und dann sich selbst aus den Schutzanzügen, die sogleich in die Dekontamination wanderten. Was dann folgte wäre Routine gewesen, hätte Steiner nicht noch immer an Fassbender gehangen wie ein Ertrinkender. Sie standen lange unter der lauwarmen Dusche; irgendwann ging Steiners Atem etwas ruhiger und er konnte sich selbst an der Wand abstützen.
Das Wasser aus den Rohren versiegte nach der vorgesehenen Zeit. Die beiden Männer verließen den Duschraum, folgten ein paar Meter einem unbeheizten Flur zum Umluftherd. So nannten die Arbeiter der Anlage den Raum, in dem maximal vier Personen im heißen Luftstrom getrocknet werden konnten. Ein wenig sah die Gebläsekonstruktion wie diese neuartigen Autowaschanlagen aus, die seit einiger Zeit benutzt wurden, um die Einsatzfahrzeuge zu reinigen. Nach etwa drei Minuten, in denen jede Unterhaltung unmöglich war, verließen Steiner und Fassbender die Kabine. Im anschließenden Umkleideraum hatte man bereits frische Sachen für sie bereitgelegt.
»Du, Lutz«, murmelte Steiner zwischen dem Anlegen von Unterhemd und Socken. »Ich glaube–«
Was Arno Steiner glaubte, erfuhr Fassbender nicht mehr, denn in diesem Moment schoss ein Schwall Blut aus seinem Mund.