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Von Julius zu Caesar

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Caesar hatte einen langen Weg hinter sich. Seine Kindheit hat te er in der Subura, den Slums von Rom, zugebracht; nun lebte er in einer geradezu königlichen Residenz am Forum, die ihm als Pontifex maximus, als Oberpriester von Rom, als Wohnsitz zur Verfügung stand – ein Amt, in das er schon früh gewählt worden war. Vom Diktator Sulla zum Tode verurteilt, war er aus Rom geflohen und hatte sich in den Hügeln Mittelitaliens versteckt, wo er an Malaria erkrankte; später führte er einen Feldzug gegen Roms Erbfeind und gewann eine Schlacht in den Hügeln Anatoliens auf so spektakuläre Weise, dass Caesar sie mit dem später berühmten Satz beschrieb: veni vidi vici, „ich kam, sah und siegte“9. Mit zwanzig hatte er sich Roms zweithöchste militärische Ehre verdient; fortan mussten die Senatoren aufstehen und applaudieren, wenn er den Raum betrat; später lagen ihm die besiegten gallischen Rebellenführer buchstäblich zu Füßen. Er war dreimal verheiratet und hatte unzählige Bettgeschichten. Später hatte er eine Affäre mit einer Königin, die von einem der Generäle Alexanders des Großen abstammte. In früheren Jahren war Caesar ein reformwilliger Konsul gewesen, der gegen den Senat kämpfte und gewann; ein politischer Zwischenhändler, der überzeugt war, dass sich nur zwei Männer mit ihm messen konnten – Roms größter General, Pompeius, und Roms reichster Mann, Marcus Licinius Crassus. 45 v. Chr. hatte Caesar beide überflügelt, als Eroberer auf drei Kontinenten und Verfasser militärischer Schriften, die heute, nach über 2000 Jahren, noch immer literarische Klassiker sind. Caesar war Genie und Dämon zugleich. Er zeichnete sich in der Politik, im Krieg und in der Literatur aus – ein dreifacher Lorbeer, wie ihn vor ihm wohl kaum jemand trug.

Caesar lebte in einer Gesellschaft, in der Bescheidenheit nicht als Tugend galt. Er war jemand, den Aristoteles wohl als „Mann mit großer Seele“10 bezeichnet hätte – mit großen Ambitionen und einem großen Selbstbewusstsein. Er glaubte an seine Intelligenz, seine Anpassungsfähigkeit und an seine Wirkungskraft. Ihm mangelte es weder an Mut noch an Nerven, und sein Hang zur Eigenwerbung kannte keine Grenzen. Er sah sich selbst als politischen Virtuosen mit volkstümlichem Touch. Er war ein Heerführer, der seine Armee in den Krisenmomenten einer Schlacht immer wieder rettete. Er war hart, aber fair; er ging umsichtig mit dem Feind um und erwies sich den Einwohnern Roms gegenüber als unendlich barmherzig. Er schrieb über sich selbst: „Der Imperator Gaius Caesar hat sich mit allem, was er geleistet hat, um die Republik verdient gemacht.“11 Sein ganzes Leben lang – zweifellos bereits auf dem Schoß seiner Mutter12 – hatte Caesar gelernt, dass er es verdient hatte, der erste Mann Roms zu sein13. Er war zuversichtlich, dass er das Volk führen konnte; für den Senat hatte er dabei wenig Verwendung. Im Gegenteil: Ausgerechnet der Senat hinderte ihn daran, seine große Vision Wirklichkeit werden zu lassen – die Vision eines neuen und größeren Rom, einer neu errichteten Stadt, die eines Imperiums würdig war, eines Reichs mit neuem Konzept, bei dem die Einwohner Bürger waren und nicht Unter tanen, und eines reformierten Staates, bei dem der Großteil der Bevölkerung seinen Teil zum Gemeinwohl beitrug und nicht lediglich als Stolperstein galt, der der adligen Elite im Weg lag.

Als Konsul des Jahres 59 v. Chr. setzte Caesar gegen den Willen des Senats zwei Gesetze im Bereich des Grundstücksrechts durch, die die Armen entlasteten, sowie eines der ersten Gesetze, die das Volk vor der Ausbeutung durch Provinzstatthalter schützten. Der Senat ging in Opposition zu Caesar, aber er umging ihn kurzerhand und ließ seine Gesetze in der gesetzgebenden Volksversammlung verabschieden. Das war durchaus legal, auch wenn es nicht dem gewohnten Prozedere entsprach.

Aber für irgendwelche Gewohnheiten oder für den Senat brachte Caesar keine Geduld auf. Er war stolz auf den Zulauf, den er von den Armen hatte14, und er verachtete den Senat dafür, dass er ihren Bedürfnissen so gar keine Zugeständnisse machen wollte. Er hievte Männer in hohe Positionen, die die eingebildeten Senatoren in Angst und Schrecken versetzten – römische Ritter, Einwohner Italiens, neue Bürger aus Gallien oder Hispanien, sogar Söhne von Freigelassenen und junge verschuldete oder straffällig gewordene Adlige. Und es war nicht etwa so, dass er sich dafür rechtfertigte – tatsächlich sagte er einmal, wenn er Schläger und Mörder beschäftigen müsse, um seine dignitas, seine Ehre, zu verteidigen, würde er sie dafür bereitwillig mit hohen öffentlichen Ämtern belohnen.15 Auch zögerte Caesar nicht, gegen seine Feinde innerhalb der römischen Elite Gewalt anzuwenden. Nach einer stürmischen Debatte ließ er Cato aus dem Senat werfen und inhaftieren, und er ließ seinen Konsulatskollegen, einen der Optimaten, der versuchte, eines seiner Gesetze zur Bodenreform zu verhindern, in aller Öffentlichkeit verprügeln.

Sein ganzes Leben lang liebte Caesar das Risiko und scheute sich nicht vor körperlicher Gewalt. Einmal überquerte er in einem kleinen Boot mit ein paar Freunden und Sklaven die Adria.16 Der junge Caesar war auf dem Weg zurück nach Rom und hatte es eilig; es war eine gefährliche Überfahrt, doch für den Fall, dass sie Piraten in die Hände fielen, hatte er lediglich einen Militärdolch dabei, den er unter der Tunika an den Oberschenkel geschnallt hatte. Ein andermal marschierte er mit seiner Armee, ohne entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen zu haben, am gallischen Fluss Sabis geradewegs in einen Hinterhalt; beinahe hätte der gut vorbereitete Feind sie aufgerieben. Doch Caesar trug den Sieg davon, indem er seine Soldaten über das ganze Schlachtfeld hin weg kommandierte und selbst (zumindest fast) an vorderster Front mit kämpfte; zudem konnte er sich auf seinen hervorragenden Stellvertreter, Titus Labienus, verlassen. Die Beinahe-Niederlage stellte er in seinen Kommentaren als glänzenden Sieg dar und spielte dabei den bedeutenden Beitrag seines Stellvertreters ein wenig herunter.17

Caesars risikoreichste Aktion aber war die Überquerung des Rubikon im Jahr 49 v. Chr. Dieser kleine Fluss markierte die Grenze zwischen Gallia cisalpina und dem eigentlichen Italien, und ohne ausdrückliche Erlaubnis des Senats durfte kein Heerführer diese Grenze mit seiner Armee überqueren. Doch genau das tat Caesar an einem Abend im Januar 49 v. Chr. (nach unserem Kalender: November 50 v. Chr.).

Heute heißt „den Rubikon überqueren“ so viel wie einen entscheidenden Schritt tun, bei dem es kein Zurück gibt. Und genau das bedeutete es für Caesar auch. Er überging den Senat und brach das Gesetz. In diesem Moment begann ein fünf Jahre währender Bürgerkrieg. Cato und Pompeius führten die Allianz der Feinde Caesars im Senat an, und sie verlangten von ihm, sein Kommando aufzugeben und als Zivilist nach Rom zurückzukehren. Caesar wusste genau, dass er politisch erledigt wäre, wenn er das täte (und es vielleicht auch gar nicht überleben würde), und so weigerte er sich. In einer Ansprache an seine Soldaten sagte er, seine Feinde hätten im Senat das Sagen und bedrohten zugleich die Freiheit des römischen Volkes als auch Caesars persönliche dignitas.18 Die Männer stellten sich hinter ihren Feldherrn, und so beschloss Caesar, alles auf eine Karte zu setzen und den Bürgerkrieg zu riskieren. Er überquerte den Rubikon und marschierte in Rom ein – kein Politiker konnte Caesar stoppen, keine Armee ihn be siegen. Fast zehn Jahre lang hatten ihn die Einwohner Galliens wie einen König behandelt. Man denke nur an die Kapitulation des Vercingetorix in Alesia, als der Gallierhäuptling sich selbst und seine beste Rüstung vor Caesar in den Staub warf, nachdem dieser auf seinem Pferd um ihn herumgeritten war.19 Wer solche Macht gespürt hatte, dem musste es natürlich schwerfallen, diese Macht den kleinlichen, verbitterten Politikern in Rom zu überantworten, die ihn – wie er es sah – in einen Bürgerkrieg zwangen, und das trotz allem, was er für sein Land getan hatte.

Doch wer auch nur den geringsten Sinn für Romantik hat, der kommt nicht umhin anzunehmen, dass der eigentliche Grund für Caesar, noch mehr Macht zu suchen, seine Geliebte war: die Königin von Ägypten.

Die Iden des März

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