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Kampf der Visionen

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Nun, da der Bürgerkrieg vorüber war, wollten Roms Senatoren die Macht, die ihnen von Rechts wegen zustand, natürlich wieder übernehmen. Sie sahen das Ganze folgendermaßen: Nach fünf Jahren Krieg, mit vielen zehntausend Toten, geplünderten Städten, niedergebrannten Bibliotheken (ganz zu schweigen von dem vielen Geld, das das Blutvergießen gekostet hatte), waren nun endlich wieder sie, die Männer mit den langen Gewändern, am Zug. Ein siegreicher Feldherr, der große Reden schwang, der der erste Mann im Staat sein und als Alleinherrscher regieren wollte – das war für die Senatoren nichts Neues. Das hatte es alles schon gegeben, und manchmal waren dabei ein paar Köpfe gerollt. Aber sie waren zuversichtlich, dass sie dem ganzen Spektakel auch dieses Mal keine allzu große Bedeutung beimessen mussten.

Für den römischen Adel war die kollektive Autorität des Senats eine solche Selbstverständlichkeit, dass man sich schlicht weg keine Alternative vorstellen konnte. Sie vertrauten auf ihre Fähigkeit, jegliche Opposition in die Republik zu integrieren, und sei sie noch so stark. Pompeius hatten sie gezähmt, und sie waren sich sicher, dass ihnen das mit Caesar auch gelingen würde. Auch jetzt noch versuchten sie sich weiszumachen, dass er ja trotz allem wollte, dass die Republik fortbestand. In Briefen, die sie ihren Sklaven diktierten, bei Trinkgelagen oder beim Bummel durch ihre Gärten, mit dem Plätschern der Springbrunnen im Hintergrund – überall ließen sie dieselbe zuversichtliche Haltung durchblicken. Aber Caesar machte ihnen allen einen Strich durch die Rechnung.

Caesar dachte überhaupt nicht daran, das Spiel der Senatoren mitzuspielen. Cato wusste das, Cicero eigentlich auch, aber die meisten Menschen wollten davon nichts wissen. Caesars Charme verschleierte die Wahrheit. Er verzieh seinen Feinden und gab ihnen sogar hohe Posten in Rom. Er hatte für fast jeden ein Lächeln übrig. Er schrieb persönliche Briefe, selbst auf seinen Feldzügen. Er verteilte großzügige Geschenke. Er spielte seine Rolle wirklich gut, aber sie war eben genau das: eine Rolle.

Caesar war der Stadt Rom mit ihren kleinlichen Streitereien längst entwachsen. Er konnte es sich leisten, seine Feinde zu Prätoren und Konsuln zu ernennen, weil diese Posten für ihn schlichtweg keine Bedeutung mehr hatten. Die wirkliche Macht lag bei Caesars persönlichem Freundeskreis. Der Senat war ihm inzwischen ganz egal. Die eigentliche Herausforderung lag für ihn darin, dass das möglichst niemand merkte.

Ein Jahr zuvor, als er aus Nordafrika nach Rom zurückgekehrt war, hatte Caesar noch ein gewisses Taktgefühl an den Tag gelegt. Jetzt, 45 v. Chr., nach den schweren Kämpfen in Hispanien, war Caesar nicht mehr zu allzu vielen Kompromissen bereit. Der Krieg war am 17. März 45 v. Chr. in der Schlacht von Munda (nahe dem heutigen Sevilla) entschieden worden. Beinahe hätten seine Feinde den Sieg davongetragen. Caesar musste seine Soldaten immer wieder motivieren, und für einen Moment war sogar sein eigenes Leben in Gefahr. Am Ende siegte er ziemlich deutlich, doch noch kurz zuvor hatte das ganz anders ausgesehen.

Diese Erfahrung mag Caesar wachgerüttelt oder zumindest seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt haben. Auf jeden Fall erschien er nach Hispanien fokussierter und weniger geduldig; ihm war bewusst geworden, wie schnell ein Leben vorüber sein konnte, und er war nun weniger willens denn je, sich mit Außenstehenden zu beraten.

Im Prinzip war der Bürgerkrieg vorbei, doch an den Rändern des Imperiums hatte das Militär noch immer zu tun, und in Rom gab es politische Unruhen. In Syrien kam es zu Aufständen.

Und dann trat auch noch Sextus Pompeius auf den Plan, der jüngere der beiden Söhne des Pompeius. Er hatte die Niederlage überlebt und sich in die Berge Hispaniens zurückgezogen. Nun tauchte er wieder auf und erwies sich als echte militärische Bedrohung. In Rom konnten sich indessen weder die Senatoren noch die Bürger mit dem Gedanken einer langfristigen Diktatur anfreunden. Sie erwarteten noch immer von Caesar, dass er die Republik reinstallierte, selbst wenn man ihm dabei eine dominante Stellung zugestehen musste.

Der Großteil von Roms Elite hing noch immer der Republik an. Laut Cicero gab es auf der Welt nichts Vergleichbares.4 Der große Historiker Sallust riet Caesar um 46 v. Chr. herum, die „Republik für die Zukunft zu stärken, nicht nur unter Waffen und unseren Feinden gegenüber, sondern auch hinsichtlich der freundlicheren Künste des Friedens – das ist eine weitaus heiklere Aufgabe“5. Auch die plebs urbana (die „städtische Plebs“, wie die Römer die gewöhnliche Bevölkerung der Stadt Rom nannten) wollte die Republik: Selbst wenn die ärmeren Römer keine öffentlichen Ämter besetzen konnten, so durften sie doch immerhin ihre Beamten wählen. Wahlen brachten ihnen Aufmerk samkeit und Geschenke von den in aller Regel wohlhabenden Kandidaten ein. Und je härter der Wahlkampf, desto mehr Sozialleistungen gab es oft hinterher für die Armen.

Caesar war anderer Meinung. Der Mann, der so viel Witz und Charme hatte, dass sich so manche verheiratete Frau in Rom nach ihm umdrehte, der Dandy, von dem Cicero einmal meinte, man könne ihn nicht ernst nehmen, weil er seiner Frisur zu viel Aufmerksamkeit schenkte6 – eben dieser Caesar konnte manchmal so direkt sein wie ein Dolchstoß. Über die Republik soll er gesagt haben, sie sei „ein Nichts, ein bloßer Name ohne Form und Substanz“7. Diese Bemerkung stammt aus einem Pamphlet eines seiner Feinde.8 Sie mag ausgedacht sein, aber sie hätte durchaus zu Caesar gepasst.

Die alte Garde sagte, sie wollte ein Rom, das von Gesetzen regiert werde, nicht von Individuen. Caesar wollte davon nichts wissen, für ihn waren die Angehörigen dieser alten Garde entweder Betrüger oder fehlgeleitet (oder beides). Er war davon überzeugt, dass es alleine sein genialer Geist war, der den Menschen des Reichs Frieden und Wohlstand bringen konnte. Um nachzuvollziehen, warum er das glaubte, müssen wir uns eingehender damit beschäftigen, wer Caesar eigentlich war.

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