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Der Aufstieg des Decimus

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Decimus Junius Brutus Albinus, so sein voller Name, war ein enger Freund Caesars.4 Sie hatten bereits seit über zehn Jahren mitein ander zu tun, seit 56 v. Chr. In jenem Jahr hatte Decimus – er war etwa 25 Jahre alt – als Befehlshaber in Gallien unter Caesar für Aufsehen gesorgt. Er gewann die Atlantikschlacht, eroberte die Bretagne und bereitete die Invasion von Britannien vor. Der erste Eindruck ist immer der wichtigste, und in diesem Fall war das nicht anders. Krieg, Gallien und Caesar – das waren Decimus’ Markenzeichen. Er war schnell, stark, einfallsreich, und er liebte es, zu kämpfen. Er war stolz, wettbewerbsorientiert, und er suchte den Ruhm. Wie andere ehrgeizige Männer seiner Schicht auch, begann er seine politische Laufbahn in Rom, aber die Hauptstadt und ihre Machtstrukturen interessierten ihn nie im gleichen Maße wie das gallische Grenzgebiet.

Decimus kam am 21. April des Jahres 81 v. Chr. zur Welt. Er stammte aus einer Adelsfamilie, die behauptete, vom Gründer der römischen Republik, Lucius Junius Brutus, abzustammen. Decimus’ Großvater war ein einflussreicher General und Staatsmann gewesen, aber sein Vater mied das Militär, und seine leichtlebige Mutter ließ sich mit revolutionären Kräften ein und hatte diverse Affären, eventuell auch mit Caesar, der viele verheiratete Damen des römischen Adels verführte. Ein bedeutender Historiker stellte die Hypothese auf, Decimus sei Caesars unehelicher Sohn gewesen – sicherlich eine interessante Theorie, doch leider lässt sie sich nicht beweisen.5

Auf jeden Fall erhielt der junge Decimus einen Platz in Caesars persönlichem Stab.6 Beim Militär fühlte sich Decimus wie zuhause, und indem er das strahlende Licht Caesars auch auf sich scheinen ließ, gelang es ihm, den Ruf seiner Familie als Militärdynastie wiederherzustellen. Er war Caesars Mann, aber das war potenziell eigentlich jeder Römer.

Wir wissen nicht, wie Decimus aussah. Mag sein, dass er ähnlich attraktiv war wie seine Mutter, die für ihre Schönheit bekannt war, und so groß wie ein Gallier, den er einmal imitierte. Ein Dutzend Briefe sind von Decimus überliefert, und darin verbindet sich die raue Atmosphäre des Militärlagers mit der formellen Höflichkeit und Selbstsicherheit, wie ein römischer Adliger sie verkörperte. Seine Zeilen klingen mitunter ganz elegant, gleiten jedoch immer wieder in ungehobelt wirkende Phrasen ab wie: „Nimm das Pferdegebiss aus dem Maul und fang an zu reden!“ Möglicherweise hat hier die Grobschlächtigkeit seiner Gladiatoren – Decimus besaß eine eigene Truppe – auf ihn abgefärbt, aber dies hielt ihn nicht davon ab, mit Roms größtem Redner, Marcus Tullius Cicero, Höflichkeiten auszutauschen. In Gallien schloss sich Decimus dem größten militärischen Abenteuer seiner Generation an.

Caesar brauchte nur acht Jahre (58–50 v. Chr.), um die riesige, bevölkerungsreiche und kriegerische Region zu erobern, die die Römer das „langhaarige Gallien“ nannten, nach der Haartracht der dortigen Einwohner – ein Gebiet, das den größten Teil des heutigen Frankreich umfasst, Belgien, die Niederlande sowie einen kleinen Teil Westdeutschlands (die französische Region Provence war bereits eine römische Provinz). Außerdem fiel er in Britannien ein. Mit seinem Gold, seinen Agrarprodukten und seinen potenziellen Sklaven machte Gallien Caesar zum reichsten Mann in Rom. Und diesen Reichtum teilte er mit Offizieren wie Decimus.

Nach seiner siegreichen Seeschlacht vor der Bretagne im Jahr 56 v. Chr. begegnen wir Decimus erst 52 v. Chr. wieder, als ein großer Aufstand der Gallier beinahe die römische Vorherrschaft be endet hätte. Decimus war beim dramatischsten Tag des ganzen Krieges dabei, bei der Belagerung von Alesia (im heutigen Burgund). In Caesars Version der Ereignisse heißt es, Decimus habe einen Gegenangriff gegen die gallische Offensive in die Wege geleitet, und Caesar sei ihm gefolgt, in seinem auffälligen Purpurmantel. Der Feind wurde geschlagen, und der Krieg war vorbei – abgesehen von den ethnischen Säuberungen des folgenden Jahres.

50 v. Chr. war Decimus zurück in Rom und trat sein erstes öffentliches Amt an, als Quästor, eine Art Finanzbeamter.7 Im selben Jahr, im April, heiratete er die Adlige Paula Valeria – ein kleiner Skandal, da sie sich, um Decimus zu heiraten, von ihrem ersten Ehemann, einem prominenten Römer8, scheiden ließ. Und zwar am selben Tag, als dieser vom Militärdienst in einer ausländischen Provinz nach Hause zurückkehren sollte.

Ein Jahr nach der Hochzeit von Decimus und Paula, also im Jahr 49 v. Chr., brach zwischen Caesar und seinen oligarchischen Gegnern der Bürgerkrieg aus. Sie hielten ihn für einen machthung rigen, populistischen Demagogen, der ihren gewohnten Lebenswandel bedrohte. Er sah in ihnen engstirnige Reaktionäre, die seine Ehre beleidigten – und niemand besaß mehr Ehrgefühl als ein römischer Adliger.

Caesars Hauptgegner waren Pompeius und Cato. Pompeius der Große – Gnaeus Pompeius Magnus – war beileibe kein Ideologe; er war sogar Caesars ehemaliger politischer Verbündeter und Schwiegersohn. Pompeius war ein Eroberer, dessen Karriere ihn nach Hispanien, nach Kleinasien (der heutigen Türkei) und in die Levante führte, und bis Caesar auf den Plan trat, galt er als Roms größter lebender Feldherr. Marcus Porcius Cato (alias Cato der Jüngere) war ein prominenter Senator, der der altmodischen Vorstellung eines freien Staates anhing, der von einer weisen und wohlhabenden Elite geführt wurde. Seine Ansichten waren starr und doktrinär, und man verspottete ihn dafür, dass er Rom für Platons Republik hielt – vor allem diejenigen, die in Rom eher die „Kloake des Romulus“9 sahen. Er war Caesars Erzfeind.

Der Großteil von Decimus’ Familie tendierte mehr zu Pompeius und Cato als zu Caesar, und die Brüder seiner Frau kämpften sogar für sie. Als Erwachsener wurde Decimus von der Familie des Postumius Albinus adoptiert, einem Patrizier-Clan, der seine Abstammung auf die römischen Könige zurückführte, und auch seine Adoptivfamilie war eher konservativ eingestellt. Doch Decimus bleibt in Caesars Lager. Wohl Anfang 49 v. Chr. ließ Decimus Münzen prägen, die seinen Sieg in Gallien, seine Loyalität, sein Pflichtgefühl und den Geist der Einheit zelebrierten – all dies waren Themen von Caesars Bürgerkriegspropaganda.10

Im selben Jahr ernannte Caesar Decimus zum Befehlshaber bei der Belagerung der Stadt Massilia (Marseille), einer wichtigen Hafenstadt mit Marinestützpunkt an der gallischen Mittelmeerküste, die die Feinde Caesars unterstützte. Sechs Monate dauerten die Kämpfe, und am Ende hatte Decimus die Flotte von Massilia zerstört. Caesar lobte ihn für seine Stärke, seinen Geist, seine Rede gewandtheit, seine Weitsicht und seine Schnelligkeit im Kampf. Er wiederum brachte Caesars persönliche Propaganda ein großes Stück weiter, denn bis dahin hatte Pompeius als der unangefochtene Held der römischen Marine gegolten.11

Caesar kehrte anschließend nach Italien zurück und ging dann in den Osten, wo es zum Showdown mit Pompeius kam. Decimus ließ er in Massilia, und bis 45 v. Chr. blieb er dort, als Statthalter von Gallien und Caesars Stellvertreter. Weiteren militärischen Ruhm errang Decimus, als er die rebellischen Bellovaker besiegte, die als die fähigsten Krieger Galliens galten.12

Decimus scheint so tough gewesen zu sein wie das Land, in dem er einen Großteil seines Lebens verbrachte. Er war einer der wenigen Römer (auch wenn sie sicher weniger selten waren, als es die Quellen suggerieren), die bestimmte Sitten und Gebräuche der Barbaren annahmen, gegen die sie zuvor gekämpft hatten. Er sprach Gallisch, was nur sehr wenige Römer taten, und er kannte sich in Gallien so gut aus, dass er in gallischer Kleidung durchaus als Einheimischer durchging.

Etwa im Juli 45 v. Chr. traf Decimus in Südgallien Caesar, der sich gerade auf der Heimreise von Hispanien befand. Zweifellos erstattete Decimus ihm bei dieser Gelegenheit darüber Bericht, was sich in Abwesenheit des Diktators in der von ihm verwalteten Provinz alles ereignet hatte. Wie zufrieden Caesar mit Decimus war, lässt sich daran ermessen, welche ehrenvolle Stellung Caesar ihm bei der Rückkehr nach Italien gewährte.

Nach über zehn Jahren im Dienste Caesars kehrte Decimus heim, als Held und als aufstrebender Staatsmann. Den Rest des Jahres 45 v. Chr. bekleidete er in Rom das Amt eines Prätors (ein ranghoher Justizbeamter); Caesar wählte ihn für 44 v. Chr. als de signierten Statthalter von Gallia cisalpina13 (in etwa Norditalien) und für 42 v. Chr. als designierten Konsul aus. Kurz: Decimus war auf dem besten Weg, den alten Ruhm seiner Familie wiederherzustellen.

Es gab nur einen Haken: Decimus’ Vater und Großvater hatten ihre Ämter durch freie Wahlen des römischen Volkes und des Senats erlangt – Decimus tat lediglich das, was Caesar ihm befahl. Und das machte auf den römischen Adel einen schlechten Eindruck, dessen großes Ideal seit jeher die dignitas war. Dieses Wort lässt sich nur schwerlich übersetzen. Es bedeutet so viel wie „Würde“, zugleich aber auch „Verdienst“, „Prestige“ und „Ehre“. Sucht man ein einzelnes Wort, das all das ausdrückt, eignet sich vielleicht am besten noch „Stellung“ bzw. „Rang“. Für Decimus stellte sich die Frage, ob er sich damit zufriedengeben sollte, in Caesars Schatten zu bleiben, oder ob er auf seine eigene Größe pochen wollte.

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