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Die Karriere des jungen Brutus ging gut voran. 53 v. Chr. war er Vizestatthalter von Zypern und verlieh dort Geld an die Bürger einer Stadt, zum erstaunlichen Zinssatz von 48 % p. a. Als die Kreditnehmer die Zahlung verweigerten, sperrten Brutus’ Geldeintreiber mithilfe bewaffneter Reiter die Stadträte so lange in ihrem Haus ein, bis fünf von ihnen verhungert waren. Als Cicero davon erfuhr, war er schockiert.

Als vier Jahre später, 49 v. Chr., der Bürgerkrieg ausbrach, setzte sich Cato an die Spitze der Hardliner, für die Caesar so gefährlich war, dass er eine Bedrohung für die Republik darstellte und dass ein Kompromiss nicht möglich war. Auch wenn Brutus Pompeius die Schuld am Tod seines Vaters gab, schlug er sich – zum Wohle des republikanischen Prinzips und ganz im Sinne Catos – auf Pompeius’ Seite. Während des folgenden Feldzugs war Brutus 48 v. Chr. bei der Schlacht von Pharsalos dabei, dem großen Showdown mit Caesar. Genau wie Pompeius gelang es Brutus, von Pharsalos zu entkommen. Einem Bericht zufolge flüchtete er nach der Niederlage aus Pompeius’ umzingeltem Militärlager, und er schlug sich durch die Sümpfe bis zu einer nahegelegenen Stadt durch. Und dort schrieb er Caesar einen Brief.

Sicherlich war Brutus bewusst, dass Caesar eine Politik der Milde verkündet hatte. Er begnadigte seine Feinde und tat damit genau das Gegenteil von dem, was Roms früherer Diktator, Lucius Cornelius Sulla, getan hatte. Während seiner brutalen Herrschaft (82–80 v. Chr.) hatte Sulla seine Gegner hinrichten und ihr Eigentum beschlagnahmen lassen. Caesar demonstrierte nun eindrucksvoll, dass er nicht Sulla war.

Brutus aber wollte mehr als eine Begnadigung; er wollte eine Karriere, und die bekam er auch. Man erzählte sich, dass Caesar schon in Pharsalos befohlen habe, Brutus zu verschonen, natürlich als Gefälligkeit für Servilia.32 Doch Caesar war alles andere als sentimental; falls die Geschichte stimmt, muss es ein politischer Schachzug gewesen sein. Die mächtige Servilia konnte eine hilfreiche Freundin, aber auch eine gefährliche Feindin sein. Mitunter heißt es, Caesar habe gefürchtet, Brutus sei sein Sohn.33 Das stimmt wohl nicht, aber zumindest kannte Caesar sicherlich die dahin gehenden Gerüchte, und er wollte nicht, dass es hieß, er habe sein eigenes Kind getötet.

Und dann war da noch Caesars persönliche Meinung über Brutus. Cicero hörte Jahre später einen von Caesars engsten Freunden erzählen, Caesar habe über Brutus gesagt: „Was dieser Mann will, ist ein großes Problem. Aber wenn er etwas will, dann will er es wirklich.“34 So umriss Caesar mit wenigen Worten die Persönlichkeit eines Menschen, der einflussreich und entschlossen war, den man aber schwer zu fassen bekam.

Wertvoll war Brutus für Caesar vor allem als Symbol. Catos Neffe war in Rom beliebt und galt als besonders ehrlich. Und er war der erste wichtige römische Adlige, der sich Caesars Gefolge anschloss. Vielleicht rechtfertigte sich Brutus dadurch, dass er bei Pharsalos seine Pflicht getan hatte; jetzt, nach Caesars Sieg, sei es an der Zeit, die Realität zu akzeptieren. Ein Hardliner war er beileibe nicht.

Caesar nahm Brutus mit offenen Armen auf. Plutarch behauptet, die beiden hätten zusammen einen Spaziergang unternommen. Als sie allein waren, fragte Caesar, wohin Pompeius geflüchtet sei. Brutus sagte, er wisse es nicht, meinte aber, Pompeius’ Ziel sei wahrscheinlich Ägypten, da er dort Verbündete habe. Das überzeugte Caesar (wie Plutarch schreibt), und so ließ er alles stehen und liegen und fuhr nach Ägypten.35

In seinen Kommentaren über den Bürgerkrieg erzählt Caesar die Geschichte ein wenig anders36 – es ist die klassische Version der Ereignisse, die Geschichte mit Propaganda verbindet. Schließlich durfte er die unappetitlichen Fakten eines Konflikts, in dem er römische Landsleute tötete, nicht allzu sehr an die große Glocke hängen. Caesar schreibt, auf dem Weg nach Ephesos (in der heutigen Türkei) habe er die Nachricht erhalten, Pompeius sei auf Zypern gesehen worden, woraus er geschlossen habe, dass Pompeius nach Ägypten unterwegs war. Erst dann sei Caesar nach Ägypten auf gebrochen. Brutus erwähnt Caesar in seinen Kommentaren überhaupt nicht. Vielleicht beschloss Caesar, über Brutus’ Verrat an Pompeius den Mantel der Geschichte zu breiten; vielleicht empfand Caesar Brutus’ Informationen aber auch einfach als zu vage, um sofort nach Ägypten loszueilen.

Auch Cicero schloss Frieden mit Caesar, aber für viele andere einflussreiche Senatoren ging der Kampf weiter. Sie hatten immer noch Soldaten und Geld und die mächtigste Flotte im Mittelmeer. Die Anführer fuhren in die römische Provinz Africa (dem heutigen Tunesien), wo sie auf Unterstützung durch ihre Alliierten hofften. Pompeius ging nach Ägypten. Als er an Land ging, wurde er ermordet.

Caesar brauchte ein ganzes weiteres Jahr, bevor er sich mit seinen Feinden in Nordafrika auseinandersetzen konnte. Dann aber, im April 46 v. Chr., fügte er ihnen eine vernichtende Nieder lage zu. Hinterher wandte sich Caesar nach Westen, zur Hafen- und Provinzhauptstadt Utica (westlich des heutigen Tunis). Den Oberbefehl dort hatte Cato – er war der letzte Gegner Caesars, der in Nordafrika noch durchhielt. Catos Kapitulation hatte immense symbolische Bedeutung, und Caesar genoss sie.

Auch Cato sollte erfahren, wie Caesar Milde walten ließ; doch er weigerte sich, sie anzunehmen. Für ihn war Caesar ein Tyrann.37 Sich von ihm begnadigen lassen? Da werde er lieber sterben, sag te Cato, und er beschloss, Selbstmord zu begehen. Er teilte seinem Sohn mit, er sei in Freiheit aufgewachsen und habe stets seine Meinung sagen dürfen, und jetzt sei er zu alt, um noch erleben zu müssen, wie man als Sklave lebe.38 In der Nacht nahm Cato einen Dolch und schnitt sich die Eingeweide aus dem Körper – doch leider fanden ihn seine Anhänger, und ein Arzt nähte seine Wunden wieder zusammen. Anschließend jedoch riss er sich die Stiche wieder auf und starb.39 Als Caesar davon erfuhr, soll er gesagt haben: „Cato, ich gönne dir deinen Tod nicht, denn du hast es mir nicht gegönnt, dein Leben zu schonen.“40 Catos Selbstmord machte Caesars ganze schöne Geschichte kaputt. Dennoch gab es für ihn ein ebenso einfaches und wirksames Mittel zur Schadensbegrenzung: Schweigen. Heu te ge hen wir immer davon aus, dass die Römer einen ehrenvollen Selbstmord bewunderten, aber das kam erst später. 46 v. Chr. war der Suizid noch verpönt – selbst Brutus empfand das selbstgewählte Ende seines Onkels Cato als frevelhaft und feige.41 Doch schon bald sollte Caesar seinerseits gehörig danebengreifen.

Als er im Sommer 46 v. Chr. nach Rom zurückkehrte, erhielt Caesar vom Senat die Erlaubnis, vier Triumphzüge in Folge abzuhalten. Damit übertrumpfte er den bisherigen Rekordhalter Pompeius mit drei Triumphen. Pompeius’ letzter Triumph, 61 v. Chr., für seine Siege im Osten, war besonders pompös gewesen. Selbstverständlich wollte Caesar nun noch einen draufsetzen. Da es sich jedoch nicht geziemt hätte, den Tod römischer Bürger zu feiern, musste Caesar die traurige Realität des Bürgerkriegs bei den Triumphzügen etwas zurechtbiegen. Stattdessen stellte er seine Sie ge über die Gallier und andere Feinde im Ausland in den Vordergrund. Die Schaulustigen freuten sich vor allem über die improvisierten Momente, beispielsweise als seine Soldaten Spottlieder anstimmten und skandierten: „Römer, sperrt eure Ehefrauen ein, der Ehebrecher mit der Glatze kehrt heim!“42 Zu einem Triumphzug gehörten auch beschriftete Plakate, und Caesar sorgte dafür, dass keine Namen römischer Bürger darauf auftauchten. Trotz allem ließ er drei Gemälde mitführen, die den Selbstmord dreier führender römischer Feldherren nach ihrer Niederlage in Afrika zeigten. Einer von ihnen war Cato, der „sich selbst zerriss wie ein wildes Tier“43. Die Zuschauer stöhnten auf, als sie das sahen. Indem Caesar Catos Selbstmord anprangerte, hauchte er der Erinnerung an seinen Erzfeind neues Leben ein.

Doch das war erst der Anfang. In den folgenden Monaten kam es hinsichtlich des Themas Cato zu einem regelrechten Krieg der Pamphlete. Brutus beauftragte Cicero, eine kurze Denkschrift zu Ehren seines verstorbenen Onkels zu verfassen. Auch wenn ihm bewusst war, dass er Caesar damit vor den Kopf stoßen würde, übernahm Cicero den Job. Für ihn war Cato ein bedeutender Mann, der mit außerordentlicher Hellsicht die Zukunft vorausgesagt hatte.44 Auch wenn die Schrift nicht erhalten ist, so ist doch klar, dass sie Cato äußerst positiv darstellte – an anderer Stelle bezeichnete Cicero ihn als „mutigsten Mann aller Völker“45. Und das war auch die Meinung der römischen Elite.46 Aus irgendeinem Grund war Brutus mit Ciceros Werk nicht so zufrieden, daher verfasste er selbst eine kurze Hommage mit dem Titel Cato. Caesar antwortete mit einem Anti-Cato; darin verunglimpfte er Cato als Gierhals, Trunkenbold und Wüstling.

Während sein Onkel und Mentor Cato es vorgezogen hatte, seinem Leben in Nordafrika mit einem Dolch ein Ende zu setzen, anstatt vor Caesar zu kapitulieren, genoss Brutus in den Städten der norditalienischen Tiefebene alle Vorteile, die die Milde des Diktators mit sich brachte. Über kurz oder lang würde sich Brutus mit seinem eigenen widersprüchlichen Verhalten auseinandersetzen müssen.

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