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2 Die Optimaten Brutus

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Im August 45 v. Chr. traf sich Caesar in Mediolanum1 mit Marcus Junius Brutus, den er im Vorjahr als Statthalter von Gallia cisalpina eingesetzt hatte2. In diesem Jahr regierte die Provinz ein anderer, und Brutus war wieder in Rom; nun war er eigens wieder angereist, um seinem Chef Rapport zu erstatten.

Sich dem kritischen Blick des Diktators auszusetzen, muss etwas Beängstigendes gehabt haben, selbst wenn Caesar mit seinen 55 Jahren bereits ein paar Verfallserscheinungen zeigte. Er litt unter Schwindelanfällen, möglicherweise ein weiteres Symptom der Epilepsie, die ihn mit unregelmäßigen Anfällen heimsuchte.3 Er war fast kahl. Nach beinahe 15 Jahren Krieg war sein Gesicht faltig, seine Wangen waren eingefallen. Doch Caesar war nach wie vor schlau, und er war gefährlich. Wie ein Zeitgenosse einst schrieb, verkörperte Caesar Talent, Strategie, Gedächtnis, Bildung, Umsicht, Sorgfalt, Schläue und harte Arbeit.4

Doch Brutus ließ sich nicht so leicht einschüchtern. Mit vierzig stand er in der Blüte seiner Jahre, er war stolz, talentiert, nüchtern, hatte große Ziele, und wahrscheinlich war er auch ein wenig eitel. Und Brutus sah auch durchaus aus wie eine Führungspersönlichkeit.5 Eine Münze und eine Marmorbüste sind als Porträts von Brutus identifiziert worden, und sie zeigen regelmäßige, klassische Gesichtszüge, aus denen Intelligenz und eine gefestigte Persönlichkeit sprechen. Kraftstrotzend sieht er aus, entschlossen und reif. Er hatte dichtes, lockiges Haar, eine ausgeprägte Stirn, tiefliegende Augen, eine gerade Nase, dicke Lippen, ein vorspringendes Kinn und einen muskulösen Hals.

Mag sein, dass Brutus, als er nun vor Caesar stand, ein wenig ins Schwitzen kam – immerhin war er, anders als Antonius, Decimus oder Octavian, kein langjähriger Unterstützer Caesars, sondern ein rehabilitierter Feind. Brutus war ein Paradebeispiel für Caesars Politik der Milde: Er begnadigte seine Gegner und gab ihnen manchmal sogar öffentliche Ämter.

Indem er ihm Gallia cisalpina überantwortete, demonstrierte Caesar, wie sehr er Brutus vertraute. Es war eine Provinz von hoher strategischer Bedeutung. Hier hatte Caesar 49 v. Chr. im Bürgerkrieg seinen Marsch auf Rom begonnen. Dem Statthalter unterstanden hier zwei eigene Legionen; umso wichtiger war es, diese Provinz nicht einem allzu ehrgeizigen Mann anzuvertrauen. Komplett inkompetent oder ein Gierhals durfte der Statthalter aber auch nicht sein. Die Bewohner der Provinz unterstützten Caesar, weil viele von ihnen ihm das erst vor Kurzem eingeführte römische Bürgerrecht verdankten (die meisten ande ren Einwohner Italiens waren bereits römische Bürger), schon deshalb musste man sie gut behandeln. Ein fähiger Provinzverwalter war gefragt, der Caesar nicht gefährlich werden würde. Und Brutus war der richtige Mann für den Job.

Im Gegensatz zu Antonius, Decimus oder Caesar selbst war Brutus kein hochrangiger Militär. Er war Zivilist durch und durch, und er pochte stets auf die Normen der römischen Verfassung. Rom besaß zwar keine schriftliche Verfassung, aber ein altbewährtes Regierungssystem. Männer wie Brutus waren strikte Verfechter dieses Regierungssystems – all jenen, die sich außerhalb der eingeschworenen Gemeinschaft der Privilegien bewegten, bedeutete es weitaus weniger. Brutus war ein Philosoph, zugleich aber durchaus bodenständig. Er glaubte an die Republik, an Freundschaftsdienste und an seine Karriere. Mit einem Mann wie ihm kam Caesar gerne und schnell ins Geschäft. Brutus erwies sich als hervorragender Statthalter – einer der wenigen, denen es offenbar nicht darum ging, aus den Einheimischen so viel Geld herauszupressen wie möglich. Aus Dankbarkeit setzten ihm die Einwohner von Mediolanum ein Denkmal.6

Dabei war Brutus von seiner Ernennung zum Statthalter wahrscheinlich gar nicht so sehr angetan. 53 v. Chr. war er Vizestatthalter (Quästor) von Kilikien (Südtürkei) gewesen, und dort hatte er sich durchaus an den Einheimischen bereichert und war mit vollen Taschen heimgekehrt. Jetzt, in Gallia cisalpina, muss te er sich zusammenreißen. Caesars Politik beruhte auf Bündnissen mit den Eliten der Provinzen – umso schwieriger war es, sie zu bestehlen. Vor allem an so wichtigen Standorten wie Gallia cisalpina ließ er die Statthalter genau beobachten. An den Provinzlern bereichern konnte sich Brutus also nicht. Caesar hatte sich zwar neue Mittel und Wege ausgedacht, damit die, die ihm treu zur Seite standen, nicht leer ausgingen, aber dazu war man auf Caesars Wohlwollen angewiesen. Mit der Unabhängigkeit, die die römischen Adligen als hohes Gut ansahen, war es dann nicht mehr weit her.

Caesar und Brutus reisten zusammen durch Gallia cisalpina7, möglicherweise unterhielten sie sich auf der Reise darüber, welche Ländereien in der wohlhabenden Provinz Caesar seinen Veteranen schenken würde. Der Diktator lobte Brutus für dessen geleistete Arbeit und versprach ihm eine glänzende Zukunft. Caesar sagte, er würde Brutus für das Jahr 44 v. Chr. zum praetor urbanus (dem römischen Oberrichter) machen und für 41 v. Chr. zum Konsul. Nach dem Diktator waren die beiden Konsuln die höchsten römischen Beamten. Politiker, der er war, versprach Caesar ihm vielleicht noch andere Dinge. Während der Bürgerkriegsjahre hatte Caesar einen Großteil der Macht an sich gerissen und jetzt, da wieder Frieden eingekehrt war, hofften die optimistischeren Römer, dass er dem Senat und Volk von Rom diese Macht zurück geben würde. Es kostete Caesar wenig, diese Hoffnungen zu nähren, was erklären könnte, warum Brutus später sagte, er habe geglaubt, Caesar würde auf ihre Seite wechseln – auf die Seite der Elite, die traditionell Rom regierte und die sich an eine sehr eng gefasste und konservative Definition des Allgemeinwohls klammerte. Eine Gruppe, die sich selbst „Optimaten“ nannte (optimates: „die Besten“).

Rom kannte keine politischen Parteien im heutigen Sinne, aber dennoch neigten die Politiker dazu, sich einer von zwei Gruppen anzuschließen. Die Alternative zu den Optimaten waren die „Popularen“ (populares: „Volksfreunde“).8 Beide Gruppen wurden von den Eliten angeführt und buhlten um die Stimmen der kleinen Leute, oft indem sie ihnen irgendeine Form von Sozialhilfe versprachen.

Die Optimaten standen für die vererbbaren Privilegien. Sie hielten es für das Beste, dass das Imperium und seine 50 Millionen Einwohner nach wie vor von jener kleinen Elite römischer Adliger regiert werden sollte, die in der Stadt Rom bereits seit Jahrhunderten das Sagen hatte. Ihrer Überzeugung nach besaßen nur sehr wenige Menschen die familiäre Abstammung, den Reichtum und die Tugend, die man brauchte, um dafür zu sorgen, dass Rom mächtig und frei blieb. Sie hatten wenig Interesse daran, ihre Privilegien mit den oberen Schichten des übrigen Italien oder des Reiches zu teilen – geschweige denn mit der breiten Masse.

Die Popularen standen für den Wandel. Sie setzten sich für die Armen, die Landlosen, die Ausländer, die Nichtbürger, die verschul deten Adligen ein. Und nicht zuletzt für die Bewohner Italiens, die zwar reich waren, aber nicht adlig – die römischen Ritter –, und die endlich im Senat vertreten sein wollten.

Der Senat war ein ganz exklusiver Verein. Mitglied war man auf Lebenszeit, und die Senatoren wachten peinlich genau über ihre Privilegien. Die meisten von ihnen stammten aus ein paar wenigen prominenten Familien. Alle hatten sie in Rom eines der ganz hohen politischen Ämter ausgeübt. Die meisten dieser Ämter hatten eine Amtszeit von einem Jahr, auf die mitunter ein befriste ter Dienst in einer Provinz folgte; danach winkte das lebenslange Senatorenamt. Zwar dominierten die Optimaten den Senat, aber die Popularen waren dort ebenfalls vertreten.

Caesar gehörte nicht zu den Optimaten. Ganz im Gegenteil, er war Roms wichtigster Popular, und er rief eine neue, breit aufgestellte Koalition ins Leben, die die Macht an sich riss – mithilfe der Öffentlichkeit und mithilfe der Schwerter seiner Legionäre.

Die Römer nannten ihr politisches System Republik (res publica, wörtlich: „öffentliche Angelegenheit“). Die Frage, die sich für die Optimaten stellte, war, ob die Republik immer noch eine Republik sein würde, wenn Caesar mit ihr fertig war.

Die Iden des März

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