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Caesars Soldaten
ОглавлениеDer Krieg gegen die Gallier diente Caesar nicht nur dazu, sich als einer der größten Eroberer der Geschichte hervorzutun; er ermöglichte es ihm obendrein, einen Staat innerhalb des Staates auf zubauen. Und der bestand hauptsächlich aus seiner Armee. Auch andere römische Feldherren vor Caesar hatten die Loyalität ihrer Soldaten als politisches Instrument genutzt, aber so gut wie ihm war das noch niemandem gelungen. Das war schon damals jedem klar, und auf jeder Seite seiner Kommentare schwingt es mit. Im emotionalen Zentrum jener Werke stehen nicht etwa die rang höchsten Offiziere, sondern die Zenturionen (der Zenturio war das römische Äquivalent eines Hauptmanns). Caesar schildert deren Tapferkeit, Selbstaufopferung und Professionalität, und zurück in Rom zeigten sie sich erkenntlich, als politische Verbündete und in anderen Funktionen. Und bevor Caesar 49 v. Chr. den Rubikon überschritt und den Bürgerkrieg begann, liehen ihm seine Zenturionen sogar Geld.
Arm waren Zenturionen nicht. Sie kamen in der Regel aus der oberen Mittelschicht – und falls nicht, verdienten sie doch genug, um am Ende dort zu landen. Die einfachen Soldaten hingegen waren ziemlich arm; sie hingen einfach emotional an ihrem Anführer. Nicht, dass Caesar darauf sentimental reagiert hätte. Macht, sagte er einmal, hänge nur von zweierlei ab: Soldaten und Geld.23 Caesar bezahlte seine Männer und erwarb sich selbst einen geradezu wundersamen Ruf als jemand, der einiges zu ertragen imstande war und der die Opfer, die seine Soldaten brachten, teilte. Tatsächlich ließ er sie in risikoreichen Situationen nicht allein: Einmal schickte er zu Beginn einer Kampfhandlung die Pferde der Offiziere fort, um deutlich zu machen, dass es nun um alles oder nichts ging. Und sein Pferd war das erste, das weggeführt wurde.24
Manchmal waren es ganz kleine Gesten, beispielsweise wenn er sich nach schweren Verlusten auf dem Schlachtfeld als Zeichen der Trauer Haar und Bart nicht scheren ließ.25 Manche Gesten waren aber auch bedeutender, wenn er Geld, Beute und Land verteilte – Caesar kümmerte sich um alles. Das Ergebnis: Caesars Soldaten „hingen an ihm, bedingungslos und absolut standhaft“26. Was man sich über Romulus, den mythischen Gründer Roms erzählte, galt auch für Caesar:
Die Massen mochten ihn mehr als der Senat, aber am beliebtesten war er bei seinen Soldaten.27
Als sie 46 v. Chr. in Caesars Triumphzügen mitmarschierten, trugen seine Soldaten ihre Militärkleidung, präsentierten stolz ihre Dekorationen, ließen Caesar hochleben und sangen derbe Lieder über seine sexuellen Heldentaten. Gemeinsam riefen sie: „Wenn du es richtig machst, wirst du bestraft, wenn du es falsch machst, wirst du König!“28 Damit meinten sie natürlich, dass Caesar als Konsul gegen das Gesetz verstoßen und damit einen Bürgerkrieg vom Zaun gebrochen hatte, sich dennoch jeder Strafe hatte entziehen können und am Ende die Oberhand behalten hatte.
Es heißt, Caesar sei hocherfreut gewesen, dass er und seine Soldaten sich so gut verstanden. Und seine Zuneigung zeigte er nicht nur mit Worten. Caesar zahlte seinen Soldaten im Rahmen der Triumphzüge ungewöhnlich hohe Boni. Jeder seiner Veteranen erhielt pauschal 6000 Denare – mehr als das 25-Fache des Jahressolds eines Legionärs, der 225 Denare betrug. Zenturionen erhielten das Doppelte, Militärtribune (Obristen) und Kavalleriekommandanten sogar das Vierfache. Diese erstaunlich hohen Bonuszahlungen konnte Caesar nur leisten, weil er durch die Kriegsbeute einen enormen Reichtum angehäuft hatte.
Es war ein Vorgeschmack auf das, was kommen sollte. Die Soldaten waren die eigentliche Macht in Rom, und binnen weniger als drei Jahren war das auch dem Letzten klar. Im Moment jedoch gab es durchaus noch viele, die glaubten, dass die Soldaten den politischen Autoritäten unterstanden.
Caesar zählte auf die Unterstützung der plebs urbana, und auch an sie verteilte er Geld. Die Soldaten jedoch wollten ihren neugewonnenen Reichtum mit niemandem teilen, und es kam zu Ausschreitungen, die Caesar nun wiederum niederschlug. Es gab eine Million männliche Bürger in Rom, und mehr als ein Viertel von ihnen erhielt jeweils 100 Denare. Außerdem gab es in Rom und im Rest von Italien Mietzuschüsse – ein wahrer Segen für die Armen. Jahrhunderte später sagte der römische Kaiser Septimius Severus auf dem Sterbebett zu seinen Söhnen: „Sorgt dafür, dass die Soldaten reich sind, und kümmert euch um niemand anderen.“29 Dem hätte Caesar (noch) nicht zugestimmt. Er wusste: Ohne die Unterstützung seiner Legionen konnte er nicht regieren, aber ohne die Unterstützung der breiten Masse konnte er nicht in Friedenszeiten regieren. Also ließ er drei der an den Ausschreitungen beteiligten Soldaten töten, zwei davon mittels einer rituellen Hinrichtung, und ließ ihre Köpfe vor seinem Amtssitz zur Schau stellen.
Neben seinen Soldaten und der plebs urbana kümmerte sich Caesar auch um eine neue Elite. Noch in Gallien begann er damit, ein Team von Beratern zusammenzustellen, zu denen Politiker, Verwaltungsfachleute, Rechtsanwälte, Propagandaexperten, Organisatoren und Bankiers zählten. Sie waren seine Torwächter, seine Troubleshooter, seine Spione und Auftragskiller. Von denen stammte kaum einer aus dem römischen Adel, einige waren noch nicht einmal als römische Bürger zur Welt gekommen; die meisten stammten aus den oberen Schichten Italiens – Männer, die zwar römische Bürger waren, aber im Großen und Ganzen von hohen Ämtern ausgeschlossen waren. Die beiden mächtigsten Angehörigen von Caesars neuer Elite waren der römische Ritter Gaius Oppius und der Neubürger Lucius Cornelius Balbus aus Hispanien. Sie waren in alles eingeweiht, gaben sich aber meist wortkarg, und hinter den Kulissen dienten sie Caesar als wichtige Gewährsleute.30 Balbus und Oppius waren zugleich seine Generalstabschefs, Propaganda- und Finanzminister.
Sie zogen in Rom zahlreiche Strippen. Cicero beschwerte sich darüber, dass Balbus Dekrete ausarbeitete und mit seinem, Ciceros, Namen unterzeichnete, ohne dass er ihn jemals um Rat gefragt hatte.31 Früher einmal, klagte Cicero, sei er sozusagen der Steuermann auf dem Staatsschiff der Republik gewesen, und nun sei für ihn kaum noch Platz im Laderaum.32 Es war praktisch unmöglich, zu Caesar zu gelangen, ohne sich zuvor mit den beiden auseinanderzusetzen, wie Cicero sehr zu seinem Missfallen feststellen musste. Dieser Prozess war nicht nur ermüdend, sondern geradezu ein Affront gegen die dignitas des Einzelnen – man stelle sich nur vor, mit wie vielen sozial schlechter Gestellten Cicero sich nun gemein machen musste! Offen bar blieb Caesar selbst nicht verborgen, wie unpopulär seine Torwächter ihn machten. Angeblich sagte Caesar einmal, wenn ein Mann wie Cicero warten müsse, um ihn zu sehen, dann müssten alle, auch Cicero, ihn wirklich hassen.33 Es scheint, als sei Caesar selbst unzufrieden mit der Situation gewesen, aber für ihn gab es keine Alternative.