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Feminismus und Konsum – eine alte Freundschaft

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In einem vorweihnachtlichen TV-Spot des Online-Konzerns Amazon fallen sich zwei Frauen in einer Flughafenhalle in die Arme und küssen sich. Es sind einfach zwei junge Frauen, die sichtlich ein Paar sind und sich über ein Wiedersehen freuen. Sie schwenken weder eine Regenbogenfahne noch werden sie von den anderen Passant*innen kritisch beäugt – Schnitt zu einer anderen Szene des täglichen Lebens, zu dem eben auch diese gehört.

Ein anderer Internetriese plakatiert wenige Wochen davor androgyn aussehende Menschen, unterhalb ihrer Bilder steht der Slogan »Free to be«. Sie tragen das, was man vor ein paar Jahren vielleicht noch als Unisex-Klamotten bezeichnet hätte. Jetzt braucht es keine extra Titulierung mehr. Lässige Kleidung, lässige Menschen, die lässig sind im Umgang mit Geschlechterrollen, oder besser gesagt: Geschlechterklischees? War da mal was?

Wie schön, denkt sich die feministisch geneigte Passant*in. Werbung wie diese zeugt doch von einer gewissen Selbstverständlichkeit. Dass man nicht automatisch wegen des eigenen weiblichen biologischen Geschlechts auf Männer steht und sich schon gar nicht deswegen auf die Wahl von »Frauenklamotten« limitieren lässt. Und trotzdem ist da auch eine gewisse Irritation, die die Freude darüber trübt, dass seit einigen Jahren Werbungen nur so vor Diversity und Feminismus strotzen. Waren es nicht Feministinnen, die das alles vorantrieben? Menschen, die gegen Sexismus kämpften und nichts dafür bekamen – außer verdammt viel Gegenwind, Häme und die ständige Diffamierung ihrer politischen Ziele? Für ihre kommunistisch anmutende »Gleichmacherei« der Geschlechter, für ihre »Hässlichkeit«, weil sie sich den gängigen und von der Schönheitsindustrie befeuerten Schönheitsidealen verweigerten? Und waren es nicht eben genau diese Industrien, die massiv von dem strengen Auseinanderdividieren der Geschlechter profitierten, ja sogar darin ihre Geschäftsgrundlage hatten? Seien es Kosmetik, Ernährung, Mode oder Lifestyleprodukte und damit natürlich auch Amazon oder Zalando. Es sind mächtige Industrien, die in Frauen das unstillbare Begehren wecken, perfekt zu sein. Und jetzt stellen sich Unternehmen wie diese plötzlich auf die feministische Seite?

Nun, daran muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Feminismus ist eben im Mainstream angekommen. Und ist es nicht gut, wenn Feminismus, die Gleichberechtigung von Frauen und LGBTIQ (Lesbisch Schwul Bi Trans* Inter* Queer) inzwischen ein derart gutes Image haben, dass sich auch Konzerne damit schmücken wollen? Oder ist es eben nur das: eine feministische Variante von Greenwashing, also ein »Feminist-Washing«, das das Fett abschöpft und die darunterliegenden zäheren Anliegen, jene, die mehr erfordern als bloße Ästhetik, schön unberührt lässt? Aber schieben wir die Frage, ob geschlechterpolitisch progressiv angehauchte Spots wie jene von Zalando oder Amazon gut oder schlecht sind, einmal beiseite. Denn auch wenn es offensichtlich ist, dass der Umgang von Werbung und Konzernen mit dem Thema Gender im weitesten Sinne neu ist, so zeigt ein genauerer Blick auf geschlechterpolitische Entwicklungen, dass er es im Grunde nicht ist.

Für den Konsumkapitalismus war es immer schon wichtig, die herrschenden Geschlechterverhältnisse zu verstehen. Nicht nur, damit er Frauen und Männer in ihrem ihnen zugeordneten Rollenverständnis erreicht, sondern er muss auch Möglichkeiten des Ausbruchs aus ebendiesen Rollen anbieten. Die Geschlechterdifferenz, also die Vorstellung, dass es nur Männer und Frauen gibt und das biologische und soziale Geschlecht ursächlich miteinander zusammenhängen, dass Männer und Frauen verschiedene Bedürfnisse und Kompetenzen haben und durchgehend heterosexuell wären – diese Vorstellungen sind noch immer eine enorm wichtige Grundlage für ein endloses Produktportfolio. Doch gleichzeitig sind heute innerhalb der herrschenden Geschlechterrollen die Antworten auf die Frage »Wer willst du sein?« diverser geworden. Vor der zweiten Frauenbewegung beschränkten sich die möglichen Identitäten von Frauen meist nur auf die Wahl, eine mittelprächtige oder eine perfekte Hausfrau sein zu wollen, darauf, ob es im eigenen Haushalt »nicht nur sauber, sondern rein« sein sollte, wie es in dem berühmten Werbeslogan der Waschmittelmarke »Ariel« ab den späten 1960ern hieß.

Heute darf es mehr sein. Männer dürfen und sollen sich zugestehen, eine anspruchsvolle Gesichtshaut zu haben, und können sich die pflegende Creme in einem in kräftigem Mitternachtsblau gehaltenen Tiegel ins Bad stellen. Es ist im Grunde ganz einfach: Werden die Identitätsangebote für die Geschlechter vielfältiger, werden es auch die Produkte. Eine Win-win-Situation? Eine Wachstumschance für den Markt und gleichzeitig eine Chance im Kampf gegen sexistische Stereotype?

Der verkaufte Feminismus

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