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Die Matriarchinnen der Seifenopern

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Frauen hatten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ihren Ehen meist weder ein eigenes Einkommen noch waren sie in maßgebliche finanzielle Entscheidungen eingebunden. Trotzdem gab es Kaufentscheidungen, die sie trafen. Welcher Mann hätte sich damals schon damit befasst, welche Reinigungs- und Waschmittel am erfolgreichsten im Kampf gegen Dreck und Flecken sind. Einem Seifen- und Waschmittelhersteller wie P & G war natürlich bewusst, dass er Frauen am besten dort erreicht, wo sie diese Produkte brauchen: im privaten Bereich, zu Hause, direkt am (zweiten) Arbeitsplatz von Frauen. P & G finanzierte deshalb Anfang der 1930er-Jahre Hörfunkserien, um seine Werbung zielgruppengerecht platzieren zu können, und gilt damit als Erfinder der sogenannten Soap-Opera. In den 1930ern hatten die USA die höchste Zahl nicht erwerbstätiger Hausfrauen, für diese waren die täglichen Hörfunkserien gedacht, die in ihren Anfängen morgens und vormittags ausgestrahlt wurden. Am 14. August 1933 präsentierte P & G zum ersten Mal die für Hausfrauen gemachte Serie »Ma Perkins«, die erste Soap-Opera. Soap-Operas heißen so, weil sie ursprünglich rund um Waschmittelwerbung platziert wurden. Der Inhalt dieser Soap-Operas war auf Hausfrauen zugeschnitten und wurde somit auf Produkte in den Werbepausen abgestimmt. Als die Zahl der erwerbstätigen Frauen zu steigen begann und Frauen die Hausarbeit erst nach ihrer Lohnarbeit verrichten konnten, wurden die »Daily Soaps« in den späten Nachmittag verlagert. Auch der Medienkanal wurde gewechselt und die Soaps verschwanden zunehmend aus dem Radio und wanderten ins Fernsehen. Zwischen 1955 und 1969 stellten die US-amerikanischen Sender CBS, NBC und ABC die Radioübertragungen der Soaps zur Gänze ein. Nachdem sie am späteren Nachmittag und im TV ausgestrahlt wurden, erweiterte sich ihr Publikum auch auf jene, die außer Haus arbeiteten und Hausarbeiten später erledigten. Unverändert blieb allerdings die Struktur des Genres Soap-Opera: die Parallelität verschiedener Handlungsstränge, der Fokus auf Dialoge statt auf Action, auf Beziehungs- und Gefühlsprobleme, die über einen langen Zeitraum verfolgt werden. Der Anspruch war, dass Soap-Operas nebenbei konsumiert werden können. Man muss der Handlung auch dann noch folgen können, wenn man immer wieder wegen diverser Tätigkeiten im Haushalt nicht zuschauen kann. Das gilt im Übrigen bis heute auch für andere auf Frauen zugeschnittene Kulturgüter wie Frauenzeitschriften: Sie müssen nebenbei konsumiert werden können (Klaus 2005, 305). Denn solange Frauen vorwiegend die Haus- und Sorgearbeit erledigen, ist ihr Zuhause ein Ort der Arbeit und Freizeit zugleich. Rasch zwischen Entspannung mit kurzweiliger Zerstreuung und Haus- und Sorgearbeit hin- und herwechseln zu können, ist genau das, was Soaps oder Frauenzeitschriften bieten. Fokussierung und Konzentration sind für den Konsum dieser Medien nicht erforderlich, schließlich ist beides bis heute für viele Frauen vor allem daheim kaum möglich.

Soaps sind aus diesem Grund seicht. Sie bieten aber durchaus Aspekte, die Zuschauerinnen über Unterhaltung und Ablenkung hinaus faszinieren sollen. Immerhin sind Frauen in den Serien die zentralen Figuren, es gibt eine »(…) Mehrzahl an weiblichen Protagonistinnen in vielfältigen Rollen, wobei in der Regel ein ausgeprägter mütterlicher Charakter im Mittelpunkt der Handlung stand« (Klaus 2005, 313). Serien wie diese sollten auch etwas bieten, das über das profane Leben der Zuseherinnen hinausging, und so wurden die weiblichen Figuren zwar mit einem stark »mütterlichen Charakter« ausgestattet, aber auch mit einer ordentlichen Portion Macht. Dieser Spagat lässt sich mit nichts besser bewältigen als mit dem Narrativ von Familienunternehmen. Dieses haben wir beispielsweise in Vorabendserien wie »Falcon Crest«, in der Angela Channing mit harter Hand sowohl ihr Weinimperium als auch ihre Familie zusammenhält, oder in »Reich und Schön«, eine Soap-Opera im klassischen Stil. In der seit 1987 laufenden Serie war bis 2012 Stephanie Forrester die zentrale Hauptfigur als Matriarchin des Familienunternehmens Forrester. In den 1990er-Jahren war die Serie rund um eine Familie im Fashion Business eine der meistgesehenen Serien der Welt. Die Massen faszinierte offenbar, wie Susan Flannery als Stephanie Forrester bis ins hohe Alter die Geschicke eines Konzerns und die Schicksale der mit diesem Unternehmen verbundenen Familien diktierte. Ein mütterlicher Charakter allein reicht also nicht, den bekommen viele Zuseherinnen selbst attestiert und man muss ihn nicht unbedingt auch noch über eine Serie konsumieren.

Als in den 1990er-Jahren geschätzte 450 Millionen Menschen »Reich und Schön« schauten, erreichte die Soap-Opera auch den akademischen Feminismus und die Cultural Studies, die rege über dieses Format debattierten. Neben Analysen zu den üblichen Stereotypisierungen von Geschlechterrollen wurden nunmehr auch die emanzipatorischen Kräfte dieses Formats herausgearbeitet, etwa, dass frauenspezifische Zusammenhänge in den Mittelpunkt gestellt werden und überhaupt ein weibliches Sujet als zentrale Figur zugelassen wird. Daraus entstand eine Art feministische Vereinnahmung der Populärkultur, die dem Feminismus zahlreiche neue Impulse und neue Zugänge lieferte. Ein wesentlicher Impuls lag darin, sich politisch nicht mehr von der Massenkultur als Multiplikator herrschender Geschlechterdiskurse und -hierarchien angewidert abzuwenden, sondern nach widerständigen Lesarten dieser Massenkultur zu suchen. Dieses Potenzial der Populärkultur war auch deshalb aus feministischer Perspektive interessant, weil es von den Rezipitent*innen kam und damit auch gezeigt wurde, dass die Bedeutung einer bestimmten Erzählung in einer Serie oder einer bestimmten Figur nicht von den Macher*innen einer Serie allein bestimmbar ist, sondern von den Zuseher*innen »gegen den Strich gelesen werden kann« – und man somit der Massenkultur nicht machtlos ausgesetzt ist.

Popkultur wurde somit zu einer wichtigen Ressource feministischen Denkens. Doch wie die Geschichte der Soap-Opera zeigt, hatte die auf Frauen zugeschnittene Populärkultur – mit all ihrem emanzipatorischen Potenzial – vorrangig die Motivation, Frauen als Konsumentinnen zu erreichen. Trotzdem schaffen es aktuelle Kampagnen immer öfter, vor allem aus einer feministischen Perspektive rezipiert zu werden. Allerdings nicht mehr durch das Umdeuten eines dominanten Plots, denn die feministische Deutung ist nun die einzig mögliche. Wie bei den Kampagnen von Gillette: Die Kampagne »My Skin. My Way« wurde immer wieder als Tabubruch bezeichnet. Warum? Weil in einer Werbung für Rasierer für Damen das gezeigt wird, was in jenen für Herren immer schon vorkam: Haare, die man wegrasieren kann. In früheren Sujets und Spots für sogenannte Damenrasierer wurde immer makellos glatte Haut rasiert. Frauen durften in öffentlichen Bildern schlicht zu keinem Zeitpunkt Haare auf den Beinen und unter den Achseln haben. Diese Kampagne von P & G zeigte nun aber 2017 zumindest zart behaarte Beine und Achseln, die in dem Spot abrasiert oder sogar stehen gelassen werden. Ein anderer Spot dieser Kampagne zeigt auch Frauen mit ihrer Kaiserschnittnarbe, Cellulite, Dehnungsstreifen oder Frauen mit überdurchschnittlich vielen Muttermalen. Es sind weiße Frauen, Women of Colour, dicke und dünne. In Interviews erzählen sie, wie sie gelernt haben, sich nicht mehr zu verstecken und sich selbst zu akzeptieren. Es ist eine starke Botschaft von Vielfalt, und es sind durchaus bewegende Bilder der Ermächtigung von Frauen, die wir bisher kaum im Fernsehen und schon gar nicht in Werbungen gesehen haben.

Der verkaufte Feminismus

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