Читать книгу Der verkaufte Feminismus - Beate Hausbichler - Страница 7
Verquerer Feminismus
ОглавлениеDenn so offenkundig der Hype um Feminismus inzwischen ist, so klar ist auch, dass der realpolitische Zustand feministischer Frauenpolitik in einem großen Widerspruch zur neuen »Sexyness« des Feminismus steht. Gegen die wenig aufregenden Probleme gibt es nach wie vor keine wirkungsvolle Politik: keine gegen die hohe Frauenarmut im Alter, keine dagegen, dass in Branchen mit einem starken Frauenüberhang miese Löhne gezahlt werden; keine dagegen, dass Frauen noch immer zum größeren Teil die Arbeiten erledigen, die es in jedem Leben braucht, für die aber niemand zahlt – das Pflegen, Umsorgen, Putzen und vieles mehr. Bei alldem gibt es keine Fortschritte. Und das ist nur die europäische Perspektive auf die geschlechterpolitischen Herausforderungen. Aufgrund der Coronakrise werden sich Ungerechtigkeiten in den allermeisten Ländern noch verschärfen. Das gilt auch für die Auswirkungen der Klimakrise: Ärmere Bevölkerungsschichten sind auch von dieser weitaus stärker betroffen. 80 Prozent derer, die wegen des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen, sind Frauen (Global Gender and Climate Alliance, UN 2016).
In all den Jahren, in denen Feminismus in die Werbung, in die Medien, in Serien und Filme einzogen ist und immer mehr zum Label für Selbstmarketing mit politischem Touch wurde, hat sich weder die riesige Lücke von 40 Prozent zwischen den Pensionen von Männern und Frauen verkleinert, noch sind weniger Frauen durch ihren Partner ermordet worden. Die Werbung zeigt uns heute zwar ein paar Achselhaare bei ihren Models, auf Instagram bekommen wir Menstruationsblutflecken auf Bettlaken unter dem Motto »Period Pride« zu sehen und die Debatten in sozialen Medien strotzen nur so vor radikalfeministischem Vokabular. All das geriert sich wahnsinnig politisch. Vielleicht gibt es gesellschaftliche Veränderungen als Reaktion auf all das und wir sehen es nur noch nicht klar genug. In den immergleichen Zahlen zur Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Sexualität und Herkunft drücken sie sich jedenfalls nicht aus.
Doch es wäre unfair, dem jüngeren politischen Engagement, etwa jenem in den sozialen Medien, vorzuwerfen, dass es zwar höchst aktiv und sichtbar sei, aber bisher kaum Spuren hinterlassen habe. Zehn oder vielleicht fünfzehn Jahre auf einer weitaus größeren Bühne, als es sie bisher gab, reichen dafür nicht. Allerdings müssen wir uns fragen, ob sich Teile dieses Aktivismus schon selbst in neoliberalen und kapitalistischen Netzen verheddert haben. Auch wenn das streckenweise schmerzhaft sein kann.
Feminismus als Ware und der Konsum von Feminismus sind weitaus vielschichtiger, als es das Paradebeispiel für die neue Etablierung von Feminismus andeutet: ein weißes T-Shirt mit dem Zitat der nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozi Adichie darauf: »We Should All Be Feminists«. Das T-Shirt ist ursprünglich vom Designlabel Dior und kostet 620 Euro. Das ist in der Tat ein interessantes Symbol dafür, welchen Wert Feminismus als Ware inzwischen erreicht hat. Es gibt viele Bereiche, in denen dieser Wert enorm gestiegen ist. Der Profit daraus bringt dem politischen Projekt Feminismus aber bisher überraschend wenig.
Die neue Warenförmigkeit von Feminismus durchdringt klassische wie soziale Medien, die Schönheitsindustrie und die Kulturindustrie, bis hin zu unserem Verständnis von Autonomie. Begonnen hat die Vereinnahmung von politischen Forderungen wie »Autonomie« schon früh. Schon vor 100 Jahren wurden Frauen in der Werbung »als Frauen« angesprochen, was und wie sie sein sollten. »Wir helfen dir, richtig zu sein«, »wir sind auf deiner Seite«, so die dahinterliegende Botschaft: die richtige Ehefrau, die richtige Hausfrau, die richtige Mutter. Heute sind die Anforderungen an die Geschlechterrollen natürlich andere, oder besser gesagt: Heute sind weitere Anforderungen hinzugekommen. Unternehmen wollen uns so sehr dabei helfen, ihnen gerecht zu werden, dass wir inzwischen kaum mehr unterscheiden können, was noch Produkt und was schon eine Bewegung ist. In Deutschland waren Firmen maßgeblich an einer Petition beteiligt, die letztlich zur Senkung der sogenannten Tampon-Steuer beigetragen hat. Was ist davon zu halten, wenn Firmen – auch wenn es hippe Start-ups sind – Politik machen? Und was sollen wir von einem Aktivismus halten, der uns noch weitere Aufgaben, weitere Arbeit am Selbst umhängt? Mit dem kämpferischen Ruf »Body Positivity!« erzählen uns jene Unternehmen, die uns jahrzehntelang völlig jenseitige Idealvorstellungen von Frauenkörpern eingehämmert haben, nun: »Liebe deinen Körper! Egal wie er aussieht.« Für die Arbeit daran, wie wir diese Selbstliebe plötzlich hinbekommen, steht die Ratgeberindustrie schon Gewehr bei Fuß. Meditieren, achtsam sein, richtig atmen. So oder so: Die Arbeit bleibt. Und nicht mehr nur am schlanken Körper, sondern gleich am ganzen Selbst. Und dieser Arbeit sind keine Grenzen gesetzt.