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Neue Produkte für neue Geschlechterrollen

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Werbung muss Menschen oder – um in der Sprache des Marktes zu bleiben – Konsument*innen in den ihnen zugeordneten sozialen Sphären ansprechen. Und zwar nicht nur, um an ihre vermeintlichen Interessen zu appellieren, denken wir nur an Automessen, die ja vor allem Männer ansprechen, bei denen polierte Neuwagen bis heute flankiert von zwei jungen Frauen präsentiert werden. Oder an die perfekt sitzende Slipeinlage für sie, die den ganzen Tag »frisch hält«. Wer verkaufen will, muss über die Klischeevorstellungen hinaus die Geschlechterverhältnisse genau beobachten. Konzerne müssen verstehen, wer überhaupt welche Kaufentscheidungen treffen kann und darf. Das galt insbesondere für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts: Damals appellierte man noch vorwiegend an die Kompetenzen von Frauen als Hausfrauen, als Verantwortliche für alles, was das Äußere, die Oberfläche, das Heim betraf: saubere Wäsche, Küchenzubehör, Haushaltsgeräte, Schönheitspflege. In den Werbesujets der 1950er-Jahre posieren Frauen neben Kühlschränken wie dem »Neuen Frigidaire – Ein entscheidender Fortschritt in der Haushalt-Kühlung«. Oder sie freuen sich, nun endlich »meine Gruco-Küche« zu haben, und fallen dem Gatten im Anzug um den Hals, der sie ihr offenbar gekauft hat. Wie der großzügige Gönner auf dem Gruco-Sujet tragen nahezu alle männlichen Protagonisten in der Werbung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Anzug. Frauen hingegen Kleidung für drinnen: Küchenschürzen, Dessous, flauschige Hauspantoffeln. Darin bejubeln sie Produkte »für Frauen«, während Männer für alles stehen, was draußen passiert. Sie sind auf der Straße, im Büro zu sehen, stets unterwegs. Ein Sujet der Textilmarke Elbeo für »ihn« und »sie« zeigt diese strenge Drinnen-Draußen-Dichotomie so: Der Männerfuß, der den Herrenstrumpf bewirbt, steckt in einem Lederschuh. Der Mann ist gerade auf dem Sprung hinaus in die Welt – das heißt, sobald die auch auf dem Bild sichtbare Frau damit fertig ist, ihm die Schuhe zu binden. Die hilfsbereite Dame hingegen bleibt daheim, so viel steht auch auf dem Elbeo-Sujet für Damenstrümpfe fest, die vor warmem Kerzenlicht feilgeboten werden, ein gemütlicher Innenraum, ihr privates Territorium.

Innen und außen, privat und öffentlich. Das sind wesentliche Denkfiguren für die Untersuchung der Geschlechterverhältnisse und der Unterdrückung von Frauen. Etwa bei Simone de Beauvoir (de Beauvoir 2000), die das Frauenleben als ein auf Immanenz, Körperlichkeit, Passivität und Wiederholung beschränktes Dasein analysiert, während Männer Transzendenz repräsentieren. Ihnen sei durch Geistigkeit und Intellektualität die Selbstüberschreitung möglich, sie könnten aktiv in die Welt eingreifen. Auch Pierre Bourdieu (Bourdieu 2005, 14–43) analysiert die soziale Ordnung durch die männliche Herrschaft entlang von Körperlichkeit und Innerlichkeit, die Frauen in ihrem Habitus verkörpern und sich so immer wieder an ihren sozialen Ort im Inneren gekettet werden, während Männer ihren Platz im Draußen und in der Öffentlichkeit haben.

Diese Innen-/Außen-Zuweisung von Männern und Frauen ist im Alltag offensichtlich – und schafft bis heute eine schier unendliche Menge von Produkten, die entlang dieser Anordnung vermarktet werden. »Würde man einem Mann alle ›Männergeschenke‹ kaufen, könnte er ein halbes Jahr in der Antarktis überleben & dabei die ganze Zeit besoffen sein. Würde eine Frau alle ›Frauengeschenke‹ bekommen, könnte sie eine Reihe aus Kuscheldecken um die ganze Erde legen«, schreibt die deutsche Autorin und »Der Spiegel«-Kolumnistin Margarete Stokowski (Stokowski 2019). Schaut man auf das Marketing für Kleidung und Spielzeug für Kinder, hat sich die Zuweisung sogar noch verstärkt. Seit rund zehn Jahren wurde die Einteilung der Warenwelt in Pink und Blau noch einmal um einiges rigider (Hausbichler 2019). Die Angebote an Spielzeug-Haushaltsgeräten in zartem Rosa für Mädchen und Spielzeug-Werkzeugkästen in gedämpften Farben für Buben türmen sich.

Während sich westliche Konsumgesellschaften in Sachen Gleichberechtigung gerne in progressivem Licht darstellen, ist die Frage nach dem Geschlecht in der Welt des Konsums wichtiger denn je. Ein Blick auf die unzähligen Produkte für die angeblich unterschiedlichen Bedürfnisse von Mädchen und Buben, Männern und Frauen, und die damit stattfindende Fortschreibung von Geschlechterstereotypen zeigt, dass vieles beim Alten geblieben ist. Auch wenn viele dieser Stereotype heute mit einem Augenzwinkern und Ironie daherkommen, damit Sexismusvorwürfe gleich von vornherein abgewürgt werden, ändert das nichts daran, dass wir im Kapitalismus von Bildern umzingelt sind, die zeigen, wer wir als Männer und Frauen sein sollten und was wir dafür brauchen, um diese Rollen erfüllen zu können. Allerdings bedarf es dafür neuerer, modernerer Erzählungen als noch vor hundert Jahren, denn klar ist auch: Genau in diesen hundert Jahren haben wir den einschneidendsten geschlechterpolitischen Wandel durchlebt. Daher kann sich die Auswahl heute nicht mehr auf »rein« statt »sauber«, wie früher das Angebot von »Ariel« an Frauen lautete, beschränken.

Der verkaufte Feminismus

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