Читать книгу Der verkaufte Feminismus - Beate Hausbichler - Страница 18
Gender? Das lässt niemanden kalt
ОглавлениеKlar, dass es bei einer Werbung wie der von Always nicht in erster Linie darum geht, das Selbstbewusstsein von Mädchen zu stärken. Es geht darum, ein Produkt zu verkaufen, nicht um eine gesellschaftspolitische Kampagne. Es geht nicht um Emanzipation, es geht um Umsatz – aber durchaus auch um Umsatz mit Emanzipation. Denn man profitiert von der Anbindung an Antidiskriminierungsthemen, sie geben ein gutes Image. Und noch etwas gibt es dafür: große Aufmerksamkeit. Wenn Konzerne wie Procter & Gamble ihre Produkte mit politischen Inhalten bewerben, ist ihnen zusätzliche Distribution über klassische und soziale Medien gewiss und sie müssen sich gar nicht groß selbst darum kümmern. Genderthemen sind als hochemotionale und kontroverse Themen ein Garant für eine breite mediale Debatte. Sie werden seit einigen Jahren von Journalist*innen, Blogger*innen und Aktivist*innen aufgegriffen und verbreitet.
Gillette erreichte auch mit seiner Linie für Männer maximale Aufmerksamkeit, weil es in einer Kampagne ein in den sozialen Medien besonders aggressiv verhandeltes Thema aufgriff: toxische Männlichkeit. Anfang 2019 veröffentliche Gillette eine Kampagne, die die herrschenden Männlichkeitsbilder kritisch thematisierte. Sexismus, Mobbing, Raufereien und andere Brutalitäten werden in einem Spot mit schulterzuckenden, grillenden Männern als »Boys will be boys« quittiert. Doch dann wendet sich das Blatt und der Spot zeigt, wie es auch anders sein könnte: Männer, die einschreiten, wenn Frauen belästigt werden, Männer, die Streit zwischen Buben schlichten und sich empathisch erkundigen, ob es ihnen gut gehe. Männer, die mit ihren Töchtern gemeinsam vor dem Spiel üben, »Ich bin stark« zu sagen. Die Marke Gillette modelt in diesem Spot den bisherigen Slogan »The best a man can get« (»Das Beste, was ein Mann bekommen kann« bzw. »sein kann«) zu der Frage um: »Ist das das Beste, was ein Mann bekommen kann (sein kann)?« Es sind berührende Bilder – und sie sind eine erholsame Abwechslung zur Werbeästhetik von Produkten für Männer, in der das Duschgel mit voller Wucht auf die Seifenablage geknallt wird oder eine blutjunge Frau durch das Haar des schuppenbefreiten graumelierten Hauptes des älteren Gentleman streicht.
Zur Kampagne von Gillette mit alternativen Männlichkeitsbildern gab der Konzern an, man wolle eine »positive, erreichbare, inklusive und gesunde Version« dessen bewerben, was es bedeutet, männlich zu sein. Darüber hinaus kündigte das Unternehmen an, drei Jahre lang Non-Profit-Organisationen mit je einer Million US-Dollar zu unterstützen, die diese Ziele verfolgen. Vor allem Männerrechtsaktivisten reagierten auf diese Kampagne heftig: Sie warfen der Werbung vor, die meisten Männer als Sexualstraftäter oder brutale Gangster darzustellen. Über den massiven Shitstorm gegen Gillette berichteten unzählige Medien ausführlich. Und das kann freilich nie schaden, denn zuletzt sah es nicht so gut aus mit den Rasiergewohnheiten der Männer. Die P & G-Marke Gillette brachte im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2019 einen Verlust von 5,2 Milliarden Dollar ein. Man rasiere sich heute seltener, lautet eine Begründung vonseiten des Konzerns (Spiegel Online 2019). Laut CEO David Taylor sei jeder Dollar, den man in eine überzeugende gesellschaftliche Kampagne stecke, »entweder gut für unsere Kunden oder für unsere Stakeholder«.
Die Marke selbst kommt bei solchen Kampagnen zwar vor, tritt aber scheinbar zugunsten einer gesellschaftlich relevanten Debatte in den Hintergrund. Und noch einen kostenlosen Werbeboost gibt es für Unternehmen, die Genderthemen aufgreifen: In den sozialen Medien werden diese immer von sexistischen und lookistischen Untergriffen begleitet, auf die wiederum Kritikerinnen dieser Untergriffe reagieren und die progressiven Kampagnen wie #LikeAGirl oder »My Skin. My Way« verteidigen. Das bringt auch den Effekt, dass sich Unternehmen ganz nebenbei als mutige Kämpfer für vielfältige Körperbilder und die Aufweichung diskriminierender Geschlechterbilder positionieren können. Dass genau diese Unternehmen allerdings immer schon von diskriminierenden Geschlechterbildern und Schönheitsnormen wie auch von der Geschlechterdifferenz generell profitiert haben und sie deshalb auch erst konstruieren, verbreiten und festigen – das scheint dann schnell vergessen.
In der Hitze der Debatten gerät somit das Offensichtliche oft in den Hintergrund: Konzerne führen den Kampf gegen Geschlechterstereotype und Diskriminierung dann, wenn sich damit ihr Produkt verkaufen lässt. Und: Sie führen ihn auch in einem Stil, der vor allem eine neoliberale Lesart des Feminismus ist.